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Die Al-Dschasira-Korrespondentin Melissa Chan muss China verlassen. Der Sender hat sein Büro in Peking geschlossen. Foto: dpa

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China verweist Korrespondentin: Methode: Einschüchtern

Erstmals seit 14 Jahren verweist China wieder eine ausländische Journalistin des Landes. Die Recherchen der Al-Daschsira-Journalisten haben der Parteiführung offensichtlich nicht gepasst.

Es war ein Stück guter Journalismus, das der englischsprachige Kanal des arabischen Fernsehsenders Al Dschasira Ende vergangenen Jahres bot. Einem Fernsehteam des Senders war es gelungen, in eines jener in China berüchtigten „schwarzen Gefängnisse“ einzudringen, in denen Menschen ohne legale Grundlage willkürlich von den Behörden festgehalten werden. Die Wachen waren derart überrumpelt von der Fernsehkamera und den verzweifelten Angehörigen der illegal Inhaftierten, dass sie keinen Widerstand gegen das Eindringen leisteten. Erst eintreffende Polizisten beendeten die Dreharbeiten. Die erfahrenen Pekinger Korrespondentin Melissa Chan moderierte dieses Stück – und das hat ihr nun die Ausweisung aus China beschert.

Die Al-Dschasira-Korrespondentin mit US-amerikanischem Pass ist die erste Journalistin seit 14 Jahren, die aus China ausgewiesen wird. Das chinesische Außenministerium bestätigte am Dienstagnachmittag die Entscheidung. „China hat sich mit diesem Problem in Übereinstimmung mit seinen Gesetzen und Regeln befasst“, sagte der Sprecher des Außenministeriums Hong Lei, „das betroffene Medium weiß im Grunde selber, was es falsch gemacht hat.“ Nach einer Erklärung des Pekinger Vereins der Auslandskorrespondenten (FCCC) ist diese Ausweisung nur der Tiefpunkt einer bereits seit mehr als einem Jahr anhaltenden Einschüchterungskampagne gegenüber ausländischen Korrespondenten. „Es ist der extremste Fall in dem jüngsten Muster, Journalistenvisa zu benutzen, um ausländische Korrespondenten in China zu zensieren und einzuschüchtern“, schreibt der FCCC auf seiner Homepage.

In der vergangenen Woche ließen sich die Einschüchterungsmethoden auch rund um das Chaoyang-Krankenhaus in Peking beobachten. Dort hält sich seit Mittwoch der blinde Bürgerrechtler Chen Guangcheng auf, der sich zuvor in die US-Botschaft geflüchtet hatte. Seitdem haben sich vor den Eingängen des Krankenhauses zahlreiche Journalisten versammelt. Einigen von ihnen ist von Sicherheitskräften die Pressekarte abgenommen worden, als sie versucht hatten, in der Tiefgarage mit eintreffenden US-Diplomaten zu sprechen. Anschließend sind sie nach Auskunft des FCCC in das Büro für Öffentliche Sicherheit zitiert worden, wo ihnen mit dem Entzug des Visums gedroht wurde, falls sie noch einmal gegen chinesische Gesetze verstießen. Ähnliche Maßnahmen gegen Journalisten hatte es vor Jahresfrist während der wenigen Internetaufrufe zu „Jasmin“-Protesten in China ebenfalls gegeben.

In letzter Zeit hat China die Visumvergabe vermehrt als Kritik und Druckmittel gegen Auslandskorrespondenten benutzt. In sechs Fällen soll laut FCCC das Außenministerium erklärt haben, dass die Visa verweigert oder in der Warteschleife sind aufgrund der Inhalte der vorhergehenden Chinaberichterstattung des Mediums. Spiegel Online wartet nach dpa-Informationen seit mehr als einem Jahr auf eine Akkreditierung für Peking.

Der neue Chinakorrespondent des Tagesspiegels erhielt sein Visum nach zweieinhalb Monaten Wartezeit und musste bei der ersten Verlängerung in Peking kleinere Schikanen erdulden.

Zudem erhielt er die Warnung, in den Einkaufsstraßen Wangfujing und Xidan sowie auf dem Tiananmen-Platz nur dann zu arbeiten, wenn er sich zuvor eine polizeiliche Genehmigung geholt hat. Das widerspricht den neuen Regeln, die seit den Olympischen Spielen für Auslandskorrespondenten in China gelten. Doch ihre Arbeitsbedingungen sind seitdem wieder schwieriger geworden. Die jüngste Ausweisung dürfte auch die große Nervosität ausdrücken, die Chinas Behörden vor dem Machtwechsel in der Kommunistischen Partei im Herbst 2012 ergriffen hat. Benedikt Voigt, Peking

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