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Crysis

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'''Crysis'': Sonne, Strand und Aliens

Computerspiel-Fans aus aller Welt mussten eine halbe Ewigkeit warten, jetzt ist das Objekt ihrer Begierde endlich auf dem Markt: Der deutsche Exportschlager "Crysis", von der Fachpresse schon vorab zum "besten Action-Game aller Zeiten" geadelt, erfüllt die hohen Erwartungen.

"Grafische Wunderwelten, die eigentlich viel zu schade erscheinen, um sie nur im künstlichen Kugelhagel zu sehen", urteilte das heute-journal bereits 2006 über Crysis. Damals befand sich das Spiel noch mitten in der Entwicklung. Dass ein öffentlich-rechtlicher Fernsehsender einem Computerspiel drei wertvolle Nachrichten-Minuten widmete, hat einen besonderen Grund: Crysis stammt aus einer deutschen Software-Schmiede, der Firma Crytekmit Sitz in Frankfurt am Main. Die Firmengründer, das türkischstämmige Brüder-Trio Cevat, Avni und Faruk Yerli, hatten 2004 mit dem Ego-Shooter Far Cry einen ersten großen Verkaufsschlager gelandet. Statt in düsteren Katakomben spielte Far Cry auf einem malerischen Südsee-Archipel - und bestach mit einer für damalige Verhältnisse sensationellen Grafik.

Crysis, der offizielle Nachfolger, wurde mit einem weitaus größeren Budget - von 20 Millionen Euro ist die Rede - in einem Zeitraum von vier Jahren entwickelt. Ein ums andere Mal wurde der Verkaufsstart verschoben - Publisher Electronic Arts heizte den Hype mit einer breit angelegten Werbekampagne zusätzlich an. Trailer verrieten eine nie da gewesene Grafikpracht, Gerüchte über horrende Anforderungen an die Rechnerleistung machten die Runde und ließen die Fans genüsslich erschauern. Am 16. November 2007 war es dann soweit: Crysis kam in Europa und Nordamerika in den Handel. Würde es wirklich die Grenzen des Shooter-Genres neu definieren?

Paradies mit Schattenseiten

Crysis
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Zunächst einmal: Das ZDF und alle Fachmagazine haben recht. Was dem Spieler vom Bildschirm entgegenleuchtet, ist in der Tat eine grafische Wunderwelt. Auf diesen Inseln möchte man nicht nur schleichen und schießen, sondern am liebsten gleich Urlaub machen: Palmen wiegen sich im Wind, die Blätter der Büsche werfen zitternde Schatten auf den Waldboden, glasklares Wasser strömt durch malerische Bergbäche und schwappt an perlweiße Strände, Vögel und Schmetterlinge fliegen umher und Krebse eilen über den feinen Sand. Feuerrote Sonnenauf- und untergänge wechseln sich ab mit sternenklaren Nächten und blendend hellen Mittagsstunden. Majestätische Gebirgszüge, umrahmt von weißen Watte-Wolken, thronen über dem tiefgrünen Dschungel. Auf Schleichpfaden pirscht man durch das dichte Grün, während sich links und rechts die Äste zur Seite biegen und das Laub raschelt. Im hohen Gras kann man sich prima verstecken - was auch bitter nötig ist, denn wie jedes Paradies hat auch dieses seine Schattenseiten. Womit wir bei der Story wären.

Hier gibt es kleine Abstriche. Die Handlung von Crysis erinnert an einen mittelprächtigen Hollywood-Action-Reißer: Ein Team von US-Archäologen macht auf einer Inselgruppe im Philippinischen Meer eine unheimliche Entdeckung. Der Funkkontakt reißt ab, als die Nordkoreanische Volksarmee das Archipel besetzt. Ein kleiner Trupp amerikanischer Elitesoldaten soll nun die Geiseln befreien. Problem: Der nordkoreanische General Kyong will den geheimnisvollen Fund der Wissenschaftler für sich nutzen - und erweckt damit eine gewaltige außerirdische Macht zum Leben, die auf der Insel geschlummert hat. Um die Aliens aufzuhalten und die Welt zu retten, müssen Amerikaner und Nordkoreaner gemeinsame Sache machen - der große Showdown beginnt. Als Spieler übernimmt man - wie könnte es anders sein, die Rolle eines der US-Soldaten, Spitzname "Nomad".

