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Erkennt der Fahrsimulator sicher Hindernisse auf dem Gleis?

© Birgit Milius

Lok ohne Führer:in: Wie selbstfahrende Züge die Verkehrswende unterstützen könnten

Die Fahrgastzahlen der Bahn sollen steigen, doch es gibt zu wenig Lokführer:innen. Auch ein Team der TU Berlin arbeitet an automatisierter Unterstützung.

Batterien, Wasserstoff oder doch E-Fuels? Derzeit wird heftig diskutiert, welche Energiequelle uns künftig antreiben wird. Weniger bekannt ist, dass die Verkehrswende auch verstärkt menschliche Ressourcen benötigt – die aufgrund des demografischen Wandels immer weniger verfügbar sind. Schon heute kommen auf 100 offene Stellen für Lokführer:innen nur etwa 50 Arbeitssuchende. Dabei sollen sich die Fahrgastzahlen der Bahn laut Strategie „Starke Schiene“ in Zukunft fast verdoppeln. Zudem wird der geplante Deutschlandtakt mehr Züge erfordern, wenn Umsteigeverbindungen in alle Richtungen zu jeder vollen und halben Stunde garantiert werden sollen.

„Triebfahrzeugführer:in ist ein toller, aber auch einsamer Beruf“, erklärt Birgit Milius, Leiterin des Fachgebiets Bahnbetrieb und Infrastruktur der TU Berlin. Die Professorin geht deshalb davon aus, dass der künftige Bedarf über vermehrte Ausbildungen allein kaum gedeckt werden kann. Zusammen mit dem Bahntechnik-Unternehmen Alstom sowie mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) arbeiten Milius und ihr Team an einer stärkeren Automatisierung des Bahnbetriebs. Im Sommer 2024 soll im Projekt „ARTE“ ein Meilenstein erreicht werden: Die erste vollautomatisierte Fahrt eines Passagierzuges auf dem regulären Streckennetz der Deutschen Bahn.

„Wir arbeiten schon jetzt unter Hochdruck, denn der Zeitplan ist ambitioniert“, sagt Frederik-Alexander Adebahr, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Bahnbetrieb und Infrastruktur. Denn nach Abschluss aller Vorarbeiten müsse noch genügend Zeit für die Genehmigung bleiben. Oberstes Gebot sei dabei der Schutz der Menschen. „Es wird deshalb ein:e Sicherheits-Lokführer:in an Bord sein, um im Notfall eingreifen zu können. Und wir fahren noch ohne Passagiere“, erklärt Adebahr. Momentan führt das Projektteam bei jedem Signal auf der etwa 30 Kilometer langen Strecke in Niedersachsen einen 3D-Scan durch. Das ist für die automatische Erkennung durch die Kamera im Zug notwendig.

„Das Projekt soll zeigen, dass die Technik mindestens genauso sicher ist wie der Mensch und dass die Integration des automatisierten Fahrens in den Bahnbetrieb insgesamt funktioniert“, sagt Milius. 50 Triebfahrzeugführer:innen haben dafür beim DLR und an der TU Berlin in Fahrsimulatoren gezeigt, wie schnell und sicher sie Hindernisse auf dem Gleis erkennen können. An der TU Berlin wird zudem ein Tablet entwickelt, das es dem oder der Zugbegleiter:in beziehungsweise einem oder einer Operator:in einer entfernten Zentrale ermöglicht, den Zug per Hand zu steuern, falls es Probleme gibt.

Die Tücken stecken dabei im Detail: Wie erkennt der Zug nasse Herbstblätter auf den Schienen, um daraufhin seinen Bremsvorgang anzupassen? Wie bemerkt der oder die Operator:in, wenn das Videobild des am Gleis stehenden Zuges eingefroren ist? Der Zug dürfte dann ja keinesfalls anfahren, weil sich jemand auf den Gleisen befinden könnte. Und vor allem: Wann genau soll der Zug die menschliche Zweitbesetzung „um Hilfe bitten“? All dies soll bald gefahrlos im Praxistest erprobt werden.

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