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Journalismus: Wer redet, zahlt – Medien dürfen nur eingeschränkt über RAF-Film berichten

Ein Vertrag zu Sondervorführungen des Films "Der Baader Meinhof Komplex", der von den Terroristen der Rote Armee Fraktion (RAF) handelt und am 25. September in die Kinos kommt, sorgt für Wirbel.

Es sind schon keine Allüren mehr, wenn Stars wie Kylie Minogue oder Robbie Williams von Presse, Funk und Fernsehen verlangen, während ihrer Konzerte nur beim ersten Lied Aufnahmen zu machen oder Interviews nur unter bestimmten Bedingungen zu veröffentlichen. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) warnt regelmäßig vor solchen Eingriffen in die Berichterstattungsfreiheit – doch jetzt liegt dem Verband ein Eingriff vor, den nach seiner Auffassung selbst noch kein Popstar gewagt habe: Es geht um eine vom Münchner Filmkonzern Constantin für morgen geplante Sondervorführungen des Films „Der Baader Meinhof Komplex“, der von den Terroristen der Rote Armee Fraktion (RAF) handelt und am 25. September in die Kinos kommt. Journalisten der „Süddeutschen Zeitung“ wollten an der Vorführung teilnehmen – doch hätten sie weder über den Inhalt mit Dritten wie Freunden, Ehepartnern oder Kollegen reden, noch vor dem 17. September darüber berichten dürfen.

So steht es in dem Vertrag, den die betreuende PR-Agentur Just Publicity den Journalisten vorab zugeschickt hat. Wer sich nicht daran halte, müsse eine Konventionalstrafe von 100 000 Euro zahlen – jeweils 50 000 Euro wären fällig für den Journalisten und das Medium.

„Dieser Vertrag ist ein herber Eingriff in die Grundregeln der Pressefreiheit“, sagt Andrian Kreye, „SZ“-Feuilletonchef. Seine Redaktion boykottiert die Vorführung und will auch vorab keine größeren Artikel zu dem Film veröffentlichen, der auf der Vorlage des gleichnamigen Buches von Ex-„Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust beruht. Eine geplante „SZ“-Magazin-Geschichte wurde abgeblasen.

Der Deutsche Journalistenverband forderte andere Blätter auf, dem Boykott der „SZ“ zu folgen. „Die Strafandrohung ist völlig inakzeptabel“, sagte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken.

Just Publicity und Constantin Film hingegen finden die Vorwürfe, die Pressefreiheit werde eingeschränkt, „absurd“. Solche Verträge seien in der Film- und Verlagsbranche üblich. Alles andere sei unfair Journalisten und Medien gegenüber, die den Film erst nach Fertigstellung sehen könnten. Aust stimmt zu. Bei solchen Verträgen gehe es auch darum, den „Respekt vor dem Urheberrecht zu bewahren“, sagte er. DJV und „SZ“ würden sich „künstlich aufregen“.

Tatsächlich werden Sperrfristen bei Filmrezensionen automatisch eingehalten, da sich Leser erst kurz vor dem Start über den Film informieren wollen. Aber das über den Inhalt eines Film nicht gesprochen oder er vorab nicht in Debatten aufgeriffen werden darf, „ist ein Versuch, historische Vorgänge im Vorfeld eines Films zu monopolisieren“, sagt Kreye.

Auch die „Zeit“, die wie der Tagesspiegel zur Verlagsgruppe Holtzbrinck gehört, bekam das zu spüren. Gerhart Baum (FDP), Ex-Innenminister, soll den Film für die „Zeit“ besprechen. Just Publicity wollte Baum aber erst keinen Zutritt zu einer Pressevorführung gewähren. Nun darf er doch kommen. 

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