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Ramadan

© Laif

Fernsehen: Unterhaltung mit Botschaft

Ramadan-TV: Eine Serie um Vergewaltigung und „König Faruk“ sind in der Fastenzeit die Renner. Nach dem Fastenbrechen schlägt die Stunde der arabischen Telenovas.

In Ägypten ist es wieder so weit: Eine Nation sitzt allabendlich kollektiv vor dem Fernseher. 30 Tage lang, so lange Ramadan ist. Beherrschen tagsüber religiöse Vorträge, Kochkurse und Quizsendungen die Programme, so kommt am Abend, nach dem Fastenbrechen, die Stunde der zahlreichen „Musalsalat“, einer Art arabischer Telenova. Gesprächsthema sind seit Beginn des Ramadan nicht mehr die steigenden Lebensmittelpreise, die Massenverhaftungen von Muslimbrüdern oder der Gesundheitszustand von Präsident Hosni Mubarak. Sondern die letzte Folge von „Eine öffentliche Angelegenheit“ mit der ägyptischen Starschauspielerin Jussra. Sie ist der Renner der Saison 2007. Im Kampf um die Zuschauergunst, die im Zeitalter des Satellitenfernsehens spürbar ist, hat sie sich eines Tabuthemas angenommen – Vergewaltigung. Ein Thema, das in der muslimischen Gesellschaft bewusst totgeschwiegen wird. Die von Jussra gespielte Kairoer Ärztin wird zusammen mit zwei Kolleginnen vergewaltigt. Als Jussra schließlich das Schweigen bricht, beginnt die schmerzliche Konfrontation mit einer traditionellen Gesellschaft, in der selbst der Ehemann seine wahren Gefühle unter sozialem Druck verleugnet. Er trennt sich von seiner Frau, welche seiner Ansicht nach Schande über ihn und die gemeinsamen Kinder gebracht hat. Ihre jüngere Kollegin dagegen schweigt, lässt sich auf Druck der Familie ihr Hymen wieder zunähen, um eine Heirat mit ihrer Jugendliebe nicht zu gefährden. Ein Bruder drückt die Ansicht der oberägyptischen Familie aus, indem er klagt, dass es besser gewesen wäre, die Täter hätten sie anschließend getötet.

Die zehnminütige Vergewaltigungsszene in der ersten Folge, welche den Akt nicht explizit zeigt, ist nach Ansicht von Kritikern jedoch bisher der interessanteste Aspekt. „Die Serie läuft entlang den üblichen moralischen Linien, die von sozialer Herkunft geprägt werden“, schreibt der Kritiker Hani Mustafa. Und die Täter sind drogenabhängige junge Männer, die von ihren Familien vernachlässigt werden. „Die üblichen Gründe für Verfehlung im ägyptischen Fernsehen“, meint das Wochenblatt „Al Ahram Weekly“. Dennoch sind Frauenorganisationen zufrieden, dass das Problem des Umgangs der Gesellschaft mit sexueller Belästigung und Vergewaltigung erstmals im Fernsehen behandelt wird. „Die Schauspielerin Jussra war ein Rollenmodell für Generationen von Frauen“, sagt die Psychologin und Frauenrechtlerin Abier al Barbary. „Es ist eine großartige Idee, diese Ikone zu nutzen, um diese dringend nötige Botschaft zu verbreiten.“ Laut einer Studie des Ägyptischen Zentrums für Frauenrechte werden 30 Prozent der Frauen täglich sexuell belästigt. Genaue Zahlen gibt es nicht, nur die wenigsten melden sich bei der Polizei.

Doch auch die Politik kommt im Ramadan-TV nicht zu kurz. Die syrisch-ägyptische Produktion „König Faruk“, produziert vom saudischen Sender MBC, gehört zu den anderen Highlights dieser Saison. „Sie zeigt den letzten ägyptischen Monarchen als Menschen – daher läuft sie nicht im ägyptischen Fernsehen“, meint Lamis Gaber, die ägyptische Drehbuchautorin, deren Skript vor Jahren vom ägyptischen Fernsehen abgelehnt worden war. Das Pikante an dieser Serie sieht der prominente Blogger Wael Abbas in einem anderen Aspekt. „Im heutigen Ägypten ist die Vererbung der Macht ein Szenario – nicht unähnlich den Zeiten, als Ägypten eine Monarchie war“, sagte Abbas im Fernsehsender Al Dschasira. Damit spielt er auf die Pläne an, den Sohn von Präsident Hosni Mubarak als Nachfolger zu etablieren. Insgesamt gibt es speziell bei den syrischen Ramadan-Serien, welche den ägyptischen in den vergangenen Jahren teilweise den Rang abgelaufen haben, einen Trend zu historischen Dramen. So haben zwei Serien in diesem Jahr den Krieg Israels gegen den Libanon im Sommer 2006 zum Hintergrund, eine spielt in der Zeit der osmanischen Herrschaft über Syrien, eine weitere zu Zeiten des französischen Mandats. „Geschichte ist immer ein guter Zufluchtsort, wenn sie Kritik üben und die Zensur umgehen wollen“, sagte die Schauspielerin Mona Wasef.

Obwohl die beiden wichtigsten Produktionen dieses Ramadan in Ägypten spielen, sind sie von Nicht-Ägyptern produziert und nicht im staatlichen ägyptischen Fernsehen zu sehen. Der Jordanier Mohamed Azizia führte die Regie bei der Serie „Eine öffentliche Angelegenheit“, die im Satellitenfernsehen aus Dubai läuft. „König Farouk“ wurde von dem Syrer Hatem Ali gedreht und von dem saudischen Sender MBC produziert. Bis in die 90er Jahre hatte Ägypten eine Art Monopol für Ramadan-Serien. Der ägyptische Drehbuchautor Osama Anwar Okasha bedauert diesen Abwärtstrend, macht jedoch „ausschließlich uns selbst“ dafür verantwortlich. „Jahrelang haben wir billige Lachnummern produziert, um die Leute abzulenken. Nun haben wir unsere Position als Produzenten von Ideen und Kultur verloren.“

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