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Gastbeitrag des Regierenden Bürgermeisters: Klaus Wowereit über das Tor zur Stadt

Der Erfolg des vor fünf Jahren eröffneten Hauptbahnhofs zeigt, dass Berlin eine moderne Infrastruktur braucht, schreibt der Regierende Bürgermeister in einem Gastbeitrag. Der Bahnhof steht für die Veränderungen einer noch immer zusammenwachsenden Stadt.

Was hat es für Proteste gegen den Hauptbahnhof gehagelt! Manche in Ost und West hielten ihn für überflüssig. Lieber einen Bahnhof in jeder Stadthälfte als einen für die ganze Stadt. Bei der Eröffnung flogen 1000 schwarze Trauerluftballons über den Bahnhof Zoo. „Mehrheitlich sind wir Berliner dem Gewohnten so verbunden wie dem Neuen gegenüber misstrauisch“, fasste Gerd Appenzeller diese Haltung einmal für den Tagesspiegel zusammen.

Trotzdem hat vorausschauende Politik gemeinsam mit der Deutschen Bahn diese Milliardeninvestition nachhaltig vorangetrieben. Mit Erfolg: Der Bahnhof ist heute das Tor zur Stadt. Die Berlinerinnen und Berliner haben ihn zu ihrem Hauptbahnhof gemacht. Er ist Drehkreuz von täglich zehntausenden Reisenden und Pendlern. Und er ist ein Beschäftigungsfaktor: Nicht nur der Bau hat Arbeitsplätze geschaffen und gesichert, heute arbeiten dort etwa 2000 Berlinerinnen und Berliner.

Allen ist nun klar, wie wichtig das Infrastrukturprojekt Hauptbahnhof war. Er ist ein Symbol für die Veränderungen einer noch immer zusammenwachsenden Stadt. In den letzten 20 Jahren ist fast die gesamte öffentliche Verkehrsinfrastruktur, die teilungsbedingt ausgedient hatte, modernisiert oder umgebaut worden. Das war ein schwieriger, lauter und manchmal auch anstrengender Prozess. Doch er war zum Wohle aller: Berlin ist heute die Stadt mit den modernsten Verkehrswegen der Welt.

Nicht alles ist gelungen. Die schmale Zufahrt zum Bahnhof ist nach wie vor ein Ärgernis. Sie passt nicht zu einem Hauptstadtbahnhof. Die Planungen der 90er Jahre haben zudem wenig Rücksicht auf eine sinnvolle Bebauung der Umgebung genommen. Zu oft wurde schnelles und zweckmäßiges Bauen einer nachhaltigen Stadtentwicklung vorgezogen. Das darf gerade hier nicht die einzige städtebauliche Antwort bleiben.

Es ist die große Aufgabe der kommenden Jahre, das Europaquartier um die Heidestraße zu einer Stadtlandschaft für Arbeiten, Leben und Wohnen zu machen. Mit Bayer Healthcare und der Charité sind erstklassige Nachbarn im Umfeld, welche den Kern für einen großen Gesundheitsstandort bilden können. Der Mineralölkonzern Total, der am Hauptbahnhof seine neue Deutschlandzentrale baut, hat erkannt, dass das Zentrum Berlins künftig über den Hauptbahnhof betreten wird. Dieses Quartier wird ein Juwel der Stadt sein, und ich werbe sehr dafür, dass weitere Unternehmen diese riesige Chance ergreifen.

Klar ist aber auch: Hätte die Berliner Politik beim Ausbau der Infrastruktur gezögert, unsere Stadt wäre heute nicht auf dem Erfolgsweg. Veränderungen zum Positiven brauchen einen langen Atem statt Stillstand. Zögerlichkeit und das Verschieben von Konflikten an zig runde Tische ist oft keine Lösung. Dieser Bahnhof hat den „Stresstest“ durch Realisierung bestanden.

Dieser zuerst schwierige aber letztlich erfolgreiche Reformweg muss fortgesetzt werden. Beim Bau des Großflughafens Willy Brandt darf nicht gewackelt werden. Über Adlershof hinweg muss es einen Investitionskorridor Südost geben, bei dem auch städtebaulich Lehren aus der Entwicklung rund um den Hauptbahnhof gezogen werden können. Die Verlängerung der A 100 schafft Arbeitsplätze – daher werden wir sie realisieren. Die Zentral- und Landesbibliothek in Tempelhof wird für Berlin ein modernes Zentrum des Wissens. Das neue Humboldt-Forum wird gemeinsam mit dem Bund gebaut werden.

Ich verstehe, dass jeder Bau auch Nachteile für manche Betroffenen nach sich zieht. Es ist ihr gutes Recht, sich dagegen zu wehren. Aber ich werbe genauso vehement für meine Überzeugung, dass Politik dem Gemeinwohl der ganzen Stadt verpflichtet ist. Künftige Generationen werden dankbar sein, wenn bei der Verbesserung der Infrastruktur nicht gezögert wird. Der lebende Beweis dafür ist der Hauptbahnhof.

Der Autor ist Regierender Bürgermeister von Berlin und stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender.

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