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Medien: Die herbeigeredete Euphorie

Neue Sender, alte Machart: der Bundesliga-Saisonauftakt im Fernsehen

Glück, Freude, Jubel – solche Wörter gehen Sportreportern nicht über die Lippen. Sie müssen „Euphorie“ sagen. Sechs Minuten dauerte es, bis Reinhold Beckmann so sprach, Steffen Simon schaffte es in seinem Bericht aus Schalke gleich im ersten Satz und der von RTL zur ARD gewechselte Tom Bartels verwendete es gleich doppelt, denn nach dem Sieg müsse sie jetzt in Nürnberg gebremst werden.

„Mit der Euphorie der WM zurück in der Liga – Die Party geht weiter“ – so lautete folgerichtig der Teaser für die „ARD- Sportschau“. Dieses Motto hätte aber genauso gut über allen Fußball-Sendungen zum Auftakt der neuen Bundesligasaison stehen können. Selbstverständlich ist damit kein journalistischer Auftrag formuliert, sondern ein werblicher. Festgehalten sei deswegen noch einmal, dass die öffentlich-rechtliche „Sportschau“ eine Produktion des WDR im Auftrag der ARD- Werbung ist. Man merkt es ihr an – schon allein, weil CMA und T-Com darauf verzichteten, zuvor bei der ersten, ab 15 Uhr auf Sat 1 auch frei empfangbaren „arena“- Konferenz Werbung zu schalten, so dass einem das ewige T-Com-Gebimmel erst ab 18 Uhr 10 auf den Nerv gehen konnte.

Obwohl angeblich mit der 44. Bundesliga-Saison auch televisionär alles neu ist, muss sich die weitgehend unveränderte „Sportschau“ nicht verstecken. Für die Bundesliga-Sponsoren ist sie auf lange Sicht der einzige Reichweitengarant. Bei nur sechs Spielen und 105 Minuten Sendezeit gibt es allerdings arg viel Leerlauf. Im Vergleich mit der Live-Regie von „arena“ haben die flott zusammengeschnittenen Spielberichte mit ihren Wechseln von Totalen und Nahaufnahmen, Zeitlupen und Randbeobachtungen inzwischen einen so hohen handwerklichen Standard, dass der Zuschauer sich solide informiert fühlen darf. GEZ als Pay-TV reicht aus. Von ihrem Quotenberg aus 4,45 Millionen Zuschauern kann die „Sportschau“ gelassen zusehen, wie die anderen im Tal um zahlende Kundschaft buhlen.

Ausdruck dieses Buhlens war auch das einmalige Zugeständnis, das neue Pay-TV „arena“ mit seiner Live-Konferenzschaltung auf Sat 1 zum freien Schnuppern auszustrahlen. Auch hier bildete die „WM-Euphorie“ für Allwetter-Moderator Oliver Welke ersten Fragestoff. Nachdem Studiogast Christoph Metzelder schüchtern etwas von „nicht 1:1 umsetzbar“ gemurmelt hatte, bestand die restliche halbe Stunde bis zum Anpfiff eigentlich nur noch aus Werbung.

Es ist kein Welträtsel mehr, wie man Live-Fußball einigermaßen anständig überträgt. Weil die Reporter heutzutage ohnehin Nomaden sind, die den Pfaden der Rechtehändler folgen, ist der Einschnitt mit „arena“ als neuem Sender auch nicht so gravierend wie damals, als Rupert Murdoch sich in den Kopf gesetzt hatte, den Frauensender tm3 unbedingt zum Champions-League-Kanal umzumodeln. Die Unruhe, die etwas oberflächliche Ereignis-Reihung, Ton-Probleme beim Umschalten und mangelndes Beobachten von Spielstrukturen sind eher dem Konferenz-Prinzip geschuldet als dem neuen Sender vorzuwerfen.

Fußball bietet Gesprächsstoff für Enkel und Opa, Jungs und Mädchen. Dafür hat das Fernsehen Zulieferer zu sein. In völliger Verkennung dessen hatte der jugendliche „arena“-Chef Dejan Jocic, den viele noch als Praktikant oder Geschäftsführer von ProSieben in Erinnerung haben, vorab getönt: „Wir wollen den Fußball feiern, nicht kaputt quatschen.“ „Nah am Fan“ hieß die Parole und zu befürchten war: gröhlen statt Diskurs. Zum Glück widerstanden die meist erfahrenen „arena“- Reporter gelassen dieser Drohung. Sie waren besser als von ihrem Arbeitgeber angekündigt. Nur Günther Koch schien unbedingt auf der Glatze Locken drehen zu wollen. Nie wurde der Spielername Cacao affektierter intoniert. Die Live-Regie ließ den gesunden Wechsel von Distanz und Nähe vermissen. Zwischen 16 Uhr 55 und 17 Uhr 05 allerdings hatte „arena“ großes Glück. Es ging Schlag auf Schlag und stets war man live dabei: 1:1 in Hamburg, Elfmeter in Mainz, Amanatidis gleicht gegen Schalke aus. Auch im mobilen Studio hatten sich die anwesenden Zuschauer zwar artig in Trikots gezwängt und klatschten willig auf Befehl, aber Oliver Welke blieb schön auf Distanz. Sat 1-Zuschauer bekamen die unergiebigen ad hoc-Interviews nach Spielschluss nicht mehr mit. Das muss sie nicht grämen. Erspart blieb ihnen auch die Schalte in eine Frankfurter Kneipe zum brabbelnden „Steppi“ Stepanovic. Ohne solche Fehlgriffe kann „arena“ so werden wie Premiere– ohne die ruhige Zuschauerführung durch Sebastian Hellmann und die besondere Güte Marcel Reifs.

Für das ZDF bestünde da am späten Abend weiterhin die Chance, eine Art „heute journal“ des Fußballs zu bieten. Das neue Studio ist hell und hübsch, Katrin Müller-Hohenstein moderiert gefällig, doch das „Sportstudio“ hat zu wenig informativen Mehrwert gegenüber der „Sportschau“. Spätestens für die zukünftige Ära des On-Demand-Fernsehens muss das ZDF mehr Eigenheiten ausprägen. Die Macher sollten Gary Lineker in der BBC gründlich studieren.

Mit dem Auftakt zur 44. Saison ist die Bundesliga im Alltag angekommen. Vielleicht wird der Fußball diesmal sogar besonders spannend. Eine TV-Revolution aber gibt es nicht – nur neue Mit-Spieler. Im Fernsehen ist es wie auf dem Platz: Ob sie ihr Geld wert sind, wird sich erst bei kontinuierlicher Leistung zeigen.

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