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Berliner Journalistenschule: Talentschuppen in Turbulenzen

Die Berliner Journalistenschule hat finanzielle Probleme, die evangelische Einrichtung verliert Mentoren. Die BJS ist nicht die einzige Journalistenschule, die in Schwierigkeiten steckt.

Mehr als 1600 Bewerbungen stapeln sich auf dem Schreibtisch von Manfred Volkmar. Mehr als 1600 Mal die Hoffnung, einen der begehrten Plätze zur Ausbildung als Redakteur an der Berliner Journalistenschule (BJS) zu ergattern. Die Chance ist gering, nur 16 Plätze werden hier jedes Jahr vergeben – doch 2009 gehen womöglich alle Bewerber leer aus. Die BJS steht vor erheblichen finanziellen Problemen: 140.000 Euro drohen auf der Einnahmeseite verloren zu gehen. Damit fehlt das Budget, um die nächste Lehrredaktion im April planmäßig starten zu können. Spätestens bis Donnerstag, wenn der Trägerverein der Schule den Wirtschaftsplan fürs kommende Jahr feststellen will, muss die BJS einen Rettungsplan finden.

Die BJS ist jedoch nicht die einzige Journalistenschule in der Hauptstadt, die in Turbulenzen steckt. Die Evangelische Journalistenschule, die zum Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) gehört, richtet sich 2009 neu aus – und stößt damit bei vielen ihrer Mentoren, die die Schüler während der Ausbildung persönlich betreuen, auf Protest. So soll an der Schule eine „protestantische Elite“ ausgebildet werden, die Schule „stärker als bislang mit den überregionalen und landeskirchlichen Medien der evangelischen Publizistik“ zusammenarbeiten, namentlich mit dem Nachrichtendienst epd, „Chrismon“ und Bibel.tv, heißt es in einem GEP-Bericht. Fünf Mentoren der Schule traten deshalb kürzlich zurück, darunter Vera Gaserow, Parlamentskorrespondentin der „Frankfurter Rundschau“, Autorin Charlotte Wiedemann und Tagesspiegel-Kulturchefin Christiane Peitz. Sie wollen keine „Bekenntnis-Schule“ unterstützen, die mit ihrer Ausbildung eindimensional auf kirchliche Medien ziele und mit einer hoch qualifizierten Journalistenausbildung nicht in Einklang zu bringen sei.

Schon im Oktober hatten Mentoren einen Offenen Brief unter anderem an Bischof Wolfgang Huber verfasst, weil sie nach der Absetzung des amtierenden Schulleiters Klaus Möllering befürchteten, dass keine neue Vollzeitstelle geschaffen wird und die Qualität der Ausbildung gefährdet ist. Jetzt wird zwar ein Nachfolger in Vollzeit gesucht, doch ob dieser weiterhin einen Studienleiter an seiner Seite haben wird, ist nicht sicher. Dafür gibt es die neue Stelle des Publizistischen Vorstandes, die epd-Chefredakteur Thomas Schiller übernimmt. Den Vorwurf der „Bekenntnis-Schule“ weist GEP-Direktor Jörg Bollmann zwar zurück, doch die Schule dürfte durch Schiller künftig noch enger ans GEP gebunden sein. Im Januar startet die neue Klasse mit 15 Schülern, die Finanzierung der Schule ist gesichert: 1,5 Millionen Euro sollen in den nächsten fünf Jahren in die Schulkasse fließen.

Auch die BJS war fünf Jahre gefördert worden – von der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, teilweise ergänzt durch Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds. 2008 waren es 140 000 Euro.

