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Auslandsberichte: Krisen, Kriege, Krankheiten, Katastrophen

China in den deutschen Medien - eine Auswertung der Heinrich-Böll-Stiftung

Allzu viele Institute der kritischen Beschäftigung mit dem eigenen Tun haben sich die deutschen Medien nicht geschaffen. Insofern ist es ein Gewinn, dass manchmal andere diese Arbeit für sie erledigen. Wissenschaftler der Universitäten Erfurt und Duisburg-Essen haben das am Beispiel der deutschen Chinaberichterstattung getan. 8766 Artikel und Fernsehberichte wurden im Auftrag der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung dafür ausgewertet – aus einem einzigen Jahr, dem Olympiajahr 2008. China stand seinerzeit nicht nur wegen der Spiele im Fokus, auch andere Ereignisse bescherten dem Land eine – meist schlechte – internationale Presse, vom Schneechaos zu Jahresbeginn über die Unruhen in Tibet und ihre Niederschlagung bis schließlich im Herbst zum Skandal um die Vergiftung chinesischer Babys durch melaminverseuchte Milch. Die deutsche Aufregung um die angeblich regimefromme Journalistin der Deutschen Welle Zhang Danhong kam hinzu.

Das Fazit der Forscher ist gemischt: Für eine Medienverschwörung gegen China, die 2008 im offiziellen Peking, aber auch in Chinas Bloggerszene vermutet wurde, biete die Auswertung des Materials keine Belege. Auch die Themenbreite der deutschen Berichte sei recht groß. Der Verbesserungsbedarf sei es aber auch. Soziales, Bildung, Wissenschaft – alles praktisch unbeleuchtet. Die „Kernagenda“, sagte Richter bei Vorstellung der Studie, bestimmten weiterhin die vier großen „K“ – Krisen, Kriege, Krankheiten, Katastrophen. Die Berichte über Chinas Afrikapolitik verrieten zudem oft eine eurozentrische Weltsicht und den Blick des Konkurrenten Europa, der dort mit China um Einfluss konkurriert. Auch orientalistische Klischees, die den Nahen wie den Fernen Osten zum absolut Fremden und sich darüber selbst bestätigt, würden gelegentlich die freie Sicht der Korrespondenten und Redaktionen trüben. Dagegen kann Einordnung helfen: Die Schlagzeile „Die Räuber der Globalisierung“, die Thomas Heberer, Professor für Politik Ostasiens, in seiner Lokalzeitung fand und die Chinas Produktpiraterie anprangerte, relativiere sich, wenn man wisse, dass die USA die größeren Produktpiraten seien.

Den deutschen Journalisten in China und denen in den Redaktionen empfahl Heberer mehr „Selbstkritik und Selbstreflexion“ ihrer „europäischen Belehrungskultur“. Sie sollten, wie von Habermas formuliert, „die Grammatik der Lebensform“ des anderen Landes lernen.

Dass für viel Schiefes im Chinabild Chinas Zensur verantwortlich ist, thematisiert die Studie ebenfalls, versehen mit dem treuherzigen Appell, hier sei „auch die chinesische Seite gefordert“, dem „in großem Umfang vorhandenen Interesse deutscher Journalisten an China auch entsprechenden Raum zu geben“. Dass hier die Interessen auseinandergehen dürften, verdeutlichte Sven Hansen, Asien-Redakteur der „taz“, mit der jüngsten Nachricht der Kollegin in Peking. Selbst ihr Antrag für eine regierungsamtlich organisierte und natürlich überwachte Tibetreise wurde abgelehnt. Kein Einzelfall, sagte Hansen: „Sie kommt seit Jahren nicht rein.“ Andrea Dernbach

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