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Jacques Offenbach gab der Epoche Napoleons III. musikalischen Ausdruck

© Bibliothèque nationale de France

Zweites Kaiserreich im Musée d'Orsay: Im Reich der rauschenden Feste

Alles Kunst, alles künstlich: Das Pariser Musée d’Orsay lässt die Zeit des französischen Kaisers Napoleon III. wiedererstehen. Als üppiges, aber gut verdauliches Konzentrat des Kaiserreichs.

Das Ende steht am Anfang: Ernest Meissonniers Gemälde der „Ruinen des Tuilerien-Palasts“ von 1871 eröffnet die Ausstellung „Das spektakuläre Zweite Kaiserreich“ im Pariser Musée d'Orsay, dem Museum des französischen 19. Jahrhunderts in der Kunst. Sie hält, was der Titel verspricht. Denn das Reich des selbst ernannten Kaisers Napoleon III. war eher spektakulär als splendid und jedenfalls mehr Schein als Sein. Das aber mit großer Überzeugungskraft. Napoleon III., ein Neffe des großen kleinen Korsen, kam durch Plebiszite an die Macht, erst als Staatspräsident, dann als Kaiser, nachdem die Franzosen für ein neuerliches Reich gestimmt hatten.

Nur so ist zu verstehen, warum Napoleon III. derart auf die Inszenierung seiner Herrschaft bedacht war. Ihr mangelte es an dynastischer Legitimität, und die breiten Massen, auf die sie sich stützte, wollten beeindruckt und geblendet sein. Als die außenpolitischen Erfolge ausblieben, geriet das Kaiserreich in die Krise. Mit der Herrlichkeit war’s vorbei, nachdem sich Napoleon von Preußen in den Krieg hatte ziehen lassen und am 1. September 1870 in Gefangenschaft geriet, den Rest erledigte die Pariser „Commune“, die allerhand Insignien der gewesenen Macht zerstörte. Zumal den Tuilerien-Palast als Sitz des gewesenen Kaisers setzte sie in Brand. Die verkohlte Pracht malte Meissonnier, einer der erfolgreichsten Salon-Künstler und ob der Brandschatzung tief betrübt.

Adolph Menzel hat Meissonnier besucht, als er zur Weltausstellung 1867 in Paris weilte. Danach schuf Menzel das Gemälde „Nachmittag im Tuileriengarten“, das heute in der Londoner National Gallery bewahrt wird. Merkwürdig, dass daneben nicht Édouard Manets Gemälde des gleichen Sujets gezeigt wird, obgleich Manet als Mitbegründer der Moderne in der Ausstellung mit pointiert gewählten Arbeiten vertreten ist.

Oper und Theaterleben kommen erst spät an die Reihe

Denn dies ist eine französische Ausstellung, eigentlich eine rein Pariser Ausstellung; in der Hauptstadt konzentrierten sich die Künste, die Luxusindustrie, das Gepränge und schließlich, als gebaute Apotheose des Empire, die Oper von Charles Garnier. Er ging aus einem Wettbewerb von 1858 als Sieger hervor – was allein noch nicht den Bauauftrag sicherte, wie die Ausstellung an konkurrierenden Entwürfen der Folgejahre zeigt. Doch der kaum bekannte Garnier kam tatsächlich zum Zuge. Die Oper wurde erst 1875 fertiggestellt, dabei hätte sie einen eigenen „Style Napoléon III“ begründen sollen.

In der Ausstellung kommen die Oper und das Theaterleben – Jacques Offenbach für die Operette, Eugène Labiche für die Komödie – erst spät an die Reihe, im 11. und vorletzten Saal der wunderschön arrangierten Ausstellung. Sie inszeniert zwar den Prunk, doch wirkt sie nirgends überladen. Sie wahrt klugen Abstand zu Objekten, die allzu leicht als Tinnef angesehen werden könnten. Eingerichtet von einem Kuratorenteam um Orsay-Direktor Guy Cogeval, belässt es die Ausstellung beim Vorzeigen anstelle wohlfeiler Herablassung. Wenn auch der dritte Napoleon – einen zweiten gab es nur dem Namen nach, es war der früh verstorbene Sohn des Korsen – letztlich ein Emporkömmling war, so war er doch auf der Höhe seiner Zeit, was die Verbreitung seines Ruhms anlangt.

Die Gesellschaft liebt es römisch-pompejanisch

Die Modernität als Aspekt des Zweiten Kaiserreichs überlässt die Ausstellung ganz den Gegnern des Kaiserreichs, den Malern der beginnenden Moderne. Nachdem der Besucher die eleganten, makellosen Gesellschaftsporträts des gefeierten Franz Xaver Winterhalter bewundert hat, den Kaiser mit roter Schärpe und Kaiserin Eugénie unter sommerlichem Strohhut, kommen die Modernen in den Blick. Doch so grundverschieden in seinen Ambitionen ist auch Claude Monet nicht, der eine Bürgerliche in vergleichbar großem Aufputz malt. Da ist Gustave Courbet aus anderem Holz geschnitzt, der den Theoretiker des Sozialismus, Pierre-Joseph Proudhon, 1865 im Handwerkerkittel und mit seinen spielenden Kindern festhält, oder auch der großbürgerliche Manet, der den jungen Émile Zola als kosmopolitischen Freigeist vorstellt.

