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© Promo

Blogs: Jeder kann Modekritiker werden

Zwischen Kollektion und Kundin: Warum Les Mads der erfolgreichste Fashion-Blog in Deutschland ist.

Neulich war Julia Knolle in Indien, zwei Wochen „Silent Retreat“ in einem ayurvedischen Hotel ohne Fernseher, Telefon und Internet. Keine leichte Zeit für jemanden, der nachts mit dem Laptop ins Bett geht und morgens als erstes das Touch-Pad bedient, um den Mac aus dem Schlafmodus zurückzuholen. „Am Anfang hatte ich Entzugserscheinungen“, sagt Knolle, „aber die Entschleunigung hat gut getan.“ Kein Wunder, so rasant wie die vergangenen drei Jahre für die 27-Jährige verliefen.

Seit 2007 betreibt sie zusammen mit Jessica Weiß, 24, den wohl bekanntesten Modeblog in Deutschland: LesMads.de. Gerade haben sie bei den als Oscars der Zeitschriftenbranche geltenden „Lead Awards“  die Goldmedaille für den „Weblog des Jahres“ gewonnen – vor dem ebenfalls nominierten Blog von „Bild“-Chef Kai Diekmann, dem Bildblog und der Seite Netzpolitik.org. Les Mads gelinge das, was Frauenzeitschriften oft nicht schaffen würden, sagte „Lead Academy“-Vorsitzender Markus Peichl, „eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Mode, dabei stilsicher, lässig, frech, einfach auf den Punkt.“

Dabei sind Julia Knolle und Weiß weder ausgebildete Journalistinnen noch Modeexpertinnen – aber gerade das macht einen Gutteil ihres Erfolgs aus. Anstatt von oben herab, urteilen sie aus Sicht der Leserinnen über aktuelle Kollektionen und aufkommende Trends, in sieben Rubriken: Models, Mode, Shopping, Designer, Outfits, Lifestyle und Fotografie. Jeden Tag schreiben sie sechs bis zehn Blogeinträge. Dafür durchforsten sie etwa 400 Blogs sowie zahlreiche deutsche und internationale Modemagazine. Sie suchen in Läden, auf Partys oder Vernissagen nach spannenden Outfits, stellen Models, Designer und Kampagnen vor, geben Shoppingtipps und Restaurantempfehlungen und berichten über Klatsch und Tratsch aus der Modeszene. 500 000 Visits und 1,7 Millionen Page Impressions erreichen sie damit nach eigenen Angaben pro Monat.

Knapp eine Woche nach den „Lead Awards“ sitzt Julia Knolle in ihrem Büro an der Friedrichstraße in Berlin-Mitte und strahlt übers ganze Gesicht. Dass sie mit ihrem Blog so schnell so erfolgreich werden würden, hatten die beiden Bloggerinnen nicht vermutet, als sie sich 2007 zusammentaten. Knolle hatte über das soziale Netzwerk StudiVZ jemanden gesucht, der mit ihr einen Blog aufzieht. Ziel war es, die oft abgehobene Mode von unten aufzumischen. Knolle studierte BWL in Köln und trug den typischen „Perlen-Paula“-Look: Polohemden in rosa und hellblau, enge Jeans, Seglerschuhe. Jessica Weiß, ausgebildet als Kommunikationswirtin, war mit ihrer Vorliebe für Vintage die perfekte Ergänzung. Ursprünglich suchten sie als Dritte noch eine „Surfer-Braut“. Die fanden sie nicht, kamen dafür aber selbst unter die Haube, beim Burda-Verlag („Bunte“, „Elle“) – einer der wesentlichen Gründe für den Erfolg von Les Mads. Denn während viele ihrer Kolleginnen ihre Modeblogs nur als Hobby betreiben können, werden Knolle und Weiß von Burda als Redakteurinnen beschäftig. Der Blog ist ihr Job. Zudem öffnet der Name des großen Verlags Türen. Heiko Hebig, Online-Koordinator des Burda-Verlags, hatte Knolle und Weiß nach einer Testphase im August 2007 engagiert. Vorher musste aus rechtlichen Gründen nur noch der ursprüngliche Name des Blogs geändert werden: Aus Feinsinn wurde Les Mads, was für die Abkürzung des französischen Worts „Les Mademoiselles“ steht.

Damenhaft wirken die beiden Bloggerinnen aber nicht. Die Perlenohrringe hat Julia Knolle längst abgelegt. An diesem Tag trägt sie Jeans, T-Shirt, ein blau-weißgestreiftes Hemd, graue Strickjacke und Turnschuhe. Das sieht lässig aus, ist aber wohl weniger für die beliebte Rubrik „Tagesoutfit“ geeignet. Dafür fotografieren sich Knolle und Weiß in ihrem jeweiligen Outfit und fragen Leserinnen nach ihrer Meinung, so, wie eine Freundin die andere Freundin um Rat bittet. Deshalb sei es auch so wichtig, dass die Seite ständig aktualisiert werde. „Wenn wir drei Tage nichts posten würde, wäre das für unsere Leserinnen so, als könnten sie drei Tage ihre beste Freundin nicht erreichen“, sagt Knolle. Alle Blogeinträge können kommentiert werden. „Die Leserinnen schätzen diesen sehr persönlichen Austausch. Dadurch bieten wir auch mehr Identifikationspotenzial als die Modemagazine.“ Trotzdem ist Knolle überzeugt, dass Zeitschriften und Blogs nebeneinander bestehen können. „Die Modemagazine sind eher glossy und sophisticated, liefern das dauerhaft Schöne“, sagt sie. Modeblogs seien dagegen „schneller und frecher“.

Suzy Menkes von der „International Herald Tribune“, die neben US-„Vogue“-Chefin Anna Wintour als einflussreichste Kritikerin der Modeszene gilt, sieht mit Blogs wie Les Mads eine „dramatische Veränderung“ in der Modebranche einhergehen. Noch während die Kollektionen präsentiert werden, stehen die ersten Bilder im Netz und werden in den Blogs diskutiert. Jeder könne deshalb heute Modekritiker sein, sagt Menkes. Und die Blogs boomen. „Einerseits, weil Mode ein absolutes Ego-Ding ist, denn sie dient alleine dazu, die eigene Persönlichkeit zu unterstreichen und sich gesellschaftlich zu positionieren“, sagt Knolle. Andererseits, weil Mode so einfach zugänglich sei, denn jeder könne beispielsweise über eine Jeans sagen, ob sie ihm gefalle oder nicht.

Zurzeit arbeiten die beiden Bloggerinnen daran, das Netzwerk von Les Mads und damit auch die Reichweite zu vergrößern. Aus Paris bloggt beispielsweise Jessica Weiß’ Schwester Natalie über die Modeszene, weitere Projekte sind in Arbeit. Erst mal ist nun Jessica Weiß im Urlaub: Entschleunigung, in den Bergen. Aber selbst auf der Skihütte dürfte für sie noch ein Trend zu finden sein.

www.lesmads.de

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