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Standortfaktor Klimaschutz. Die Grünen sehen in Berlins Solartechnik-Unternehmen und anderen Bereichen der „Green Economy“ einen Jobmotor, während die FDP von einer „Worthülse ohne industriepolitischen Inhalt“ spricht. Unser Bild zeigt eine der größten Fotovoltaikanlagen der Stadt auf der Max-Schmeling-Halle in Prenzlauer Berg.

© ddp

Wahlkampf 2011: Neue Jobs – fest versprochen

BBI, A 100 und Industriearbeitsplätze werden zu Hauptthemen des Berliner Wahlkampfes. Das haben alle Spitzenkandidaten erkannt – und bekennen sich zur vitalen Bedeutung des Flughafens für die Region.

Der Großflughafen BBI in Schönefeld und die fehlenden Industriearbeitsplätze sind Hauptthemen im Berliner Wahlkampf 2011. Das haben alle Spitzenkandidaten erkannt – und bekennen sich zur vitalen Bedeutung des Flughafens für die Region. Sogar die Grünen-Spitzenfrau Renate Künast. „Wir brauchen einen interkontinentalen Flughafen, der wirtschaftlich betrieben wird“, sagt sie in der aktuellen Ausgabe des Tagesspiegel-Mittelstandsmagazins „Berlin maximal“. Damit geht die 55-Jährige deutlich auf Abstand zu ihren früheren Äußerungen zum Flughafen, die bei den Berliner Grünen Verwirrung und Unmut ausgelöst hatten.

"Wir wollen gleiche Bedingungen für Firmen aller Branchen", Christoph Meyer (FDP)

Auch Christoph Meyer, Landesvorsitzender und designierter Spitzenkandidat der FDP, steht hinter dem Airport. „Dass der BBI fristgerecht fertig wird, hat oberste Priorität“, sagt der 35-Jährige, „je mehr wir uns verspäten, desto schwieriger wird es, das angestrebte Wachstum für die Region zu realisieren“. Das versieht er mit einem Seitenhieb in Richtung Christdemokraten: „Was die Debatte um die Flugrouten angeht, rächt sich jetzt, dass die CDU damals den Standort Sperenberg verhindert hat. Dort hätten wir diese Probleme nicht.“ Der Berliner CDU-Chef und Spitzenkandidat Frank Henkel stellt die Dinge anders dar. „Wir sind, waren und bleiben für ein internationales Drehkreuz am BBI“, sagt Henkel.

"Berlin hat die Krise besser überstanden als andere Regionen", Klaus Wowereit (SPD)

Die Vertreter der Regierungsparteien sind sich sicher, dass der künftige Großflughafen einen Gewinn für die Region bedeutet und „definitiv ein internationales Drehkreuz wird“, wie Harald Wolf, Wirtschaftssenator und Spitzenkandidat der Linkspartei, betont. So sieht es auch der Regierende Bürgermeister und Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, Klaus Wowereit: „Es hat über viele Jahre im Abgeordnetenhaus einen Konsens darüber gegeben, dass der Willy-Brandt- Flughafen ein Singleairport werden wird und dass er damit auch Funktionen eines Umsteigeflughafens übernehmen kann.“ Unter Singleairport versteht Wowereit den alleinigen Airport in Berlin und Brandenburg. Die jüngst angestoßenen Debatten seien weit dahinter zurückgegangen und hätten zu unverantwortlichen Irritationen geführt. „Die Region kann auf die Jobmaschine Flughafen nicht verzichten“, sagt Wowereit, „an uns sind Ansiedlungen genug vorbeigegangen und in München oder Frankfurt gelandet, weil Berlin nicht genügend internationale Flugverbindungen anzubieten hatte. Damit muss Schluss sein!“

So viel Einmütigkeit gibt es bei anderen wirtschaftspolitischen Themen nicht. Zum Beispiel die geplante Verlängerung der Stadtautobahn A 100 von Neukölln nach Treptow: Die Linke und die Grünen sind gegen das Vorhaben, SPD, CDU und FDP dafür.

