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Claudio Abbado dirigiert das Lucerne Festival Orchestra

© Georg Anderhub, Lucerne Festival

"Ein Zeuge der wahren, tiefen Kultur": Reaktionen zum Tode Claudio Abbados

Der Dirigent Claudio Abbado ist tot und die Kulturschaffenden ehren ihn: "Seine Aufführungen hatten etwas Überweltliches". Stimmen von Sir Simon Rattle bis Daniel Barenboim zum Tod des großen Dirigenten.

Simon Rattle, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker

"Wir haben einen großartigen Musiker und einen sehr großherzigen Menschen verloren. Schon vor zehn Jahren haben wir uns alle gefragt, ob er die Krankheit überleben würde, die ihn nun das Leben gekostet hat. Stattdessen konnte er, konnten wir als Musiker und Zuhörer, einen außergewöhnlichen (Lebens)-Herbst genießen, in dem alle Facetten seiner Kunst auf unvergessliche Weise zusammenkamen. Vor einigen Jahren sagte er zu mir: „Simon, meine Krankheit war fürchterlich, aber ihre Folgen waren nicht nur schlecht. Irgendwie scheint es mir, als ob ich aus meinem Inneren heraus hören könnte, als ob der Verlust meines Magens mir innere Ohren gegeben hätte. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie wunderbar sich das anfühlt. Und ich bin sicher, dass mir die Musik damals das Leben gerettet hat.”

Er war zeitlebens ein großartiger Dirigent; die Aufführungen seiner letzten Jahre hatten etwas Überweltliches, wir schätzen uns alle glücklich, sie miterlebt zu haben. Wir pflegten einen warmherzigen und humorvollen Kontakt – noch bis letzten Freitag. Er wird tief in meinem Herzen und in meiner Erinnerung bleiben.“

Die Berliner Philharmoniker

"Seine Liebe zur Musik und seine unstillbare Neugier waren uns Inspiration und haben unser musikalisches Schaffen seit seinen ersten Konzerten mit uns im Jahr 1966 geprägt. Wir sind stolz, ihn zu unseren Chefdirigenten zählen zu können und Teil seines musikalischen Erbes zu sein."

Daniel Barenboim, Generalmusikdirektor der Lindenoper

"Ich kannte ihn seit Anfang der 50er Jahre, damals studierte er Klavier bei Gulda am Salzburger Mozarteum. 1956 absolvierten wir gemeinsam einen Dirigierkurs in Siena, seitdem verband uns eine lange Freundschaft. Ich habe viele besondere Erinnerungen an ihn, zuletzt an seine Rückkehr an die Mailänder Scala 2012, als wir gemeinsame Konzerte hatten. Wir verlieren einen der größten Musiker des letzten halben Jahrhunderts, einen der wenigen Musiker, die eine besonders enge Beziehung mit dem Geist der Musik hatten – und das über die Grenzen der musikalischen Genres hinweg.

Besonders würdigen muss man seinen Einsatz für die zeitgenössische Musik und Komponisten wie Nono, Ligeti und Kurtag, die er auch an der Mailänder Scala während seiner Zeit als Musikdirektor aufführte. Einen ganz besonders großen Beitrag leistete er auch mit der Gründung zahlreicher Jugendorchester. In dieser Hinsicht war er ein Pionier der während seiner gesamten Karriere mit jungen Musikern arbeitete, sie forderte und förderte. Dadurch setzte er ein Zeichen für die Welt: dass junge und unerfahrene Musiker mit der richtigen Einstellung und dem Einsatz auf dem höchsten Niveau musizieren können."

Christian Thielemann, Chefdirigent Sächsische Staatskapelle Dresden

"Viele Aufführungen unter Abbados Leitung sind mir in unvergesslicher Erinnerung. Ich habe es immer bewundert, wie es ihm gelang, in seinen Interpretationen Emotion und Intellekt miteinander zu verbinden. Abbado war ein außergewöhnlicher Opern- und Konzertdirigent und zugleich ein ungemein sympathischer und bescheidener Kollege."

Riccardo Muti, Chefdirigent Chicago Symphony Orchestra

"Er war ein großer Zeuge der wahren, tiefen Kultur Italiens und Europas in der Welt. Sein Künstlerleben zeichnete sich durch Ernsthaftigkeit und Strenge aus."

Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele

"Er wollte nie triumphieren, aber wahrscheinlich sind ihm gerade deshalb solche Triumphe mit seinen Interpretationen gelungen. Bei wenigen anderen Dirigenten stand so oft das Wort „Sternstunden“ in den Rezensionen. Bei wenigen anderen Dirigenten brandete der Applaus auch nach schwierigen Werken so mächtig auf. Durch sein Werk lebt er in uns fort."

Abbado debütierte 1965 in Salzburg und hat dort an 101 Abenden dirigiert.

Michael Haefliger, Intendant des Lucerne Festival

"„Wanderer, es gibt keinen Weg. Was zählt, ist allein das Gehen.“ Dieses Zitat, welches Abbados langjähriger Weggefährte, der italienische Komponist Luigi Nono, an der Mauer eines Klosters in Toledo fand, mag auch sinnbildlich für Abbado gewesen sein. Das Leben nicht durch Wege zu bestimmen, sondern vielmehr zu gehen, zu leben und Neues offen zu erfahren. Also das vermeintlich weglose Wandern und Suchen. Genau so suchte Abbado scheinbar „weglos“ in seinem Schaffen immer wieder das Neue und Unbekannte, und er tat dies bis zur letzten Sekunde seines so erfüllten und faszinierenden Lebens."

In Luzern war Abbado am 26. August 2013 zum letzten Mal aufgetreten.

Giorgio Napolitano, italienischer Staatspräsident

"Abbados Tod erfüllt mich persönlich mit großem Schmerz und ist Anlass zur Trauer für ganz Italien und für die Kulturwelt. Bis zum Schluss hat Abbado mit außerordentlicher Willensstärke den Attacken der Krankheit widerstanden, die ihn vor Jahren schwer getroffen und die in den letzten Monaten immer aggressivere und fatalere Formen angenommen hatte."

Monika Grütters,Staatsministerin für Kultur

"Ich denke voller Dankbarkeit an diesen herausragenden Künstler, der das Ansehen der Berliner Philharmoniker und deren künstlerischen Traditionslinien nach Karajan maßgeblich neu prägte. Mit innovativem Programm und zeitgemäßen Interpretationen waren ihm nicht nur die Kompositionen, sondern auch die umfassenden kulturellen Zusammenhänge der einzelnen Perioden wichtig. Mit seiner Jugendförderung hat er Maßstäbe gesetzt. Er wird uns sehr fehlen."

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