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Der US-Autor Jonathan Franzen kritisiert das Internet und Twitter - und wird dafür selbst scharf kritisiert.

© AFP

Jonathan Franzen kritisiert digitale Welt: Die Apokalypse im Netz

Der US-Schriftsteller Jonathan Franzen geißelt in einem Essay die digitale Welt – und erntet heftige Kritik.

Während wir SMS und Email senden oder twittern, treibt die Welt auf eine Katastrophe zu. Zumindest schreibt dies der US-Schriftsteller Jonathan Franzen. In einem Essay für den britischen „Guardian“ rechnet er mit dem digitalen Zeitalter ab. Franzen, der Twitter als „doof“ bezeichnet und sich damit den Ruf des Technologiefeindes eingehandelt hat, löst mit dem Stück „What's wrong with the modern World“ neue Aufregung aus.

Dieser ist eine abgewandelte Form der Einleitung seines bald erscheinenden Buches „Das Kraus-Projekt“ über den österreichischen Essayisten Karl Kraus aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die Kritik Kraus' gegenüber den Zeitungsmachern der 1920er Jahre, die die Ideale der Aufklärung mit dem Streben nach Profit und Macht koppelten, überträgt Franzen auf den heutigen Technikkonsum. Damit kritisiert er die „mediengesättigten, technologieverrückten und von Apokalypse heimgesuchten, historischen Momente“ unserer Zeit. Diese Divergenz zwischen technischem und geistigem und moralischem Fortschritt ist es, was in der modernen Welt nicht stimme, schreibt Franzen.

Persönlichkeiten wie der Amazon-Gründer Jeff Bezos, den er als „einen der vier Reiter der Apokalypse“ bezeichnet, oder sein Schriftsteller-Kollege Salman Rushdie, der es „hätte besser wissen müssen“ und nicht hätte „Twitter erliegen dürfen“, stehen im Zentrum der Kritik. Amazon sorge durch sein System dafür, dass Schriftsteller zu „perspektivlosen Arbeitern ohne Geld und Sicherheit“ verkommen und der Druck auf den Buchpreis durch sinkende Löhne zunimmt. Kultur gebe es dann nur als billige Trash-Lektüre.

Als „eines der schlimmsten Dinge des Internets“ beschreibt Franzen die Verführung, durch Twitter in kürzester Zeit eine Position zu beziehen und darüber zu urteilen, was hip ist oder nicht. Gleichzeitig laufe man Gefahr, selbst nicht als hip zu gelten, wenn man nicht die Position der anderen einnimmt.

Franzens Rundumschlag blieb nicht unbeantwortet. Zu den schärfsten Kritikern gehören Blogger wie Mic Wright vom britischen „Daily Telegraph“. Wright stellt fest, Franzen sehe nichts Gutes im Internet, „vielleicht auch deshalb, weil er sich über das Internet stellt“. Wright schreibt, Franzens Essay lese sich wie eine langweilige Samstagabend-Lektüre und warnt vor einem „wirklich, wirklich schlechten Buch“. Apropos Buch, Ansgar Warner vom Fachportal „e-books-news.de“ vermutet, dass sich hinter dem Essay „nichts anderes verbirgt als geschickt im Web platzierte Self-Promotion für sein neues Buch“. Salman Rushdie antwortet via Twitter: „Lieber #Franzen, @MargaretAtwood ?@JoyceCarolOates ?@nycnovel ?@NathanEnglander ?@Shteyngart und mir geht es gut bei Twitter. Genieße deinen Elfenbeinturm.“ Michelle Goldberg vom US-Portal „The Daily Beast“ wirft Franzen vor, Twitter zu verurteilen, ohne den Dienst ausprobiert zu haben. Außerdem sei sein nostalgischer Ansatz über Amazon missverständlich. Wenn er diese Welt, in der Bücher unter anderem self-published seien und damit eine größere Gruppe von Menschen die Möglichkeit bekäme, eigene Werke herauszugeben, nicht wolle, dann „hat das Internet eine Antwort darauf: Elitist!!!“ Maria Bustillos vom „New Yorker“ zeigt Verständnis für Franzens Wunsch, „die traditionellen Werte und Praktiken der Buch-Welt beizubehalten“. Es ginge Franzen nicht nur um die technische Besessenheit, sondern auch um die geistige Armut und Schwäche, die damit einhergeht. Bustillos’ Vorschlag: Franzen solle online gehen und Kontakt mit Leuten aufnehmen.

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