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Tolino Shine: Leuchtende Zukunft

Eine Allianz von vier großen deutsche Buchhändler macht mit dem E-Book-Lesegerät Tolino Shine dem Kindle von Amazon Konkurrenz. Im Test zeigt der Herausforderer einige Schwächen, an deren Beseitigung jedoch schon gearbeitet wird.

Es gibt ein untrügliches Zeichen, dass ein Technikprodukt begeistert – wenn im Internet Tipps ausgetauscht werden, wie man noch mehr Spaß mit dem Produkt haben kann. Offenbar gehört das E-Book-Lesegerät Tolino Shine dazu. Das mit einer eingebauten Beleuchtung ausgestattete taschenbuchgroße Sechs-Zoll-Gerät wird von den vier deutschen Buchhandelsplattformen Club Bertelsmann, Hugendubel, Thalia und Weltbild zusammen mit dem technischen Kooperationspartner Telekom angeboten und gilt mit einem Preis von 99 Euro als deutsche Antwort auf den Kindle von Amazon. In den Tipps zum Tolino wird unter anderem beschrieben, wie man andere Bildschirmschoner installieren kann, wie Bücher am besten im Cloud-Dienst der Telekom gespeichert werden und wie man das offene E-Book-Programm Calibre mit dem Tolino Shine verwendet. Doch wie gut ist der Kindle-Herausforderer wirklich?

300 000 E-BOOKS IM KATALOG

Das Angebot an verfügbaren E-Books bei den vier Buchhandelsfirmen ist mit 300 000 Titeln inzwischen beachtlich. Wer sich für einen E-Book-Reader interessiert, muss eine grundsätzliche Entscheidung treffen. Amazon setzt für seine Kindle-Lesegeräte auf das spezielle Dateiformat AZW. Amazon-E-Books lassen sich nur auf einem Kindle oder über die Kindle-App auf einem Smartphone, Tablet oder PC lesen. Die anderen Buchhändler setzen auf das offene Format ePub. Ein beim Club Bertelsmann gekauftes ePub- Buch kann auch auf einem Reader gelesen werden, der mit einem vorinstallierten Thalia-Shop versehen wurde. Auf dem Tolino Shine konnten wir darum auch Bücher öffnen, die von ganz anderen Shops wie zum Beispiel eBook.de stammen – nachdem das Lesegerät zuvor mit der eigenen Adobe-ID registriert worden war. Dann kann das Buch auf bis zu sechs Geräten – E-Book-Readern, Smartphones, Tablets oder PCs – gelesen werden. Das Weiterverkaufen oder Verschenken eines selbst gekauften E-Books ist allerdings auch mit dem Tolino nicht möglich.

LICHT UND SCHATTEN

Der Tolino Shine verfügt über ein monochromes Touch-Display und wird wie ein Smartphone oder Tablet mit dem Finger bedient. Dadurch lassen sich die Seiten beinahe genauso umblättern wie in einem echten Buch. Einzig ein großer Home-Button ist übrig geblieben, mit dem man jederzeit zur Startseite gelangt. Der Tolino arbeitet mit sogenannter elektronischer Tinte. Der Bildschirminhalt muss nur einmal beim Umblättern der Seite geladen werden, das erlaubt ein sehr scharfes Textbild und sehr lange Akkulaufzeiten von mehreren Wochen. Durch die hohe Auflösung des Bildschirms sehen auch Bilder gut aus. Ein Quantensprung beim Lesekomfort ist die eingebaute Beleuchtung. Bei hellem Sonnenlicht kann mit den Displays von E-Book-Readern wie zum Beispiel dem Sony Reader PRS T2 (120 Euro) schon immer sehr gut gelesen werden, das Lesen an spärlich beleuchteten Orten war hingegen ein echtes Problem. Dies ist mit Readern wie dem Kindle Paperwhite von Amazon (mit W-Lan 129 Euro, mit 3G-Modul 189 Euro), dem Kobo Glo (120 Euro) oder nun dem Tolino nun ausgeräumt. Mit der Beleuchtung wird der Bildschirm nicht nur heller, sondern wirkt zudem weißer, was den Eindruck von echtem Papier verstärkt. Allerdings ist die momentan eingesetzte Beleuchtungstechnik noch nicht perfekt. Bei E-Book-Readern muss das Licht über eine Leuchtschicht von vorn kommen. Die Lichtschicht wird über mehrere Leuchtdioden mit Licht versorgt, wodurch es am unteren Rand zu kleinen Zonen unterschiedlicher Helligkeit kommt. Beim Kindle Paperwhite von Amazon ist dieser Effekt sogar noch etwas stärker ausgeprägt als beim Tolino, aber auch bei diesem Gerät gewöhnt man sich in kurzer Zeit daran.

