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Der Ball ist ECKIG: Leben in der Bude

Frauenfußball als Public Viewing: Wie die WM im Willy-Kressmann-Stadion in Kreuzberg ankommt.

Die schwarz-rot-goldene Vuvuzela ist kaputt, versehentlich draufgetreten, aber die hätte an dem Abend auch nichts geholfen. So ein Turnier muss man als Zuschauer beim Public Viewing miterleben, Deutschland gegen Nigeria, also ab ins Willy-Kressmann-Stadion in Kreuzberg. Hier spielen Frauenteams aus aller Welt ihre eigene kleine WM beim internationalen Frauenfreundschaftsturnier „Discover Football“. Jeder bekommt am Eingang ein pinkes Sitzkissen: Männer mit Pfeife, Frauenpärchen, Eckkneipennachbarn, fröstelnde Spielerinnen mit Flipflops aus Kamerun, Ruanda und Indien. Und dann dieser holperige Zittersieg, 1:0. Was die Fernsehmoderatoren von sich geben, Taktikfeinheiten, Spielerinnenspitznamen, sind für Fans wie Antje Schroeder aus London alte Hüte. „Eine Mannschaft, die sich sucht“, sagt Claus Lufen jetzt, und das ist leider für alle Zuschauer neu, dass die Deutschen so schlecht spielen.

Während der zweiten Halbzeit wird auch noch das Leinwandbild schwarz-weiß und der Ton ist kaum zu verstehen. „Zurück in die Fünfziger“, sagt eine Besucherin. Wenigstens brechen nicht die Wiederholungen mittendrin ab wie auf der Leinwand im Olympiastation beim Eröffnungsspiel. Dann endlich Jubel, als Simone Laudehr trifft. Liebe ARD, die Millionen Menschen da draußen brauchen jetzt Ratgebersendungen! Was tun, wenn es kein Sommermädchenmärchen geben sollte? Wie verkraften es Fans, trotz Rekordeinschaltquoten als Einzige mit einer Flagge am Auto durch die Stadt zu fahren? Bei den „Discover Football“-Spielerinnen aus aller Welt steht nach dem Abpfiff ein Treffen mit Kanzlerin Merkel auf dem Programm. Da baut mal die Kameras auf, da ist bestimmt mehr Leben in der Bude als auf dem Fußballplatz. Immerhin, 16,39 Millionen Zuschauer hatte dieses zweite Spiel der deutschen Mannschaft, so viel Publikum hatte Frauenfußball noch nie im deutschen Fernsehen. Annette Kögel

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