"Wissenschaft und Produktion müssen besser verzahnt werden", Frank Henkel (CDU)

Was die Industriearbeitsplätze betrifft, verweisen FDP und CDU darauf, dass Politik nicht Arbeitsplätze schafft, sondern die Rahmenbedingungen dafür. Die Liberalen wollen jede neue Stelle willkommen heißen, unabhängig von der Branche: „Wir warnen vor einer ideologischen Verengung auf sogenannte ,Green Economy‘ – eine Worthülse ohne industriepolitischen Inhalt“, sagt FDP-Kandidat Christoph Meyer.

"Berlin muss auch beim Klima Hauptstadt werden", Renate Künast (Grüne)

Dagegen setzen die Grünen auf die grüne Wirtschaft als Jobmotor. „Dieser Bereich kann sich bundesweit verdoppeln“, unterstreicht Renate Künast, „Berlin könnte noch mehr rausholen. Ich habe zum Beispiel in Berliner Solarfirmen gesehen, dass da auch Jobs für Geringqualifizierte entstehen.“ Sie hat sich zum Ziel gesetzt, auf diesem Weg 100 000 Arbeitsplätze in Berlin entstehen zu lassen.

Auch Harald Wolf hat eine Zahl in den Raum geworfen: Sein Ziel sind 150 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in den kommenden fünf Jahren. Klaus Wowereit nennt keine Zielgröße, dafür tut das Frank Jahnke, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD. Er rechnet vor, dass rund 90 000 Arbeitsplätze im Industriesektor fehlen. „Diese in der kommenden Legislaturperiode zu schaffen, wäre eine ehrgeizige Zielmarke, aber nicht unrealistisch“, sagt Jahnke. Experten zählen zu jedem Industriearbeitsplatz zwei bis drei weitere Stellen hinzu, die dadurch in anderen Branchen entstehen. Also stellen die Sozialdemokraten insgesamt 270 000 Arbeitsplätze in Aussicht.

Die derart umworbene Wirtschaft fordert von der Politik rasche Investitionen in das Straßennetz und bestehende Bauwerke, aber auch eine bessere Standortvermarktung. Handwerkskammerpräsident Stephan Schwarz nennt als ein Beispiel den Wirtschaftszweig Green Economy: „Alle sprechen darüber, aber es wird zu wenig dafür getan.“

"Arbeit in einem sozialen Berlin ist unser zentrales Anliegen", Harald Wolf (Linke)

Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB), hofft vor allem, dass die Politik mit Weitblick plant. Durch die Wirtschaftskrise hätten die Unternehmen hauptsächlich kurzfristige Maßnahmen vom Staat bekommen, wie beispielsweise die ausgeweitete Regelung zur Kurzarbeit und das Konjunkturpaket II. „Wir brauchen jetzt langfristige Maßnahmen zur Sicherung des Standorts“, sagt Amsinck, „schließlich laufen ab 2020 die Solidarpaktmittel aus, und ab dann gilt die Schuldengrenze. Berlin muss spätestens bis dahin den Haushalt konsolidieren und neue Arbeitsplätze schaffen.“ Auch was die Rekommunalisierung der Wasserbetriebe angeht, die SPD und Linkspartei anstreben, sind die Wirtschaftsverbände skeptisch.

Über mögliche Koalitionspartner halten sich die meisten Parteien noch bedeckt. Zwei Ausnahmen gibt es: Während die FDP die Arbeit mit der Linkspartei ausschließt, kommen für diese lediglich die SPD und die Grünen als politische Partner infrage.

Mehr zur wirtschaftspolitischen Agenda der Parteien und ihrer Spitzenkandidaten können Sie ab Freitag in der neuen Ausgabe von „Berlin maximal“ lesen.

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