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Günter Struve

© dpa

Interview: "Günther Jauch wird kommen"

Kaum startet "Anne Will", träumt ARD-Programmdirektor Günter Struve vom nächsten Coup. Ein Tagesspiegel-Gespräch

Herr Struve, heute Abend fängt Anne Will mit „Anne Will“ an. Wird die Sendung ein Erfolg?

Ein großer Erfolg, dessen bin ich gewiss. Die Sendung läuft auf dem bestmöglichen Sendeplatz. Anne Wills Ausstrahlung wird ein Übriges tun.

Anne Will ist derartig mit Vorschusslorbeeren überschüttet worden, dass sie nur scheitern kann.

Ach, was denken Sie! Sie wird alle Erwartungen übertreffen.

Muss sie das nicht auch?

Anne Will muss gar nichts. Es gibt keinen Quotendruck, sie hat einen Vertrag über eine längere Zeit, sie muss nicht bangen, falls es mal ein Quotental zu durchschreiten gäbe. Sie bekommt die Ruhe, die es braucht, wenn eine Sendung dem Publikum neu vorgestellt wird.

Werden wir etwas Neues erleben?

Es gibt keinen Einstiegsfilm und kein Eingangsstatement, sondern es geht sofort in die Gesprächsrunde. Sie werden erklärende Einspielfilme nur sehen, wenn es das Thema erfordert. Und dann gibt es da noch das Sofa, auf dem Gäste Platz nehmen werden, die aus eigenem Erleben etwas zum Thema beitragen können. Auf etwas absolut Neues werden Sie also verzichten müssen. Aber die größte Attraktion ist ohnehin Anne Will selbst.

Welche Farbe hat denn das Sofa?

Das kann ich Ihnen leider nicht genau sagen. Ich bin nicht farbsicher. Dafür besitze ich eine ausgeprägte Hell-Dunkel-Sehfähigkeit. Sehr gut, wenn Sie auf See sind.

Wozu brauchen wir „Anne Will“? Nennen Sie uns bitte einen Grund, warum wir einschalten sollten!

Wenn Sie wissen wollen, was die Themen der Woche sein werden, dann sollten Sie „Anne Will“ einschalten. Es gibt am Sonntag ein Bedürfnis und ein Interesse, sich nach den Zerstreuungen des Wochenendes wieder mehr den Themen der Welt zu öffnen. Das ist am Freitag oder am Sonnabend anders. Wenn 3,5 Millionen Menschen „Anne Will“ einschalten, dann werde ich zufrieden sein.

Warum muss die ARD fast jeden ihrer Moderatoren zum Millionär machen?

Wenn Sie damit meinen, dass Moderatoren ihre eigenen Produktionsgesellschaften für ihre eigenen Sendungen gründen, dann hat das für die ARD durchaus auch Vorteile. Es hält Risiken von uns fern. Wenn uns diese Risiken abgenommen werden, dann hat das durchaus einen Bonus verdient. Wir dagegen können bei Vertragsende sagen, tschüss, das war’s. Es hat ja auch schon Fälle von gut bezahlten Moderatoren gegeben, die mit ihrer Sendung scheiterten und dann einen Offenbarungseid leisten mussten, weil sie keine Aufträge mehr bekamen. Sie sehen also, es gibt ein Risiko.

Wird „Anne Will“ das Schicksal von „Sabine Christiansen“ erleiden?

Welches Schicksal meinen Sie? Das, erfolgreich zu sein? Sabine Christiansen war eine perfekte Gastgeberin, sie hat sich gegen Konkurrenten wie Erich Böhme und Stefan Aust durchgesetzt, sie hat die Sendung zu einem großen Erfolg gemacht. Und sie hat den Verstand besessen, mit ihren Gästen zu reden, anstatt sie verbissen in die Ecke zu drängen. Das kann schließlich jeder. Aber es laufen zu lassen, das ist die hohe Kunst. Die Anne Will auch perfekt beherrscht. Und außerdem versteht sie es, Fragen so zu stellen, dass eine Sache auf den Punkt kommt.

Heute startet „Anne Will“, demnächst drängt auch noch Frank Plasbergs „Hart aber fair“ ins Erste. Ist die ARD nicht nahe an der Überdosis?

Wir sind ganz einfach die Mutigen. Wir versuchen es in der besten Primetime gleich zweimal die Woche mit politischem Talk. Das traut sich kein anderer Sender. Entschieden haben das die Intendanten der ARD. Und die Intendanten sind die Souveräne des ARD-Programms.

Werden die Damen und Herren Souveräne irgendwann die Kraft aufbringen, den Volksmusik-Tsunami zu stoppen?

Sie sind auch hier wieder völlig falsch informiert. Vor zehn Jahren gab es in der ARD ungleich mehr Volksmusik als heute, nämlich ungefähr doppelt so viel. Das geändert zu haben, zähle ich zu meinen wirklichen Lebensleistungen. Der Tsunami ist also längs vorbei. Ich verspreche Ihnen sogar, dass dieses Genre nicht wieder ausgebaut werden wird.

Wann kommt Günther Jauch, der verlorene Sohn, wieder nach Hause, zur ARD?

Er wird kommen, da bin ich mir sicher. Günther Jauch, der zu den glaubwürdigsten Journalisten unter den Fernsehjournalisten Deutschlands zählt, gehört ganz einfach zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und wenn er kommt, dann kommt er zur ARD, wohin sonst.

Wie steht es mit Ihnen? Wann tritt der ARD-Programm-Diktator Struve ab?

Ich halte es lieber mit gelenkter Demokratie. Das hat auch ganz gut geklappt. Mir ist jedenfalls in den über 15 Jahren, die ich Programmdirektor der ARD bin, nichts von gravierenden Menschenrechtsverletzungen bekannt geworden. Es gibt Menschen, die sagen, ich wäre ein Stalinist. Das ist natürlich völliger Quatsch. Wenn ich etwas bin, dann ein Patriarch.

Also: Wann treten Sie ab?

Sie werden’s sicher noch erleben.

Sie arbeiten bestimmt schon an Ihrer Biografie.

Nein, nein. All die schönen Gemeinheiten, die ich in meinen 22 Jahren bei der ARD erlebt habe, behalte ich lieber für mich. Tut mir wirklich leid für Sie.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

„Anne Will“, ARD, 21 Uhr 45

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