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Filmvorlage: Zwei Schwestern

"The Other Boleyn Girl" von Justin Chadwick rückt ein Drama ins rechte Licht: Zwei Schwestern buhlen um die Gunst des englischen Königs. Der Film - eingetaucht in nachempfundene Blautöne wie auf einem BIld - ist aber auch Sittengemälde.

Unbeschwertes Kinderglück im sommersonnigen Feld, gedreht im malerischen Great Chalford Manor in der Nähe von Bath. Die Geschwister Anne, Mary und George ahnen noch nicht, dass sie Schlüsselfiguren am Hofe Heinrichs VIII. werden sollen. Doch aus der Ferne winkt schon das Schicksal. Vater und Onkel beobachten die unschuldig spielenden Kinder, und planen eiskalt: Wer heiratet wen? Wie kann man für die Familie das Meiste herausholen?

Ein Machtspiel wie ein Schachspiel, und die Geschwister nur Spielsteine, die beliebig hin- und hergerückt werden. Es geht zu wie in einem Mafia-Clan, dort in der Adelsfamilie der Boleyns: Töchter sind zum Verheiraten da, und der größte Coup ist erreicht, wenn eine von ihnen im Bett des Königs landet. Egal welche. Und wenn die eine nicht mehr, dann die andere. Das Ziel: ein Thronfolger, den Königin Katharina von Aragon dem König nicht zu schenken vermochte.

Ein historischer Stoff, den die amerikanische Autorin Philippa Gregory für ihren Roman „The Other Boleyn Girl“ verwertet hat: Anne Boleyn, die unglückliche zweite Ehefrau Heinrichs VIII., die 1536 im Tower enthauptet wurde, hatte eine jüngere Schwester Mary. Und diese, das andere Boleyn Girl, die vergessene Schwester, war – soweit die historische Überlieferung – ebenfalls zeitweilig Geliebte des Königs. Aus dieser Vorlage hat Gregory ein Schwesterndrama besonderer Art gemacht, das schon 2003 von Philippa Lowthorpe verfilmt wurde, mit Natascha McElhone als Mary Boleyn.

In Justin Chadwicks ungleich opulenterer Verfilmung lebt alles vom Gegensatz zwischen den beiden Schwestern – und ihrer Darstellerinnen Natalie Portman und Scarlett Johansson. Mary (Scarlett Johansson) ist die Sanfte, Blonde, Liebevolle – frisch verheiratet, muss sie im Auftrag der Familie Heinrich VIII. verführen und verliebt sich dann in den unerwartet sanften, freundlichen König (Eric Bana).

Doch die eigentliche Hauptfigur ist Anne (Natalie Portman): eine Intrigantin, eifersüchtig auf den Erfolg ihrer Schwester, und doch eine selbstbewusste Kämpferin, die sich nicht verschieben und verschachern lassen will, die ihre eigenen Regeln setzt – und doch Opfer der Natur wird: auch sie bekommt keinen Sohn. Wie schrieb der Hofdichter Thomas Wyatt, ein Verehrer von Anne, in einem Gedicht: „Wer da zu jagen wünscht, ich weiß ein Wild, / Nicht mir bestimmt, ach, ich vermag’s nicht mehr / (...) Graviert in Diamant und aufgereiht / Um ihren hübschen Hals man lesen kann: / Noli me tangere, Caesar bin ich geweiht, / Die zahm erscheint, doch wild die Fessel scheut.“

Zahm und wild: Reizvoll zu überlegen, ob die Schwestern nicht anders herum besser besetzt gewesen wären: Natalie Portman, die Klare, Stille, Willensstarke, als Mary, Scarlett Johansson, die durchaus auch die Verführerin, die Intrigantin geben kann, als Anne. Historisch verbürgte Äußerlichkeiten sprechen dagegen: Annes vielgerühmter blasser Teint, ihr dunkles Haar und langer Hals zum Beispiel – der Film gibt sich größte Mühe, historischen Bildern zu entsprechen und schwelgt besonders in jenen Türkis- und Blautönen, für die der Hofmaler Hans Holbein der Jüngere berühmt war.

Gerade in ihrer Gegensätzlichkeit sind die beiden Schwestern, die beiden Schauspielerinnen einander ebenbürtig und bei aller Konkurrenz doch nah: Johansson so zurückhaltend wie nie, ist die heimliche Gewinnerin, und Portman von einer herzzerreißenden Anspannung und Einsamkeit. Am Ende spielen wieder Kinder auf der Wiese, und wieder ist es ein kleines Mädchen, das allen den Rang abläuft: Elizabeth. Hier beginnt ein anderes Kapitel. Shekhar Kapur, übernehmen Sie.

Heute 12 Uhr und 18.30 Uhr (Urania), 22.30 Uhr (International). Der Film kommt am 6. März ins Kino

Christina Tilmann

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