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Medien: Hilfe, unsere Leser wissen zu viel

Den PC-Magazinen gehen die Einsteiger aus. Sonderhefte und die Generation 50 plus sichern die Zukunft

Keine Frage, Roland Bischoffs Job als Chefredakteur der Computer-Zeitschrift „com!“ ist schwieriger geworden. „Über das Kopieren von Musik und Filmen können wir nicht mehr so umfangreich schreiben, seit das Urheberrecht verschärft wurde“, sagt er. Außerdem sei Windows zu gut geworden – fast jeder versteht es ohne Bedienungsanleitung. Selbst die Computertests sind kein zwingender Kaufgrund für die Hefte. Sein Argument: „Die Hardware fast aller Firmen reicht für das, was man zu Hause machen will.“

Das bekommt die ganze Branche zu spüren. 2005 haben die zehn größten deutschen Zeitschriften für Computerthemen zusammen fast elf Prozent ihrer Stammauflage eingebüßt. Hart hat es auch die Springer-Blätter getroffen. Selbst der Marktführer „Computer Bild“ verkaufte im vierten Quartal 2005 17 Prozent weniger Zeitschriften als im Vorjahreszeitraum. Der Ableger „Computer Bild Spiele“ verzeichnete sogar ein Minus von 18,4 Prozent.

Alles gar nicht so schlimm, heißt es beim Axel Springer Verlag. Dass „Computer Bild“ im Vorjahr erfolgreicher war, habe an besonderen DVD-Aktionen sowie der Veröffentlichung der Windows- Updates auf der Heft-CD gelegen. Zudem dürfe man die Computerzeitschrift nicht allein betrachten. Zusammen mit dem Spiele-Titel und der Zeitschrift „Audio Video Foto Bild“ handele es sich um eine ganze Familie, die im Verbund erfolgreich sei. Wichtig sei, dass sich die Magazine mit ihren Lesern weiterentwickelten und „Computer Bild“ längst keine Zeitschrift mehr nur für Einsteiger sei.

Andreas Perband, Chefredakteur der „PC Welt“, macht mehrere Faktoren für den Auflagenschwund verantwortlich. Jede neue Windows-Version habe früher Beratungsbedarf und damit Interesse beim Leser geweckt, aber „Windows Vista ist zu lange nicht gekommen“. Zwischen der Veröffentlichung von Windows XP im Jahr 2001 – dem derzeit aktuellen Betriebssystem von Microsoft – und seinem Nachfolger, der für Privatanwender erst im Januar 2007 auf den Markt kommen soll, liegen mehr als fünf Jahre. Zudem sei das Internet zum gesamtgesellschaftlichen Phänomen geworden. „Wer Testergebnisse haben will, besorgt sie sich auch im Netz.“

Die „PC Welt“ versucht darum mit Sonderheften zu PC-Sicherheit, DSL-Tuning, Digitalfotografie oder zum kultigen Musikabspielgerät iPod den Weg aus der Krise zu finden. Mit 17 Extra-Ausgaben im Jahr, mehr, als es normale Hefte der monatlich erscheinenden „PC Welt“ gibt, züchtet die Zeitschrift ihre eigene Patchwork-Familie. Im Jahr 2000 gab es nur zwei Sonderhefte. Aus „PC Welt Linux“ ist inzwischen sogar ein Ableger geworden, der vierteljährlich erscheint.

Doch es bedarf nicht nur neuer Themen, sondern auch neuer Leser: „Die Zahl der Haushalte mit PCs steigt zwar immer weiter an, aber der Markt für PC-Zeitschriften wird kleiner“, sagt „com!“-Chef Bischoff. „Die Leute, die sich heute einen PC kaufen, verirren sich selten in die Ecke mit den PC-Zeitschriften.“ PC-Neulinge gibt es heute wenige. „Einsteiger sind nur noch die Generation 50 plus, die den PC nicht auch beruflich nutzen. Die erreicht man aber nur sehr schwer über PC-Zeitschriften“, sagt Thomas Pyczak von der Konkurrenzzeitschrift „Chip“.

Um auch diese Zielgruppe zu erschließen, plant „com!“ neben den üblichen Sonderheften eine ganz neue Reihe: „com Step by Step“, die bessere Bedienungsanleitung. Im handlichen Format wird sie unabhängig von „com“ erscheinen und Programme wie „Nero“ und „Photoshop Elements“ Schritt für Schritt erklären. Erfolgreich in einem schrumpfenden Markt ist unter anderem die „c’t“. Die Nummer fünf der Computerzeitschriften ist am ehesten als Fachzeitschrift zu bezeichnen. Hier schreiben Experten für jene Leser, die entweder selber vom Fach sind oder aus anderen Gründen auf reißerische Titelgeschichten verzichten können. So werden zwar auch bei der „c’t“ die neuesten Computer getestet, anders als bei der Konkurrenz sucht man bei dieser Zeitschrift jedoch ein Ranking vergebens. Um den Leser nicht zu bevormunden, werden die Ergebnisse der Tests ausführlich beschrieben. Der aufgeklärte Leser muss sich selbst einen Reim darauf machen. Das Konzept geht auf: die Auflage der „c’t“ ist sogar leicht gestiegen.

Weil heute auch Nachrichtenmagazine Handys testen und Tipps zu Ebay geben, müssen die PC-Zeitschriften Nischen suchen, Service und Themen bieten, die nicht an jeder Ecke des Internets zu finden sind. „Früher haben wir 1000 Geräte pro Jahr getestet“, sagt Chip-Chefredakteur Pyczak, „2006 sind es doppelt so viele.“ Themen zu Windows laufen gut, wenn Tipps und Tricks verraten werden. Immer wichtiger wird die Sicherheit. „Seit die Leute sensible Daten wie Fotos und Videos auf dem PC speichern, haben die Daten eine emotionale Dimension bekommen“, sagt Pyczak.

Die Anziehungskraft, die Tipps zum Brennen von CDs und DVDs auf die Leser hatten, ist schwer zu ersetzen. „Es gibt kein Mega-Thema mehr. Man braucht schon drei bis vier gute Themen auf dem Titel“, sagt Andreas Perband. Oder eine gute DVD. Denn die ist ein wichtiger Kaufanreiz. „Ohne CDs und DVDs kann eine PC-Zeitschrift heute nicht mehr wettbewerbsfähig sein“, befindet Bischoff. Die Spirale der Zugaben dreht sich seit einigen Jahren: „2002 waren Datenträger noch selten“, erinnert sich Perband. „Mit ihnen konnte der Heftverkauf gesteigert werden. Nach den CDs kamen die Vollversionen, dann die DVD, jetzt sind es Spielfilme.“ Der aktuellen Ausgabe der „Chip“ liegt das Wikipedia-Lexikon bei. „Sinnvolle Inhalte, die Freude machen“ nennt Pyczak das. Filme gehören für ihn nicht dazu. Dabei sei die Gefahr zu groß, dass die Zeitschrift nur wegen des Films gekauft wird. Das gefällt weder der Redaktion noch den Anzeigenkunden.

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