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Abschreckung: Um kritische Stimmen mundtot zu machen, werden in repressiven Ländern wie China, Iran oder Ägypten Medienvertreter zu langjährigen oder lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

© picture alliance / dpa

350 Journalisten im Gefängnis: "Mundtot machen und die Kollegen einschüchtern"

Weltweit sitzen über 350 Journalisten in Haft. Deutschland sollte heftiger protestieren, fordert die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen.

„Die Kriminalisierung kritischer Journalisten hat unter der Führung von Präsident Sisi in Ägypten ein bisher ungekanntes Ausmaß erreicht.“ Christian Mihr, der Geschäftsführer der internationalen Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen, sagte dies anlässlich des Deutschland-Besuchs des ägyptischen Staatsoberhauptes Anfang Juni, doch die Festnahme des Al-Dschasira-Journalisten Ahmed von Mansur am Wochenende in Berlin unterstreicht die Einschätzung.

Der Verein Reporter ohne Grenzen (ROG) registriert seit 1985 Angriffe auf Journalisten. Mit welchen Mitteln Druck auf unliebsame Journalisten ausgeübt wird, verändert sich ständig. Im vergangenen Jahr gab es deutlich mehr Entführungen, während die Zahl der getöteten Journalisten von 87 im Jahr 2012 auf 66 2014 leicht gesunken ist, wie ROG in seinem Jahresbericht festgehalten hat.

Ein weit verbreitetes Repressionsmittel sind Haftstrafen. Ende 2014 saßen weltweit 356 Journalisten hinter Gittern. Die Zahl ist seit Jahren konstant hoch. Einige Länder haben sich besonders hervorgetan: In China waren Ende vergangenen Jahres 29 Medienvertreter inhaftiert, in Eritrea 28, in Iran 19 und in Ägypten 16. „Die Gefängnisstrafen dienen dazu, kritische Journalisten mundtot zu machen und deren Kollegen einzuschüchtern“, sagt Mihr. Eine Strategie, die nur teilweise aufgeht. Auf lange Sicht werden die kritischen Stimmen wieder lauter, sagt Mihr, besonders dann, wenn genügend öffentlicher Druck gegen die Inhaftierungen aufgebaut wird.

Merkel übt mehr oder minder laut Kritik - allerdings nicht bei Sisi

Deutschland könnte dabei seine Kritik an Verletzungen der Pressefreiheit durchaus „etwas deutlicher und offener“ formulieren, auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel das hin und wieder schon mache, wie Mihr sagt – vom Sisi-Besuch einmal abgesehen. Welchen geringen Wert die Pressefreiheit in Ägypten hat, zeigte das Regime im April, als es erneut drei Journalisten zu lebenslangen Haftstrafen verurteilte. Ihnen wurde Verbreitung von Chaos und Falschinformationen vorgeworfen. Zudem sollen sie eine Kommandozentrale gebildet haben, die manipulierte Bilder von Menschenrechtsverletzungen und Gewalt von Sicherheitskräften an Demonstranten gesammelt und im Ausland verbreitet habe, urteilte das Gericht in Kairo.

Es muss nicht einmal Kritik an der großen Politik sein, um in repressiven Systemen wie Iran inhaftiert zu werden. In dem streng religiös ausgerichteten Land reicht es aus, sich für die Rechte der Frauen einzusetzen. In einem Cartoon hatte die iranische Karikaturistin Atena Farghadani die Familienpolitik des Irans kritisiert und wurde deswegen zu zwölfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Der Gesundheitszustand der 28-Jährigen hat sich nach Berichten von Menschenrechtlern in Haft drastisch verschlechtert. Sie soll im Gefängnis einen Herzinfarkt erlitten haben.

Besonders barbarisch wirkt auch die Strafe gegen den saudischen Blogger Raif Badawi. Zusätzlich zu den zehn Jahren Gefängnis wurde er zu 1000 Stockhieben verurteilt. Gerade erst hat der oberste Gerichtshof Saudi-Arabiens die Verurteilung als letztinstanzliche Entscheidung „unwiderruflich“ bestätigt. Nach dem Amtsantritt des neuen Königs Salman war mit einer Begnadigung des 31-Jährigen gerechnet worden.

In vielen westlichen Ländern herrsche häufig „die fatale Haltung, dass es besser sei zu schweigen und hinter verschlossenen Türen“ zu intervenieren, beklagt Mihr. Bei Reporter ohne Grenzen meint man hingegen: „Öffentlichkeit hilft“. Bei Mansur hat dies offenbar geholfen. Er kommt frei.

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