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Terror

© dpa

ETA-Terror: Bomben im Urlaubsparadies

Tausende Touristen lagen am Strand des Küstenortes Palmanova in der friedlichen Mittagssonne. Um 13 Uhr 50 wurden sie plötzlich von einer gewaltigen Explosion aufgeschreckt. Sie sehen eine Rauchsäule aufsteigen. Mitten im Zentrum des Ortes, in dem zahlreiche Hotels und Appartementhäuser angesiedelt sind, hatte vermutlich die baskische Terror-Organisation Eta einen schweren Sprengsatz gezündet.

Bilder im Fernsehen und von Fotografen zeigen die Szenerie. Die qualmenden Reste des Streifenwagens, den die Terroristen in die Luft jagten, liegen noch auf der Straße. Ein verkohltes Stahlgerippe vor jenem Gebäude, in dem eine Polizeiwache und die Post untergebracht ist. Den beiden Polizisten, 27 und 28 Jahre alt, die der paramilitärischen Guardia Civil angehören, ist nicht mehr zu helfen. Sie wurden von der Bombe, die vermutlich unter dem Wagen deponiert war, sofort getötet. Die Körper wurden aus dem Fahrzeug, einem Nissan Patrol, herausgeschleudert.

Zeugen berichteten vom Tatort, dass es panikartige Szenen auf der Straße gab: Verletzte lagen auf dem Bürgersteig. Andere rannten schreiend weg und versuchten, in ihr Hotel zu flüchten. Trümmer liegen umher. Splitter jener Fensterscheiben, die in den nahen Gebäuden durch die Explosion zersprangen. Viele Urlauber betrachten aus sicherer Entfernung das Geschehen nach der Detonation.

Die Behörden können keine genauen Angaben über die Zahl der Verletzten machen. Sie können auch nicht sagen, ob und wie viele Urlauber verletzt sind und ob Deutsche unter ihnen sind. Zum Detonationszeitpunkt befanden sich hunderte Urlauber in der Nähe, sie kamen gerade vom Essen in den Straßenrestaurants zurück.

In Palmanova, rund 14 Kilometer von der Inselhauptstadt Palma entfernt, machen in dieser Woche zehntausende Europäer Urlaub. Der Ort gehört zur Gemeinde Calvia, die insgesamt 125 000 Gästebetten in Hotels und Appartementanlagen besitzt. Minuten später sperrt die Polizei das Gelände weiträumig ab, Ambulanzen rasen heran. Verletzte werden in eilends aufgebauten Feldlazaretten behandelt. Schäferhunde suchen in der Umgebung nach weiteren Sprengsätzen. Eine zweite Bombe konnte rechtzeitig gefunden und kontrolliert zur Sprengung gebracht werden. Polizisten mit schusssicheren Westen und Maschinenpistolen marschieren auf. Hubschrauber überfliegen den Ort.

Tausende Touristen dürfen am Donnerstagnachmittag weder ihre Hotels verlassen noch in ihre Unterkünfte zurückkehren. Sie müssen hinter der Polizeiabsperrung bleiben. Der Verkehr in dem Ort ist völlig zusammengebrochen. Die Telefonleitungen sind überlastet, weil alle versuchen, Angehörige und Freunde zu benachrichtigen. Rund um Palmanova werden Straßensperren errichtet. Die „Operation Käfig“ läuft Minuten nach dem Mordanschlag an. Die Polizei weiß, dass die Täter auf der Insel in der Falle sitzen. Der Ort wird komplett abgeriegelt. Sicherheitshalber werden auch der Flughafen in Palma und der Fährhafen am Nachmittag zunächst geschlossen. Keine Maus kann Mallorca verlassen.

Rund 300 Flüge mit 60 000 Passagieren sind betroffen. Ankommende Flugzeuge, die nicht mehr auf den Heimatflughäfen zurückgehalten werden konnten, wurden zunächst zu anderen Flughäfen auf den Nachbarinseln und auf dem Festland umgeleitet. Die vorübergehende Totalsperrung des Airports löste auch auf vielen anderen Flughäfen in Europa lange Verspätungen und große Unsicherheit bei hunderttausenden Reisenden aus. Obwohl der Donnerstag aus Sicht der deutschen Veranstalter nicht zu den verkehrsreichsten Tagen im Reiseverkehr gehört, waren Tausende von Passagieren betroffen. Probleme bereitete die Schließung vor allem auch der Fluggesellschaft Air Berlin: Sie hat in Palma ihr Drehkreuz mit zahlreichen Umsteigeverbindungen. Auch der Fährhafen und der Sporthafen wurden geschlossen. Viele Flugzeuge, die in Richtung Mallorca starten sollten, blieben in den Heimatländern zunächst am Boden. In Düsseldorf zum Beispiel mussten nach Angaben der Flugsicherung Passagiere die Maschinen wieder verlassen.

Vereinzelt klagten Touristen über schlechte Informationspolitik. „Wir erfahren nichts. Weder Polizei noch Fluggesellschaft geben irgendeinen Hinweis, wie es weitergehen könnte“, sagte ein Tourist aus Frankfurt am Donnerstag der dpa. „Unseren Anschlussflug werden wir wohl nicht mehr kriegen, wir wissen aber auch nicht, ob wir noch einmal übernachten müssen oder ob es vielleicht gleich weitergeht. Null Durchsagen, man lässt die Touristen allein“, sagte der Reisende. In der ersten Stunde nach Schließung des Flughafens sei die Stimmung jedoch nicht schlecht gewesen: „Die Leute versuchen sich zu arrangieren, unterhalten sich und gucken neugierig auf die ganzen Kamerateams, die zum Flughafen kommen. Wenn man die ungemütliche Lage und den ernsten Hintergrund bedenkt, ist die Stimmung eigentlich recht entspannt.“

Der Flughafen Son San Joan in Palma de Mallorca ist während der Feriensaison einer der Airports mit dem höchsten Passagieraufkommen in Europa. Nach Angaben der spanischen Flughafengesellschaft AENA hätten dort allein am Donnerstag insgesamt 660 Flugzeuge mit 86 900 Passagieren starten und landen sollen. Air Berlin nimmt auf dem Flughafen von Palma die unbestrittene Spitzenposition ein: Die Fluggesellschaft transportierte 2008 insgesamt 6,4 Millionen Fluggäste von und nach Mallorca. mit du-/dpa/AFP 

Ralph Schulze[Madrid]

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