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Kultur: Zwischen Glamour und Gewalt

Ein Rundgang über die Kunstmesse Arco ’05 in Madrid

Die Vorbesichtigung der 24. Madrider Kunstmesse Arco und die feierliche Eröffnung durch das spanische Königspaar wurden überschattet von der morgendlichen Explosion einer Autobombe in unmittelbarer Nähe des Messegeländes. Verzögerungen und nochmalige Verschärfung der Zugangskontrollen waren die Folge. Bereits am Vortag hatte eine Reihe von Verhaftungen von Eta-Terroristen daran erinnert, dass die Sicherheitslage in Spaniens Hauptstadt angespannt bleibt. Das Innere der Hallen stellte dann aber unter Beweis, was eine Sprecherin bei der improvisierten Pressekonferenz verkündet hatte: „Die Messe wird wie geplant stattfinden! Die Arco ist ein Treffpunkt für Freunde und Liebhaber der Künste und wird es bleiben.“

Den Beweis treten 290 Galerien an, davon 202 ausländische aus 36 Ländern und nurmehr 88 spanische, womit sich der einheimische Anteil gegenüber dem Vorjahr verringert hat. Das zweitstärkste Kontingent stellen die deutschen Galerien, 29 an der Zahl, vier davon aus Berlin (carlier/gebauer, Georg Nothelfer, Esther Schipper und M. Schultz). Ansonsten ist diese, dem Augenschein nach sehr frische und optimistische Arco ’05 eine der Rekorde: Die beiden Meesehallen bieten mit 22860 Quadratmetern fünfeinhalb Mal so viel Fläche und beherbergen mehr als drei Mal so viele Teilnehmer wie die Auftaktveranstaltung 1982.

Die uralten Beziehungen der iberischen Halbinsel über den Atlantik hinweg spiegeln sich in diesem Jahr in der Einladung Mexikos als Gastland der Messe – und wenn etwas für die 22 teilnehmenden mexikanischen Galerien zutrifft, dann, dass ihr Programm so international ist wie das aller Konkurrenten auch. So finden sich bei OMR aus Mexiko-Stadt ein Holzrelief von Stefan Balkenhol sowie abstrakte Farbfotos von Thomas Ruff. Mit der Folklore spielen eher die Galerie alternativa once (Nuevo León) mit Fotos von Daniel Lara, die unter dem Titel „Unfreiwillige exotische Entwürfe“ fantasievoll gestaltete Elendsbehausungen vorführen, oder Patrick Petterson bei Yvonamor Palix, der die Holzschnitttradition der mexikanischen Revolution aufgreift. Publikumsliebling allerdings wird wohl eher Ariel Guzik, der eine Schlagzeug-Band aus ameisenartigen Robotern nachgebaut hat – und mit ihren präzisen Trommelschlägen einen mitreißenden Sound erzeugt (Galeria Emma Molina/Monterrey).

Installationen sind ansonsten selten auf der Arco ’05. Überhaupt sind Arbeiten in der Minderzahl, die die räumlichen Möglichkeiten von Privatsammlern übersteigen. Auch Videos, die vor Jahren noch als Ausweis technologischer Aufgeschlossenheit galten, sind nur in wenigen Beispielen zu entdecken. Hat man (bei Oliva Arana, Madrid) drei oder vier Mal die Endlosschleife des Animations-Videos von Ruth Gomez „Ruth made in Musac“ gesehen beziehungsweise mit seinen verfremdeten Edith-Piaf-Refrains gehört, kann man sich eine Dauerbeschallung im privaten Zuhause kaum mehr vorstellen.

Es dominiert das traditionelle Wandobjekt: als Tafelbild – dann bisweilen auch großformatig wie Norbert Bisky bei Michael Schultz oder Santiago Ydánez bei Luis Adelantado (Valencia). Daneben aber regiert die Fotografie. Thomas Ruff, einer der Favoriten, wird prominent vertreten in der Mai 36 Galerie aus Zürich, aber auch bei Estrany-de la Mota aus Barcelona (24–36000 Euro). Der Doppelstand Michael Neff aus Frankfurt und Sabine Knust aus München hat mehrteilige Arbeiten von Katharina Sieverding im Angebot, Helga de Alvear aus Madrid Axel Hütte für marktgängige 22000 Euro.

Politische Arbeiten sind selten, aber selten auch so eindringlich wie auf dieser Messe. Gleich mehrere Künstler reflektieren den Irak-Feldzug der USA. Dabei steht das notorische Foto aus dem Gefängnis von Abu Ghraib obenan: Die Soldatin mit dem Gefangenen am Hundehalsband wird von Juan Fontcuberta in einem Mosaikbild aus „Google“-Screenshots verfremdet rekonstruiert (Visor/Valencia, 5000 Euro), von der Künstlergruppe El Perro hingegen als hyperrealistische Skulptur nachgebaut (bei Salvador Diaz, Madrid). Mit feiner Ironie hingegen arbeitet Inigo Royo, der die US-Satellitenfotos angeblicher irakischer Waffendepots ironisch unterläuft (Visor, Abzug je 2000 Euro).

Aus der Reportagefotografie kommt der 30-jährige Pep Bonet, dessen erschütternde Schwarz-Weiß-Fotos von Schauplätzen zentralafrikanischer Bürgerkriege – etwa mit fußballspielenden Krüppeln oder angeketteten Hospital-Insassen – Grenzen überschreiten (bei Ferran Cano, Palma de Mallorca und Barcelona, 2000 Euro). Die schauerliche Gemäldeserie von Enrique Marty hingegen, womöglich auf Bilder aus Ruanda zurückgehend, entpuppt sich als Freakshow, bei der unter anderem auch SS-Chef Himmler bemüht wird (bei Espacio Minimo, Madrid). Und dann findet sich noch die wunderbare Arbeit „Breaking Icons“ von Jota Castro über das Zerbrechen aller politkünstlerischen Utopien in der Förderkoje der Associazione Prometeo aus Lucca: Gerahmte Fotos zeigen neben anderen Marx, Beuys, Mao oder auch Daniel Cohn-Bendit – aber das Glas ist zersprungen und zeichnet auf die Gesichter ein feines, historisierendes Liniengeflecht. Das also ist geblieben von den Utopien und Ideologien vergangener Tage.

Arco ’05, Madrid, Parque Ferial Juan Carlos I, bis 14. Februar. Zweibändiger Katalog 40 Euro. Weitere Informationen im Internet unter www.arcospain.org

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