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Hitler

© NDR/CC&C

Fernsehkritik: Die Farbe des Krieges

Mit der nachkolorierten Dokumentation "Der Krieg" widmete sich die ARD dem Zweiten Weltkrieg. Von Spielfilm-Ketchup war dabei keine Spur.

Das war’s also. Eines der bedeutendsten Fernsehereignisse zur Geschichte in diesem Jahr ging mit der dritten Folge von „Der Krieg“ am Montagabend im Ersten vorüber. Dabei standen Aufwand und Eindruck für den Zuschauer in einem gewissen Missverhältnis. Was die Kolorierung schwarz-weißer, zum Teil nie zuvor gezeigter Filmstreifen an Zeit und Kosten erfordert haben muss, bleibt dem Zuschauer verborgen. Er könnte die Serie auf den ersten Blick für die bloße Aneinanderreihung von Archivmaterial halten. Aber gerade die Kolorierung ist die Sensation, „um zu zeigen, wie es wirklich aussah, wie die Menschen diesen Krieg wirklich erlebten“. So hört der Zuschauer die Absicht von Isabelle Clarke (Regie) und Daniel Costelle (Buch) zu Beginn jeder Folge. Was er dann sieht, sind vor allem drei Farbtöne: ein verschossenes Braun, ein oft ganz ins Graue abgleitendes Uniformgrün, und als Akzent ein Rot zwischen kalt und feurig. Ja, es gibt auch Gelb, schließlich lodern im Krieg überall die Flammen, und bisweilen Blau. Aber die Dokumentation ist alles andere als bunt.

Man scheut sich, sie farbig zu nennen. Das klingt zu positiv. Dieser Krieg wird geführt in endlosen Weiten, in Trümmern, in Wüste, Urwald und auf dem Meer, und überall in Flammen. Allein die schrecklichsten Bilder von Konzentrationslagern und Völkermord wurden in Schwarz -weiß belassen. Mit einem Mal wirken diese Sequenzen weniger authentisch als das übrige Material – das darum aber nicht zum Spielfilm wird, zu Hollywood.

Ob diese Dokumentation unser Bild der Geschichte verändert? Das kann man so einfach sicher nicht sagen, zu viel an schwarz-weißem Material ist gezeigt worden, ergänzt um Abertausende von Fotografien. So hat sich das Geschichtsbild längst verfestigt. Aber im Medium der Fotografie begann die leise Veränderung, als Farbaufnahmen auftauchten. Noch vor wenigen Jahren wurde in Paris eine Ausstellung mit Farbfotos zum Skandal, weil sie angeblich die Okkupation verharmloste. Sogar aus dem Ersten Weltkrieg gibt es Farbaufnahmen von der Westfront: Was am meisten frappiert, ist der leuchtend rot blühende Klatschmohn in der zerschossenen Mondlandschaft.

Und doch wird das Bild verändert. Zunächst bleibt die Frage, ob die Kolorierung einer neuerlichen Sichtverschiebung Vorschub leistet. Wie der für die technische Arbeit zuständige François Montpellier erläuterte, wurde ein Farbklima gesucht, wie es in Spielfilmen aus der damaligen Zeit üblich war (Tagesspiegel vom 14.3.).

Vielleicht am aufregendsten in Farbe sind die Nachtszenen des Krieges mit jäh aufflammenden Granatschüssen oder den sowjetischen „Katjuschas“ und anschließendem Einschlag. Da lässt sich mehr denn je erahnen, was Krieg bedeutet haben muss, für die Soldaten, die ab und an ins Bild rücken, verdreckt, verwundet und mit Verbänden. Die sind blutig, aber so schmutzigrot, wie Wunden nun einmal werden – und keine Spur von Spielfilm-Ketchup.

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