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© rbb Presse & Information

KRIMI: Schnitzelkönig ist tot

Der Berliner „Tatort“ spielt zwischen Schweinehälften und anderen Sauereien

Ein finsterer Keller. Nur durch einen Ventilator in der Wand fällt Licht herein. Ein älterer Mann, gefesselt und geknebelt auf einem Stuhl, gerät in Panik. Währenddessen versucht ein anderer sich in seiner Wohnung mit Tabletten das Leben zu nehmen. Auf einem Bildschirm laufen dazu Familienaufnahmen aus besseren Tagen. Folter, Verzweiflung, Selbstmord – all das geschieht in diesem „Tatort“, kaum dass der Vorspann vorbei ist. Der Film hat viel vor: ein ermordeter Berliner Schnitzelkönig, ausgebeutete rumänische Leiharbeiter, EU-Subventionsbetrug, Mafia, eine verlassene Ehefrau, ein Vater-Sohn-Konflikt und ein Gammelfleisch-Skandal. Und das sind nur die wichtigsten Handlungsstränge.

Der Seniorchef der Fleischerei Merklinger sitzt tot zwischen den Schweinehälften in seinem Kühlhaus. Wie es sich für einen Krimi gehört, finden die Kommissare Stark (Boris Aljinovic) und Ritter (Dominic Raacke) schnell eine Reihe von Menschen, die ein Mordmotiv haben könnten: Die Leiharbeiter, die seit Monaten ihre ohnehin kargen Löhne nicht bekommen haben, Sohn Maximilian (Lukas Gregorowicz), der gegen den Willen seines Vaters dubiose ukrainische Teilhaber in die Firma holen will, und seine verbitterte Witwe (Maren Kroymann), die für eine jüngere Geliebte verlassen wurde.

Als die Kommissare einer ersten Spur zu einem Subunternehmer (Ole Puppe) nachgehen, wird Ritter von hinten niedergeschlagen, so dass er den Rest des Falls im Krankenhaus verbringen muss. Den Schock, den sein Kollege davonträgt, weil er kurz um Ritters Leben bangt, spielt Boris Aljinovic sehr berührend. Das gibt dem Verhältnis der beiden einen Moment lang eine überraschende Tiefendimension, die jedoch schnell wieder verschwindet, wenn Ritter den albernen Schwerenöter im Krankenbett gibt.

All dies hält die Regie von Bodo Fürneisen („Mein Mann, der Trinker“) mit erstaunlich ruhiger Hand zusammen. Die Schauspieler laufen in diesem 20. Berlin-„Tatort“ mit Aljinovic/Raacke zur Hochform auf. Vor allem Maren Kroymann und Lukas Gregorowicz gelingt es, einen ganz eigenen Raum um sich herum zu schaffen. Ihre Charaktere zeigen einerseits die glatte Fassade des erfolgreichen Familienunternehmens und andererseits die Ängste und Verletzungen einer komplizierten Mutter-Sohn-Beziehung. Gregorowicz als fischiger Juniorchef ist dabei eine echte Entdeckung.

Koproduziert wurde der Film von der Berliner Filmfirma Teamworx („Der Mann aus der Pfalz“), das Drehbuch stammt von Christoph Silber und Thorsten Wettcke, die auch den ungewöhnlichen Undercover-Kommissar des Hamburger „Tatorts“ mitentwickelt haben. Mit „Schweinegeld“ haben sie einen soliden Krimi abgeliefert, der ein brisantes Thema in mehreren Facetten zeigt. „Je tiefer wir in die Materie eingedrungen sind, umso erschrockener waren wir, wie schamlos zum Teil nicht nur EU-Gelder erschlichen, sondern auch Konsumenten hinters Licht geführt werden“, sagt Thorsten Wettcke. „Das greift viel tiefer als die Standardfrage, was denn in der Wurst nun wirklich drin ist.“

Originell sind die Bilder, mit denen Kameramann Nicolai Kätsch die Geschichte erzählt: eine extreme Draufsicht auf die altmodischen Büros oder auf eine Umarmung von Mutter und Sohn, die Kälte der Schlachthofräume und die Enge in den Unterkünften der osteuropäischen Arbeiter. All dies sind sorgfältig komponierte Szenen, die in bewährter „Tatort“-Manier von der gesellschaftspolitischen Realität in diesem Deutschland erzählen. Simone Schellhammer

„Tatort: Schweinegeld“, 20 Uhr 15, ARD

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