Physik die begeistert

Feinster Trash also, gepaart mit einer großartigen Grafik - reicht das, um in die höchsten Höhen des Games-Olymp vorzustoßen? Die Yerli-Brüder gingen auf Nummer sicher und spendierten der Spieler-Gemeinde eine neue Welt, die nahezu vollständig physikalischen Gesetzen folgt, sprich: Palmen lassen sich mit einer Gewehrsalve fällen, Häuser stürzen ein, wenn man den entscheidenden Eckpfeiler herauszieht. Baumstämme rollen donnernd zu Tal, gesprengte Felsen zerbröseln in viele kleine Brocken. Natürlich wird hier in erster Linie der Spaß am Kaputtmachen bedient. Wer eher konstruktiv unterwegs ist, kann aus den Stämmen und Felsbrocken aber auch ein Haus bauen. Cervat Yerli erzählte begeistert in einem Krawall-Interview, wie er einen Ast vom Baum schoss und anschließend vor sich hielt - die Tarnung funktionierte, der Gegner lief einfach vorbei. Man darf gespannt sein, welche neuen Spiele sich die Fans noch mit dieser mächtigen Physik-Engine ausdenken werden.

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Ein weiterer Clou von Crysis ist der vielseitige "Nano-Suit": Ein Spezialanzug, der unseren Helden mit übermenschlichen Fähigkeiten ausstattet. Nomad kann mit ihm schneller rennen als eine Raubkatze, meterhoch auf Dächer und Felsen springen, schwere Gegenstände durch die Luft schleudern, unsichtbar werden und gegnerische Geschosse nahezu unbeschadet überstehen. Unser Held muss sich allerdings für eine Fähigkeit entscheiden - alle zugleich kann er nicht einsetzen. Auch reicht die Energie des Anzugs nur wenige Sekunden, danach muss er sich neu aufladen.

Der gezielte Einsatz des Nano-Suit macht aus Crysis eine varianten- und taktikreiche Herausforderung - es soll einen Fan geben, der das Spiel bis zur Hälfte durchgespielt hat, ohne einen einzigen Schuss abzufeuern - und das, obwohl es in Crysis von gegnerischen Soldaten wimmelt. Belohnt wird nicht, wer möglichst viele von ihnen ins Jenseits befördert, sondern wer schleicht, fintiert und nicht durch sinnloses Geballer auf sich aufmerksam macht. Die Künstliche Intelligenz der Computergegner reagiert insgesamt recht clever - umzingeln und taktischer Rückzug inklusive. Sind sie Nomad aber erst einmal auf den Fersen, wird es unangenehm - die Feinde schwärmen aus und ziehen ihre Kreise dann immer enger. Zum Glück verfügt Nomad über Radar, Fernglas und Nachtsichtgerät, so dass er die Feinde selbst im dicksten Dickicht orten kann.

Der Weg ist das Ziel

Bei aller Taktik bleibt Crysis ein Kampfspiel, was schon am umfangreichen Waffenarsenal deutlich wird. Allerdings keines, das Politikern als Steilvorlage für neue Verbotsforderungen gegen "Killerspiele" dienen dürfte. Für die meisten Spiele-Fans ist Crysis schlicht ein großartiges Abenteuer und eine Augenweide. Auf seiner Suche nach den entführten Wissenschaftlern durchquert Nomad malerische Schluchten und düstere Höhlen, infiltriert feindliche Lager und sabotiert Störsender, trifft Verbündete und verliert sie wieder. Über größere Entfernungen stehen ihm Boote, Geländewagen und sogar Flugzeuge zur Verfügung.

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Spannende Zwischensequenzen treiben die Edel-Trash-Handlung voran. Immer wieder erlebt der Spieler großartige Momente - wenn aus dem Berg plötzlich ein riesiges Raumschiff hervorbricht oder wenn er einen völlig vereisten Dschungel voll schockgefrosteter Soldaten durchquert. Die Atmosphäre wird immer surrealer, je näher Nomad dem außerirdischen Mutterschiff kommt. Die zehn bis fünfzehn Stunden Spielzeit werden nie langweilig, verlangen dem heimischen Computer aber so einiges an Leistung ab. Je schneller der Rechner, desto größer ist natürlich die grafische Pracht, die sich vor dem Auge des Spielers entfaltet. Mindestvoraussetzungen sind laut Hersteller ein 2-GHz-Prozessor, ein GB Arbeitsspeicher und eine 256-MB-Grafikkarte.

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