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Hitler-Buch: Ein Krampf

Das Landgericht München verbietet Peter McGee den Abdruck von Zitaten aus Hitlers „Mein Kampf“. Der britische Verleger hat nun ein anderes Vertriebsmodell ersonnen.

Da hätte sich die Post AG aber gefreut! Gegen einen „mit 1,45 € Cent frankierten Rückumschlag“ wollte Peter McGee den Lesern seiner „Zeitungszeugen“ eine 16-seitige Broschüre mit Auszügen aus Adolf Hitlers Programmschrift „Mein Kampf“ samt Kommentaren des Dortmunder Wissenschaftlers Horst Pöttker schicken. Denn in der heute erscheinenden Ausgabe der Zeitschrift werden „nur die Analysen von Prof. Pöttker leserlich sein, die aus ,Mein Kampf’ zitierten Passagen haben wir unleserlich gemacht“. Nach einer gestern ergangenen Gerichtsentscheidung muss wohl auch auf das Angebot, eine leserliche Fassung gegen Entgelt zu verschicken, verzichtet werden.

Das Bayerische Finanzministerium, als Inhaber der Rechte an Hitlers Programmschrift wie auch anderer Erzeugnisse der NS-Publizistik, erstritt vor dem Landgericht München eine Einstweilige Verfügung, wonach Herstellung und Verbreitung von „Mein Kampf“ verboten bleiben. Auch nur die Verwendung einzelner Passagen sei durch das Zitatrecht nicht gedeckt. Der britische Verleger will dagegen klagen und bis zu einem rechtskräftigen Urteil lediglich eine zitatfreieVersion an die Kioske bringen. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) hingegen erklärte, es sei „gut, dass es dem Verlag jetzt gerichtlich verboten ist, diese Hetzschrift zu verbreiten.“. Bayern werde „auch in Zukunft sein Urheberrecht verteidigen“. Das endet jedoch in knapp drei Jahren.

Ist es also eine Mogelpackung, die der Leser für 3,90 Euro am Kiosk erwerben sollte? Ja und nein. Denn einerseits lässt sich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Verleger gegenüber seiner Ankündigung auf auszugsweisen Nachdruck des Hitler-Buches einen Rückzieher gemacht hatte. Andererseits dürfte seinem Leserkreis bekannt sein, dass „Mein Kampf“ nach wie vor unter Verbot steht.

„Die große Zahl der Befürworter“, berief sich McGee in seinem am Mittwoch verschickten Anschreiben an „seine Leser“ auf die Debatte der vergangenen Tage, „stimmt dem Argument zu, dass es auch und gerade heute der Aufklärung über die Abgründe der kruden Ideen Hitlers und einer Demaskierung seines zentralen Werkes bedarf.“ Dazu hat McGee den Autor des Vorworts der im A5-Format gedruckten Hitler-Exzerpte als Kronzeugen: „In den Nachkriegsjahren, als Demokratie gestiftet wurde, als die politische Neuorientierung der Deutschen noch nicht gestiftet war, ist es sicher richtig gewesen, die Verlagsrechte zu sistieren“, schreibt Wolfgang Benz, als langjähriger Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin ein ausgewiesener Kenner auch der neonazistischen Propaganda, im Vorwort. Statt kontraproduktiver Behinderung sei Aufklärung notwendig.

Nun ist also vorerst nicht einmal für den mit Postversand gelockten Teil der Zeitschriftenkäufer nachzulesen, was der künftige „Führer und Reichskanzler“ 1924 in der – für ihn komfortablen – „Festungshaft“ im Gefängnis von Landsberg in seine Reiseschreibmaschine getippt hat. In drei Teilen möchte McGee Auszüge veröffentlichen. Auf die heute erscheinende Beilage mit dem Thema „Autobiografie“ folgen die Abschnitte „Propaganda“ und „Ideologie“. Das entspricht dem Aufbau von „Mein Kampf“, in dem Hitler versucht, seine „Weltanschauung“ zur zwingenden Folge eigenen Erlebens zu stilisieren. Es beginnt mit der Jugend in Braunau, an der „Grenze jener zwei deutschen Staaten, deren Wiedervereinigung mindestens uns Jüngeren als eine mit allen Mitteln durchzuführende Lebensaufgabe erscheint“ (Zitat aus der ungeschwärzten Version), leitet über zu den Jahren in Wien, wo er seine Wandlung zum glühenden Antisemiten in der Begegnung mit Juden bildhaft werden lässt – „Mir wurde bei dem Geruche dieser Kaftanträger später manchmal übel“ –, und endet mit dem Ersten Weltkrieg: „So, wie wohl für jeden Deutschen, begann nun auch für mich die unvergesslichste und größte Zeit meines irdischen Lebens.“

Die Hitler-Zitate werden kommentiert von Horst Pöttker, Journalistik-Professor in Dortmund und „Mitglied des Expertenteams von Zeitungszeugen“. Da ist viel Vorsicht zu spüren und Abwiegelung des vermeintlich gefährlichen Texts. So, wenn Pöttker zum Beweis des abgeebbten Antisemitismus in der „multiethnischen Gesellschaft“ Deutschlands anführt, dass „der Bundespräsident als ihr politischer Repräsentant von der christlich-jüdischen Tradition des Abendlandes spricht“. Pöttkers blau hinterlegte Sätze sind weniger Erläuterungen, die Hitlers Wortgirlanden einordnen, als Gebrauchsanweisungen zum rechten Lesen.

Derlei hat eine aufgeklärte Gesellschaft, wie Benz andeutet, nicht nötig. Was indessen dringend benötigt wird, ist eine historisch-kritische Neuausgabe, die das renommierte Münchner Institut für Zeitgeschichte seit langem ankündigt. Mit dem erhofften Erscheinungstermin vor Ablauf des Urheberrechts am 31. Dezember 2015 wird es nichts werden, dagegen spricht, wie der damalige Institutsdirektor Horst Möller 2009 sagte, dass „wissenschaftliche Editionen nun einmal teuer sind“ – und zeitaufwendig. Möller verwies darauf, dass offizielle Stellen der Bundesrepublik wie das Außenministerium vor einer Edition abgeraten hätten – aus Furcht vor Reaktionen im Ausland.

Eine andere Frage ist, ob eine solche sorgfältig kommentierte Ausgabe den breite(re)n Leserkreis erreicht, wie ihn Verleger McGee im Auge hat, ebenso wie all diejenigen Magazine, die sich ab Januar 2016 in Teilabdrucken überbieten werden. Man mag es, wie viele Kommentatoren in den vergangenen Tagen, als ekelhafte Geschäftemacherei brandmarken. Die Ursache für die zweifellos vorhandene Nachfrage liegt jedoch im Reiz des Verbotenen: Hitler sells, und mit Verbotsdrohung nur noch besser.

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