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Null tolerant. Didier Deschamps hat in Frankreichs Kader aufgeräumt.

© AFP

Vater Courage und seine Kinder: Deschamps krempelt Frankreich um

Dank der harten Hand und neuen Impulsen von Didier Deschamps scheint die Courage langsam ins Nationalteam zurückzukehren: "Die Spieler dürfen sich keine Aussetzer mehr erlauben", sagt Frankreichs Nationaltrainer.

Didier Deschamps kam gleich zur Sache. „Heute keine Vorstellung, Philippe?“, fragte er noch schnell seinen Pressesprecher, dann begann Frankreichs Fußball-Nationaltrainer schon mit dem Verlesen des Kaders für das Freundschaftsspiel gegen Deutschland in Paris. Von hinten nach vorne, die Torhüter zuerst, wie das so üblich ist in diesem Metier: Landreau, Lloris, Mandanda, nach jedem Namen machte der Weltmeister von 1998 eine kurze Pause und sah nach oben, als wolle er wirklich keine einzige der Journalisten-Reaktionen verpassen.

Neben kleineren Überraschungen und üblichen Verdächtigen, zu denen natürlich wieder Bayern Münchens Franck Ribéry zählt, war mindestens ebenso relevant, welche Namen in Deschamps’ Aufzählung fehlten. Zum Beispiel der von Samir Nasri. Der Kreativspieler von Manchester City wird auch einige Zeit nach Ablauf seiner Drei-Spiele-Sperre im letzten Jahr von Deschamps geschnitten. Oder der von Yann M’Vila, der 22-Jährige war bei der EM noch im defensiven Mittelfeld gesetzt. Er wurde im November vom Verband bis 30. Juni 2014 und somit inklusive der WM in Brasilien suspendiert. M’Vila war von Deschamps zur U 21 versetzt worden, um dort „Verantwortung zu lernen“, hatte sich dann aber ungeschickterweise mit vier Teamkollegen nachts in einen Club abgesetzt.

Null Toleranz, so heißt das neue Motto. Deschamps hat aufgeräumt in Frankreichs Kader seit seinem Amtsantritt im vergangenen Sommer. Nach der EM hatte er seinen alten Spezi Laurent Blanc beerbt. „Die Spieler haben keinen Raum mehr für Fehler, sie dürfen sich keine Aussetzer mehr erlauben“, sagte der immer noch kantige ehemalige Defensivspieler bei seiner Vorstellung. Französischer Nationalspieler zu sein, das sei eine besondere Ehre. Man habe sich als solcher dementsprechend „vorbildlich zu benehmen“, egal ob im Trikot oder in der Freizeit, betonte Deschamps.

Vorgaben, die unzeitgemäß erscheinen mögen, aber auch zeigen, wie sehr der Ruf des einst so umjubelten Nationalteams gelitten hat. Nach dem Desaster bei der WM 2010, als es zur offenen Meuterei gegen Raymond Domenech gekommen war, hatte auch Blanc die Disziplinlosigkeiten nicht ganz eindämmen können. Die EM 2012 verlief unterm Strich nur wenig besser. Ein Sieg aus vier Spielen, überdies beschimpfte Nasri in der Mixed Zone einen Journalisten aufs Übelste, und „L’Équipe“ enthüllte noch während des Turniers Kabinenstreitereien. Der verweigerte Handschlag des ausgewechselten Hatem Ben Arfa war da fast noch eine Fußnote, wie die anderen Beteiligten spielt er keinerlei Rolle in Deschamps’ Plänen.

Die Franzosen scheinen sich tatsächlich wieder aufs Fußballspielen zu besinnen. In der WM-Qualifikation haben sie zuletzt den Spaniern in Madrid in letzter Minute ein 1:1 abgetrotzt und danach im Freundschaftsspiel Vize-Europameister Italien in Parma 2:1 besiegt. „Sie haben uns Probleme bereitet, wie jedem Team, aber wir haben sie durchgeschüttelt“, sagte Deschamps über den gefühlten Sieg gegen Spanien, den Olivier Giroud vom FC Arsenal perfekt machte.

Dank der harten Hand und der neuen Impulse von Deschamps scheint die Courage langsam zurückzukehren. Der Teamchef jedoch gibt sich höchstens verhalten optimistisch. „Die Dinge zu verstehen, ist das eine, sie umzusetzen, das andere“, sagte er kürzlich. Das Freundschaftsspiel im Stade de France gegen Deutschland ist auch nur die Probe für den Ernstfall. Am 26. März geht es an gleicher Stelle gegen Welt- und Europameister Spanien faktisch um den Gruppensieg. All den hübschen Ausrufezeichen kann dann wirklich Zählbares folgen.

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