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Medien: Entführung einer Pazifistin

Deutsche und Italiener setzen sich für die im Irak verschleppte Giuliana Sgrena ein

„Journalisten sind eine kostbare Ware: Wer sie entführt, sichert sich größtmögliche Aufmerksamkeit“, sagt Georges Malbrunot. Der Korrespondent des Pariser „Figaro“ war selbst Geisel radikaler Islamisten im Irak. Jetzt engagiert er sich für Kollegen, die in einer ähnlich verzweifelten Lage sind. Seit Freitag gehört dazu auch Giuliana Sgrena, Korrespondentin der linken italienischen Tageszeitung „il manifesto“ und seit Ende 2001 auch Berichterstatterin für die Hamburger „Zeit“.

Sgrena hatte Interviews in einer Moschee in Bagdad geführt, als Bewaffnete sie in ihr Auto zwangen. Ihr Übersetzer alarmierte ihre Redaktion. Seither empfingen Freunde und Kollegen in Bagdad, Hamburg und Rom mehrere Anrufe von ihrem Handy, jedoch zuletzt ohne klares Lebenszeichen. Die Rundfunkjournalistin Barbara Schiavulli hörte auf ihrem Handy lediglich arabische Musik. Ob Sgrena tatsächlich in den Händen jenes „Islamischen Dschihad“ ist, der sich im Internet selbst bezichtigte und im Austausch für sie den Abzug der italienischen Truppen binnen 72 Stunden forderte, bezweifelt die Regierung in Rom ebenso wie ihre Kollegen. Der Text nennt nicht einmal Sgrenas Namen; sie wird lediglich „die italienische Journalistin“genannt.

Im Augenblick hoffen Kollegen, Freunde und Sgrenas Lebensgefährte, dass die Wirkung, auf die die Geiselnehmer mit der Entführung einer Journalistin spekulierten, auch ihr Leben retten könnte. Die 56-jährige gebürtige Piemontesin war nicht nur entschiedene Gegnerin des Irakkrieges, sondern auch des italienischen Einsatzes danach. In den ersten 24 Stunden nach ihrer Entführung jedenfalls haben die Kollegen schon eine ungewöhnliche Mobilisierung erreicht: „Il manifesto“ und die „Zeit“ verfassten einen Internetaufruf zu ihrer Rettung. Die drei wichtigsten muslimischen Organisationen in Deutschland setzen sich für sie ein und Al Dschasira, der meistgesehene arabischeSender, strahlte Freitagabend eine Reportage über Sgrenas Arbeit aus. Die arabische Presse schrieb über die Kollegin, „die in den Irak ging, um den gelenkten Nachrichten und der Propaganda etwas entgegen zu setzen.“ Am Samstagabend versammelten sich Tausende Römer, darunter Bürgermeister Veltroni, auf dem Kapitol – aus Solidarität für Sgrena und die ebenfalls entführte französische Journalistin Florence Aubenas, aber auch „für die Befreiung des Irak“.

Hoffnung für Sgrena haben vor allem die, die sie kennen: Sie habe viel „klugen Mut“ und einen „eisernen Charakter“, sagt der „Zeit“-Reporter Ulrich Ladurner, der Sgrena seit der gemeinsamen Arbeit in Pakistan nach dem 11. September 2001 kennt und für den sie eine enge Freundin wurde. „Alles was sie tut, tut sie mit großer Leidenschaft“, sagt die Auslandsredakteurin Marina Forti, die seit vielen Jahren ihr Zimmer in der Redaktion in Rom mit Sgrena teilt. Wer die zierliche Frau sehe, vermute die Entschlossenheit kaum, zu der sie fähig sei.

Sgrena schreibe nicht zuerst aus beruflichem Ehrgeiz: „Wie die meisten von uns ist sie durch ihr politisches Engagement zur Zeitung gekommen, als Pazifistin“ sagt Forti. „Deshalb ging sie in den Irak, nimmt am Leben dort teil und berichtet darüber“ - so wie früher für die Zeitschrift „Pace e guerra“ („Frieden und Krieg“), bei der in den 80er Jahren ihre journalistische Laufbahn begann.

Die Botschaft der Kollegen in Rom dürfte Giuliana Sgrena deshalb gefallen. Auf der ersten Seite der Samstagausgabe schickt eines der glupschäugigen drahtigen Kerlchen des „il manifesto“-Karikaturisten Vauro eine Friedenstaube los: „Flieg, bring sie uns zurück!“

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