Zu Hause liebt „die“ Gesellschaft es gern römisch-pompejanisch, während die Kaiserin sich ausgerechnet die unglückliche Marie-Antoinette zum Vorbild nimmt und den Stil des späten 18. Jahrhunderts in den kaiserlichen Residenzen wiederbelebt. Das Ausmaß der auf Luxusgüter spezialisierten Gewerbe kann man sich dennoch kaum vorstellen. Alle, alle wollen schließlich tafeln und speisen wie die Haute-volée. Die Gesellschaft verbürgerlicht zusehends, reiche Banquiers wie die Rothschild steigen zu unermesslichem Reichtum auf, wohlhabende Händler mit weltweiten Verbindungen tun es ihnen nach. Die Portraitmalerei steht in höchster Blüte, ungeachtet des rasanten Aufstiegs der Fotografie, die auch den niederen Ständen erlaubt, sich Abbilder ihrer selbst fertigen zu lassen. Dabei sitzt die Fotografie, wiewohl das demokratische Medium schlechthin, durchaus nicht am Katzentisch der Gesellschaft. Das belegt Gustave Le Grays hochoffizielle Aufnahme der betenden Kaiserin, eine Inkunabel der Fotografiegeschichte aus deren Frühzeit des Jahres 1856.

Prunkwiege für den Prinzen Louis Napoleon
Die Prunkwiege für den Prinzen Louis Napoleon von 1856.

© Musée Carnavalet/Roger Viollet

Die Moderne, wie gesagt, wird im Musée d'Orsay einseitig vorgeführt, als neue Richtung der Kunst. Dabei krempelt die Moderne den Alltag vollständig um. Doch wo sind Haussmanns radikale Straßenplanungen für Paris, wo Victor Baltards „Hallen“, deren gusseiserne Ausführung anstelle des ursprünglich gewählten Natursteins bezeichnenderweise auf des Kaisers Intervention zurückgeht? Von Baltard wird die überreich verzierte Babywiege gezeigt, die er für den Stammhalter der kaiserlichen Familie malte. Dieser Prinz Napoleon, der der IV. seines Namens hätte werden sollen, fiel später als junger Soldat in einem Afrikafeldzug der Briten; die kaiserliche Familie war längst im Exil. Kein Geringerer als Viollet-le-Duc, der Theoretiker der Neogotik und Erbauer der pseudo-mittelalterlichen Burg von Pierrefonds, aber auch Entwerfer gusseiserner Neogotik, dekorierte Notre-Dame für die Taufe des Prinzen. Wo aber ist der gebürtige Kölner Jakob Ignaz Hittorf, der den monumentalen Pariser Kopfbahnhof Gare du Nord entwarf (und schon vor Napoleons Aufstieg die Place de la Concorde)?

Einstiges Skandalbild von Manet

Es sollte im Orsay eben eine Kunstausstellung sein, kein kulturhistorisches Panorama der zweiten Kaiserzeit. So gelangt man in den lang gestreckten hohen Saal Nr. 12: „Le Salon“. Der Salon war die regelmäßige Kunstausstellung des Regimes, streng juriert nach den Maßstäben der Akademie. Tausende von Werken wurden alle zwei Jahre eingereicht, bis zu 7000 ausgewählt. Die Platzierung des einzelnen Gemäldes entschied wesentlich über den (Verkaufs-)Erfolg; unzählige Karikaturen machten sich über die neuesten Moden lustig. Für die Zurückgewiesenen, und es wurden immer mehr, richtete der taktisch geschickte Napoleon 1863 den „Salon des Refusés“ ein.

Genau dieses Jahr 1863 wird jetzt mit historisch dicht gehängten Beispielarbeiten von akzeptierten und ausjurierten Bildern vorgeführt, deren bei Weitem bedeutendstes das „Frühstück im Grünen“ von Manet ist. Dieses Skandalbild von heute gar nicht mehr nachvollziehbarer Sprengkraft dominiert den Saal, das ist kunsthistorisch – nach heutigem Urteil – richtig und angemessen, verdeckt aber gerade deshalb die ästhetische Rangordnung der damaligen Zeit. Manet galt als anstößig – sind die sich räkelnden Nackten wie die „Geburt der Venus“ des Erfolgsmalers Alexandre Cabanel nicht viel anstößiger?

Drang nach Blenden und Übertrumpfen

Im Kapitel 11 über das und die Theater übertönt eine Offenbach-Melodie das vernehmliche Rattern der Vorortbahn R.E.R., die im Untergrund des als Fernbahnhof bereits 1939 aufgegebenen Gare d’Orsay ihren Halt hat. Der wurde erst 1900 eröffnet, als erneut eine Weltausstellung in Paris abgehalten wurde. Erste Weltausstellungen fanden unter Napoleon III. statt, 1855 in verbissener Konkurrenz zum Londoner Erstling von 1851 und erneut 1867. Beide Male stand die Wirtschaft Frankreichs auf konjunkturellem Höhepunkt; jetzt gezeigt werden allerdings keine Industrieerzeugnisse, sondern wiederum kunstgewerbliche Spitzenwaren wie die bemalte Tapete von Edouard Mueller – genannt „Rosenmüller“ –, „Der Garten der Armida“. Ältere Besucher mögen sich erinnern, dass genau dieses Motiv den Katalog der vorangehenden Ausstellung zum Zweiten Kaiserreich zierte, 1979 im Grand Palais und entsprechend voluminöser als in den überschaubaren Räumen des Orsay.

Diesmal bekommt man eine Art Konzentrat des Kaiserreichs, üppig, aber am Ende gut verdaulich. Inwieweit das dem Drang nach Blenden und Übertrumpfen gerecht wird, der die kaiserliche Epoche kennzeichnet, sei dahingestellt. Für heutige Augen ist weniger vermutlich mehr.

Paris, Musée d'Orsay, bis 15. Januar, Katalog im Verlag Skira, 45 €.

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