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Porträt und Leserdebatte: Roland Koch: "Politik ist nicht mein Leben"

Er gilt als einer der profiliertesten, talentiertesten und umstrittensten CDU-Politiker, doch zum Jahresende will sich der hessische Ministerpräsident und stellvertretende CDU-Vorsitzende aus der Politik zurückziehen. Die sei eine "souveräne eigene Entscheidung", sagte der 52-Jährige am Mittag in Wiesbaden, er wolle einen "neuen Lebensabschnitt" beginnen.

Das ist ein Paukenschlag. Der hessische Ministerpräsident und stellvertretende CDU-Vorsitzende Roland Koch zieht sich aus der Politik zurück, bis zum Ende des Jahres will einer der profiliertesten, talentiertesten und zugleich umstrittensten Christdemokraten des Landes seine Ämter zur Verfügung stellen. Am 12. Juni wird er den hessischen Landesvorsitz aufgeben, am 31. August das Amt des Ministerpräsidenten zur Verfügung stellen und sein Landtagsmandat aufgeben. Im November will Koch auch nicht wieder für das Amt des stellvertretenden CDU-Vorsitz kandidieren. Der Rückzug des 52-Jährigen aus der Politik erfolgt also vollständig.

Koch geht. Nach elf Jahren an der Spitze der hessischen Landesregierung gehöre ein Wechsel "zu den Voraussetzungen dafür, dass Politik lebendig bleibt", sagte dieser am Mittag bei einer Pressekonferenz in Wiesbaden. "Politik ist nicht mein Leben", so Koch. Er sprach von einer "souveränen eigenen Entscheidung", er sei "jung genug, einen weiteren selbständigen Lebensabschnitt selbständig betreiben zu wollen". Offenbar sucht Koch also eine neue berufliche Herausforderung in der Privatwirtschaft,. Zunächst wolle er sich "Zeit nehmen" für die Rückkehr in ein "normales Leben" und sich anschließend "im Bereich wirtschaftlicher Unternehmungen betätigen". Seinen Landesverband sieht der scheidende Ministerpräsident offenbar gut aufgestellt, er habe in Hessen "langfristig eine bürgerliche Mehrheit erreicht", so Koch und diese Mehrheit sei "stabil".

Der Rückzug aus der Politik, den Koch offenbar seit Monaten vorbereitet hat und über den er Kanzlerin Merkel nach eigenen Angaben schon vor einem Jahr informiert hat, kommt dennoch überraschend. Für die CDU in Hessen und im Bund ist dies eine tiefer Einschnitt. Diese "Zäsur" habe er selbst herbeigeführt, so betonte Koch und sprach von einem "Schritt, der uns Politikern häufig nicht zugetraut wird".

Koch ist ein christdemokratisches Urgestein, der seine politische Karriere in jungen Jahren geplant hatte. Mit 14 Jahren war er in der Junge Union eingetreten, mit 21 Jahren im Main-Taunus jüngster CDU-Kreisvorsitzender. Im Februar 1999 wurde er mit nur 40 Jahren hessischer Ministerpräsident. Es war eine Sensation, als es ihm bei der Landtagswahl im Februar 1999 gelang, die rot-grüne Landesregierung zu schlagen und zusammen mit der FDP die Landesregierung zu stellen.

Nur fünf Monate nach dem Sieg von SPD und Grünen bei der Bundestagswahl 1998 und nur drei Monate nach dem Antritt der Schröder-Fischer-Regierung hatte Koch der noch jungen Bundesregierung eine empfindliche Wahlschlappe beigebracht.

Konservative Reizfigur

Doch der Landtags-Wahlkampf 1999 begründete zugleich das konservative Rüpel-Image des Hessen. Mit einer Unterschriftensammlung gegen die von Rot-Grün geplante doppelte Staatsbürgerschaft und einer unterschwellig ausländerfeindlichen Kampagne hatte Koch seine Anhänger mobilisiert. Während der CDU-Spendenaffäre musste er zudem die Existenz schwarzer Kassen einräumen, die sein Landesverband in Luxemburg unterhalten hatte. Deren Rückfluss in die Wahlkampfkasse hatte Roland Koch als „Vermächtnisse jüdischer Emigranten“ deklariert. Koch sprach von "brutalstmöglicher Aufklärung" und löste dieses Versprechen nicht ein. Obwohl Koch die Öffentlichkeit mehrfach belogen hatte, konnte er sich im Amt halten und bei der Landtagswahl 2003 sogar die absolute Mehrheit gewinnen.