SYNCHRONISIEREN ÜBER DIE CLOUD

Preiswerte E-Book-Reader mit integrierter Beleuchtung hat es mit Geräten wie dem Kobo Glo schon vor dem Tolino Shine gegeben. Eine entscheidende Neuerung beim Tolino ist die eingesetzte Cloud-Technik. Die vier Handelsplattformen kooperieren mit der Deutschen Telekom. Jedes erworbene Buch wird automatisch in die Telekom-Cloud hochgeladen, so dass die Bücher damit automatisch gesichert werden. Nach einem Reader-Wechsel oder bei der Benutzung einer Reader-App für Smartphones und Tablets (Apple und Android) können die Bücher ohne Weiteres wieder heruntergeladen werden. Über die Telekom-Cloud werden die Bücher darüber hinaus synchronisiert. Dabei wird die zuletzt aufgerufene Seite als Lesezeichen gespeichert. Wird nun vom Reader zu App gewechselt, befindet man sich automatisch auf der richtigen Seite – einen Zugang zum Internet vorausgesetzt. Diese Synchronisierung im Hintergrund bieten die Kindle-Lesegeräte allerdings seit langem.

ZUGANG ÜBER 12 500 HOTSPOTS

Für den Zugang ins Netz verfügt der Tolino Shine über ein W-Lan-Modul. Damit gelangt man entweder zum vorinstallierten Shop – bei unserem Testgerät handelt es sich um Thalia – oder über den eingebauten Internet-Browser zu jeder anderen Seite. Flash und Java werden allerdings nicht unterstützt. Daheim und in der Firma wird aufs jeweilige W-Lan zugegriffen: An Bahnhöfen, Flughäfen und vielen anderen Orten verbindet sich der Tolino automatisch und ohne weitere Kosten mit den 11 000 Telekom-Hotspots. Hinzu kommen die 1500 Fachgeschäfte der Tolino-Partner mit ihren W-Lans. In unserem Test scheiterte der Verbindungsaufbau zum Zugang zum Telekom Hotspot allerdings mehrfach. Eine Version mit eingebautem Mobilfunkchip gibt es vom Tolino anders als beim Kindle nicht.

OHNE MARKIERUNGEN UND NOTIZEN

In Größe und Gewicht unterscheiden sich Tolino und Kindle Paperwhite kaum. Auf beiden Lesegeräten lassen sich Schriftarten und -größen individuell einrichten. Die Seitenränder und Zeilenabstände können beim Tolino anders als beim Amazon-Lesegerät oder dem Sony-Reader und dem Kobo Glo jedoch nicht verändert werden. Zudem fehlt dem Tolino die Möglichkeit, aus dem geöffneten Buch heraus auf Wörterbücher oder Internetdienste wie Wikipedia zuzugreifen. Der Toline erlaubt darüber hinaus weder Markierungen noch Notizen. Beim Kindle und sonstigen Readern mit dem offenen ePub-Format ist es durch die Markierungen möglich, bequem zu ausgewählten Stellen des Buches zu springen. Genauso misslich ist es, dass beim Tolino keine Notizen zu den Büchern gemacht werden können. Beim Kindle werden die Notizen sogar durchnummeriert. Dass man dafür beim Tolino aus einem Buch heraus seinen Facebook-Freunden mitteilen kann, was man gerade liest, ist nur ein schwacher Trost.

AUF DEM RICHTIGEN WEG

Mit dem Tolino Shine und der Cloud- Funktion gibt es nun eine Rundum-Alternative zum Kindle. In einigen Bereichen wie der individuellen Formatierung, bei Wörterbüchern und Notizen sollte allerdings nachgebessert werden. Dies wird voraussichtlich schon im April mit einem Update erfolgen. Einige Anfangsprobleme wie mit der Android-App wurden inzwischen behoben. Und auch die Kinderkrankheiten beim Hochladen alter Bestände werden angegangen. Trotzdem muss die deutsche Buchhändler-Allianz aufpassen, dass der Abstand nicht wieder größer wird. Beim Kindle Paperwhite hat Amazon die Schriftarten nochmals optimiert. Das schont die Augen besonders bei längerem Lesen. Und genau das wollen viele E-Book-Leser.

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