Dass die Förderung jetzt auslaufen wird, war abzusehen. Schulleiter Manfred Volkmar hoffte, dass Geld aus einem anderen Senatstopf, beispielsweise dem für Kultur, fließen würde. Doch der Senatshaushalt fürs kommende Jahr ist längst festgestellt, die Gelder längst für andere Projekte verplant. Die zweite Hauptfinanzierungsquelle versiegte schon früher. Regelmäßig hatte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) Berlin, der die Schule 1989 nach dem Vorbild der Deutschen Journalistenschule München gründete, seine Einnahmen aus der Lotterie „Tag der offenen Tür“ und dem Berliner Presseball nahezu vollständig an die BJS gespendet. In den ersten Jahren finanzierte der Verein die Schule sogar komplett. Doch 2007 musste der DJV Berlin selbst Insolvenz anmelden und seine gemeinnützigen Aktionen aufgeben.

Als einzige Einnahmequelle bleibt der BJS damit der hauseigene Seminarbetrieb, der neben der Schulausbildung läuft. Etwa 1000 Journalisten besuchen hier rund 100 Fort- und Weiterbildungskurse pro Jahr, zirka 237 000 Euro nahm die Schule dadurch 2008 ein. „Doch dieses Geld allein reicht nicht, um die Ausbildung in der Lehrredaktion im kommenden Jahr aufrechterhalten zu können“, sagt Volkmar. Er bat Unternehmen wie Bayer Schering Pharma, Deutsche Post World Net oder die Dussmann AG um Unterstützung, nach eigenen Aussagen vergeblich. Auch seine Nachfragen bei großen Medienunternehmen seien erfolglos geblieben. Nicht nur aufgrund der aktuellen Krise, sondern auch, weil diese ihre eigene Aus- und Fortbildung betreiben.

Fast alle Printhäuser bieten regelmäßig Volontariate an, der zweite Ausbildungsweg zum Redakteur neben der Journalistenschule. Einige Verlage betreiben auch eigene Journalistenschulen und rekrutieren hier ihren Nachwuchs: Der Axel Springer Verlag hat mit der Axel Springer Akademie ebenso eine Journalistenschule eng an sich gebunden, wie der Hamburger Verlag Gruner + Jahr mit der Henri-Nannen-Schule. Auch die Verlagsgruppe Handelsblatt, die wie der Tagesspiegel zur Verlagsgruppe von Holtzbrinck gehört, bildet an der Georg-von-Holtzbrinck Schule Journalisten aus. Finanziert werden diese Schulen teilweise vollständig durch die Verlagshäuser – und diese wollen trotz der Wirtschaftskrise nicht an der Ausbildung des Nachwuchses sparen.

„Gerade jetzt, wo sich die Medienlandschaft ändert und Journalisten oft mehrere Medien bedienen müssen, beispielsweise Print und Online, ist eine fundierte Ausbildung unverzichtbar. Das wissen die Verlage“, sagt Klaus Methfessel, Leiter der Holtzbrinck-Schule.

Jan-Eric Peters, Leiter der Springer Akademie, verweist auf wertvollen Austausch zwischen Schülern und Redakteuren: „Die Redaktionen profitieren von dem Elan, den frischen Ideen und dem Know-How der Schüler, gerade im Bereich der neuen Medien.“ Wie auch die Nannen-Schule und die Deutsche Journalistenschule in München (DJS) bildet die Akademie crossmedial aus, also in den Bereichen Print, Online, Hörfunk und Fernsehen.

Die DJS zeigt dabei, dass für eine so umfangreiche Ausbildung nicht unbedingt ein großer Verlag im Rücken notwendig ist. Die Schule finanziert sich über einen Trägerverein mit mehr als 50 Mitgliedern, darunter Fernsehsender, Verlage, Unternehmen und Verbände. „Der Kampf um finanzielle Unterstützung ist nicht einfach, aber die Unabhängigkeit ist viel wert, denn wir können unsere Schüler ohne Rücksicht auf Verlags- und Geschäftsinteressen ausbilden“, sagt DJS-Leiter Ulrich Brenner. Sich einen solchen Trägerkreis aus Geldgebern aufzubauen, hat die BJS bisher nicht nötig gehabt. Nun könnte es zu spät sein.

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