Die konservative Reizfigur hatte sich behauptet, stand auf dem Zenit seiner Macht in Hessen. Vor allem als Wirtschaftspolitiker hatte er sich über Hessen hinaus in der Union einen Namen gemacht. Anders als etwa sein Ministerpräsidentenkollege Jürgen Rüttgers aus Nordrhein-Westfalen hatte sich Koch in den letzten Jahren gegenüber Merkel politisch relativ loyal verhalten und ihre Position in der CDU gestärkt. In Hessen waren Koch und seine Landesregierung dann im Januar 2008 aber faktisch bereits abgewählt worden, die CDU verlor 12 Prozentpunkte, auch für eine schwarz-gelbe Mehrheit reichte es nicht. Vergeblich hatte Koch noch einmal auf sein erfolgreiches Rezept von 1999 gesetzt und im Wahlkampf gegen ausländische Intensivstraftäter polemisiert und ein härteres Jugendstrafrecht gefordert. Der Absturz der CDU war deshalb vor allem sein persönliche Absturz.

Doch Koch gelang ein Comeback. Der Sozialdemokratin Andrea Ypsilanti scheiterte mit dem Versuch, eine rot-grüne und von den Linken tolerierte Landesregierung zu bilden, Koch saß seine Niederlage aus. Er guckte genüsslich zu, wie sich die Sozialdemokarten völlig zerstritten. Bei vorgezogenen Neuwahlen im Januar 2009 konnte er sich dann mit Unterstützung der FDP noch einmal die Mehrheit sichern.

Bouffier als Nachfolger gehandelt

Doch seit den Ereignissen von 2008 und 2009 ist auch klar, dass Koch in der Landespolitik keine Perspektiven mehr hat, so stabil, wie Koch glaubt, ist die schwarz-gelbe Mehrheit in Hessen nicht. Wenn spätestens Ende 2013 und Anfang 2014 ein neuer Landtag gewählt wird, dann hätte Roland Koch kaum noch einmal damit rechnen können, wieder gewählt zu werden. Allen anderen Bündnissen, etwa einer Annährung der CDU an die Grünen steht Koch im Wege, jetzt hat sein Nachfolger Zeit sich einzuarbeiten. Vermutlich wird der bisherige Innenminister und Koch-Vertraute Volker Bouffier das Ministerpräsidentenamt übernehmen, am Abend will Koch dem Landesvorstand der Partei einen Personalvorschlag unterbreiten.

Doch natürlich wird nun in der Öffentlichkeit, in der Politik und unter Journalisten über andere Motive spekuliert, das weiß auch Roland Koch. Sein Schritt werde "unzählige Spekulationen auslösen und ich kann ihnen diese Spekulationen nicht austreiben". Vor allem in Berlin kocht jetzt die Gerüchteküche. Schließlich war dort in den letzten Wochen immer wieder darüber spekuliert worden, ob Koch Bundesfinanzminister werden und dem erkrankten Wolfgang Schäuble nachfolgen könne. Zuletzt hatte Koch dabei unter anderem gefordert, dass bei der jetzt anstehenden Politik der Haushaltskonsolidierung auch die Bildungspolitik kein Tabu sein dürfe. Doch Kanzlerin Merkel hatte, was ungewöhnlich ist, diesem Vorschlag deutlich widersprochen.

Zudem erweckt der Amtsinhaber Schäuble in diesen Tagen nicht den Eindruck, als würde er sein Amt zur Verfügung stellen. Im Umfeld der Kanzlerin hatte es zudem immer wieder geheißen, Angela Merkel neige nicht dazu, den starken und einflussreichen Hessen in ihr Kabinett zu holen. Möglich ist also auch, dass Koch sich deshalb aus der Politik zurückzieht, weil er die Hoffnung aufgegeben hat, noch einmal in die Bundespolitik wechseln zu können.

Koch geht, in Hessen mag seine Partei derzeit vergleichsweise gut aufgestellt sein, aber aus bundespolitischer Sicht hätte der Zeitpunkt kaum schlechter gewählt sein können. Die schwarz-gelbe Bundesregierung steckt in einer tiefen Krise und da lässt sich der Rückzug von Roland Koch auch als erste deutliche Absetzbewegung interpretieren.

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