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Medien: Das Ebay-Virus

ARD-Reportage zeigt die Menschen, die das Internet-Auktionshaus am Laufen halten

Als Gerhard Mander mit seiner Familie nach Föhr zog, hatte dies nichts mit Stadtflucht zu tun. Seine Kinder leiden unter einer chronischen Atemwegserkrankung, die Seeluft tut ihnen gut. Doch Arbeit gab es für Mander nicht auf der Insel. Wenn mir niemand einen Job gibt, dann nehme ich mir eben einen, sagte sich Mander und verkauft nun unter dem Nickname „takejob“ auf Ebay. Sein Ziel: sich über die Internet-Handelsplattform eine neue Existenz zu schaffen, die seine Familie ernährt. Doch noch ist der Weg zum begehrten Titel „Powerseller“ weit.

„Ebay: Der Traum vom Glück im Netz“, so lautet der Titel der Gesellschaftsreportage des SWR, für die Autor Andreas Christoph Schmidt Mitte letzten Jahres quer durch Deutschland gereist ist. 15 Millionen Deutsche tummelten sich damals auf Ebay.de, inzwischen sind es fast 17 Millionen. Ich will nichts kaufen, nur mal gucken, so fängt es bei den meisten an, bevor sie das Ebay-Virus nicht mehr loslässt. Immerhin 22000 Haushalte versuchen sogar davon zu leben, durch An- und Verkauf von Neuem und Gebrauchtem, von Restposten und Kuriosa.

Die Faszination von Ebay, wo die Geschäfte niemals geschlossen haben, wo (beinahe) alles zu kaufen und verkaufen ist, wo sich alles im letzten Augenblick entscheiden kann, wo unter fast jeder positiven Verkäuferbewertung die Floskel „Gerne wieder“ steht – das alles muss man eigentlich nicht mehr beschreiben und darauf wird in der Reportage auch weitgehend verzichtet.

Wichtiger sind Schmidt die Menschen hinter Ebay: Die Category-Manager in der Deutschlandzentrale in Dreilinden bei Potsdam beispielsweise, die die virtuellen Regale im großen Ebay-Geschäft aufstellen. Alles junge Leute, alle zufrieden mit ihrem Job – und die man dennoch nicht nach allem fragen darf. Interessant wäre auch das Sicherheitsteam gewesen, also jene Ebay-Leute, die dafür sorgen, dass sich keine Nazi-Devotionalien oder getragene Damenunterwäsche unter die Angebote mischen, doch die durften nicht gefilmt werden.

So blieb die Kritik, zu der Schmidt das eine oder andere Mal ansetzt, auch eher in den Untertönen hängen, wenn selbst „die Laus im Pelz“, Ebay-Kritiker Axel Grohn vom Internet-Portal wortfilter.de, am Ende nur sagen kann: „Ebay ist ein Abbild der anderen Gesellschaft, hier gibt es nicht mehr und nicht weniger Betrug als offline.“ Denn dass bei Ebay vor allem die Aktionäre reich werden, vor allem die Post und die Kurierdienste von geschätzten 400000 Warenlieferungen täglich profitieren, die meisten der kleinen Ebay-Verkäufer jedoch eher dem Wunschtraum vom Glück im Netz nachjagen, das hat sich inzwischen längst herumgesprochen.

Doch warum sollte man überhaupt allzu kritisch mit Ebay umgehen, wo die Plattform doch offensichtlich eher in der Lage ist, neue, erfüllende Jobs zu schaffen als so manche Regierungsinitiative? Wie es Schmidt am Beispiel von Andrea Lehwald aus Bottrop zeigt, einer ehemaligen Krankenschwester, die feststellte, dass eine Modeboutique zwar schön, ein Modeshop im Internet bei Ebay aber viel schöner ist, weil dort nicht nur einige wenige, sondern Tausende von Kunden kommen. Und wo doch wirklich fast alles zu verkaufen ist, auch ein Interview für die SWR-Sendung. Für das dann 401,04 Euro gezahlt werden, und zwar von einem „Platin-Powerseller“, der pro Jahr zwei Millionen Euro „On Ebay“ umsetzt, wie der Titel eines Songs lautet, den Schmidt bei jeder seiner vielen Autobahnfahrten zu den Ebay-Händlern in allen Teilen der Republik spielt.

Am Ende des Films, so viel steht fest, summt man unwillkürlich mit: „On Ebay, on Ebay“.

„Ebay: Der Traum vom Glück im Netz“: Mittwoch, ARD, 23 Uhr 30

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