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Heesters-Dokumentation: Die lebende Legende

Vielleicht ist es das letzte Interview mit ihm. Das letzte Mal, dass er jemanden zum Gespräch in das Haus am Starnberger See lässt, um über sein langes Leben zu reden. Am 5. Dezember 2009 wurde Johannes "Jopi" Heesters unglaubliche 106 Jahre alt.

Sein Leben umfasst ein ganzes Jahrhundert mit zwei Weltkriegen und dem Beginn des medialen Zeitalters. Das ist an sich schon kaum vorstellbar. Überdies tritt Heesters noch immer auf. Manche halten dies für die pietätlose Zurschaustellung eines greisen Mannes. Andere haben dafür grenzenlose Bewunderung. Und tatsächlich vermag dieser gelungene Film der ARD-„Legenden“ von Philipp Engel nicht nur diese Ambivalenz darzustellen, sondern Heesters begreifbarer zu machen. Eine Nahaufnahme aus der Distanz.

Nachvollziehbarer wird das Phänomen Heesters auch an einem Nachmittag in München, an dem der Sender im Nobelhotel „Bayerischer Hof“ die neue „Legenden“-Dokumentation vorstellt – in Anwesenheit von Heesters, seiner 46 Jahre jüngeren Frau Simone Rethel-Heesters, mit der er seit 23 Jahren zusammen ist, sowie seinen beiden Töchtern aus erster Ehe, der Schauspielerin Nicole Heesters und der Pianistin Wiesje Herold-Heesters. Dieser alte Herr, nahezu vollständig erblindet und sehr auf seine Frau angewiesen, setzt sich vor der Vorführung des Filmes und dem sich anschließenden Gespräch sogar dem halbstündigen Blitzlichtgewitter mehrerer Dutzend Fotografen aus. Er lebt, wenn er aktiv ist: „Er will ja einfach aktiv dabei bleiben, das ist sein Lebenscredo“, sagt seine Frau.

Die differenzierte „Legenden“-Dokumentation vermittelt, dass Johannes Heesters Film- und Fernseh- und Bühnengeschichte ist. Zugleich ist er zur lebenden Legende der Zeitgeschichte geworden. Ist doch ein weiterer ambivalenter Aspekt seines Lebens seine Zeit während der Nazi-Zeit. So hat man es ihm in seiner niederländischen Heimat über Jahrzehnte verübelt, dass er am 21. Mai 1941 mit dem Ensemble des Münchner Gärtnerplatztheaters das Konzentrationslager Dachau besuchte. Ein zweischneidiger Umstand, den Heesters jedoch nie bestritten hat. Die Niederländer verziehen ihm auch das nicht. Erst 2007 gastierte er wieder in seiner Heimatstadt Amersfoort. „Mein Vater ist ein völlig unpolitischer Mensch gewesen“, sagt Nicole Heesters, und sie sagt es mit glaubwürdiger Überzeugung.Thilo Wydra

„Legenden: Johannes ,Jopi‘ Heesters“, ARD, 21 Uhr 45

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