zum Hauptinhalt
Vorsicht, Terror und Amokläufe. Gerade die Bilder zu den Attentaten in Nizza oder Würzburg in der „Tagesschau“ können von Kindern kaum verarbeitet werden.

© picture alliance / dpa

Kindernachrichten und der Terrror: Wieso? Weshalb? Warum?

Orlando, Nizza, Würzburg: Wie das Kinderfernsehen mit den schlechten Nachrichten dieser Tage umgeht. Manchmal kann das mit dem behutsamen, verständigen Darstellen auch nach hinten losgehen.

Der Massenmord von Nizza, die Attentate von Orlando, der misslungene Putsch in der Türkei, die Axt-Attacke in einem bayerischen Regionalzug – alles Ereignisse, die das Gefühl bestärken, die Welt sei aus den Fugen geraten. Vor allem Kinder tun sich schwer damit, diese Bilder und Nachrichten einzuordnen und zu verarbeiten.

Eine schwierige Aufgabe, nicht nur für Eltern, auch für das Kinderfernsehen. Es vergeht kaum ein Tag in der Kindernachrichtensendung „logo!“, an dem es nicht Erklärungsbedarf gibt: Wenn beispielsweise ein 17-Jähriger in einem Zug in Würzburg mehrere Menschen mit einer Axt angreift, verletzt, und wenn das offenbar etwas mit dieser Terrorgruppe „Islamischer Staat“ zu tun hat.

Harte Realität, die in die 20-Uhr-„Tagesschau“ gehört. Was davon darf im Kinderfernsehen gezeigt werden? Was besser nicht? Verschweigen hilft ja kaum. Selbst wer gar nicht danach sucht, stolpert im Alltag darüber, beim Zappen im Fernsehen, in sozialen Netzwerken oder zufällig bei Zeitungen am Kiosk. Fragen, die sich auch die „logo!“-Redaktion Tag um Tag neu stellen muss. „Unser Motto: Wir können über alles sprechen, aber nicht alles zeigen“, sagt „logo!“-Redaktionsleiter Markus Mörchen.

Gerade bei dem Anschlag mit der Axt im Zug in Würzburg wurde in der Redaktion extrem viel diskutiert: „Bringen wir das Thema oder nicht? Wir haben es gemacht, aber ohne detaillierte Tatbeschreibung, mit einem Erklärstück, wie es zu so einer Radikalisierung des Jugendlichen kommen konnte.“ Wichtig sei „logo!“ die Mischung aus harten und weicheren Nachrichten. Und: Man gehe immer mit einer positiven Nachricht aus der Sendung raus und gibt den Kindern damit das Gefühl: Egal, was passiert, man dürfe über andere Dinge trotzdem noch lachen.

Eine große Verantwortung. 260 000 Kinder zwischen drei und 13 schauen jeden Abend „logo!“ auf Kika (Super RTL, meistens Marktführer in Sachen Kinderfernsehen, hat so etwas nicht im Programm). Das Magazin ergänzt seine Berichterstattung online durch Erklär-Videos zum IS („So lockt die Terrorgruppe Jugendliche an“) und Tipps, wenn Nachrichten Angst machen („Fragt eure Eltern, was genau passiert ist und geht sicher, dass ihr die Nachrichten auch wirklich richtig verstanden habt, siehe Kasten).

Immer nur eine Frage, eine Antwort

Manchmal kann das mit dem behutsamen, verständigen Darstellen aber auch nach hinten losgehen, zum Beispiel in der „logo!“-Sendung zu den Terroranschlägen in Paris im November 2015. Dort wurde versucht, die Gründe für diesen und weitere Terroranschläge in Frankreich zu erklären.

Der Beitrag suggerierte, der Hass der Islamisten sei auf die französische Kolonialherrschaft zurückzuführen. Daher seien die Franzosen im Grunde selbst schuld an der Situation. Die tatsächlichen Hintergründe und Ursachen des Islamismus sowie die Ziele der islamistischen Attentäter wurden nicht weiter dargelegt. Der Beitrag wurde nach der Kritik aus der ZDF-Mediathek entfernt und sollte überarbeitet werden.

Für die Journalisten in der „logo!“-Redaktion ist das ein ständiges Korrektiv: Wie stelle ich Kindern und Jugendlichen Sachverhalte vereinfacht und behutsam dar, ohne in der sachlichen Richtigkeit abzurutschen? So soll in dem jeweiligen Erklärstück gerade auch zu einer härteren Nachricht immer nur eine Frage gestellt und beantwortet werden, zum Beispiel zum Thema IS, beziehungsweise Radikalisierung. Die „logo!“-Redaktion ist regelmäßig in Schulen, steht im Austausch mit der Zielgruppe, den Acht- bis Zwölfjährigen. „Die können schon gut mit dem umgehen, was wir bringen“, sagt Mörchen.

Den Kindernachrichten in diesen Tagen voller Schrecknisse stellt Medienpädagogin Maya Goetz ein gutes Zeugnis aus. „Die ,logo!’-Redaktion hat einen prima Job gemacht. Kinder brauchen Informationen zum Einordnen. Gut ist auch, dass ,logo!’ so einen Beitrag immer mit Hoffnung enden lässt.“ Für Kinder unnötig und überfordernd sind brutale Bilder, Töne, Schreie, die Angst machen, so Götz.

Kinder benötigen Informationen zum Einordnen

„Da könnte das Erwachsenenfernsehen mehr Rücksicht nehmen. In der Halbzeit des EM-Halbfinales Deutschland gegen Frankreich gab es ein ,heute-journal’. Dort brachte das ZDF für über 20 Sekunden das Handy-Video aus Minnesota mit dem verblutenden Freund auf dem Beifahrersitz. Keine gute Idee, wenn noch rund 1,5 Millionen fußballbegeisterte Kinder vorm Bildschirm sitzen.“

Dennoch bleibt festzuhalten: Kinder benötigen Informationen zum Einordnen und Medienkompetenz. Und dafür offenbar auch die Medien. Nach einer aktuellen Studie vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) zum Thema Flüchtlinge können diejenigen Grundschulkinder zwischen sechs und neun Jahren am häufigsten Wissensfragen beantworten, die sich aus der Zeitung informiert haben. Ihr folgen als Informationsquelle Radio und Fernsehen.

Erstaunlich: Am wenigsten richtig liegen Grundschulkinder, die sich über ihre Eltern informiert haben. Also „logo!“-Gucken statt Eltern fragen? Vielleicht sollten sich Eltern und Kinder am Samstagmorgen gemeinsam vor den Fernseher setzen. Da behandelt die ARD in der Sendung „neuneinhalb“ das Thema: „So viel Gewalt – Wie geht man mit schlechten Nachrichten um?“. Die Sendung wurde aufgrund der Ereignisse der vergangenen Woche in Nizza und in der Türkei ins Programm genommen.

„So viel Gewalt – Wie geht man mit schlechten Nachrichten um?“, Samstag, ARD, 8 Uhr 25. „logo!“, Kika, samstags bis donnerstags, 19 Uhr 50, freitags um 19 Uhr 25.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false