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Medien: Lachen machen

Comedy ist Technik – und damit lernbar. Sagt Dirk Stiller und bietet Kurse an

Kursnummer MI201-031S, „Comedy- Writing. Einführung in die lustige Welt des Gag-Schreibens“. Ort: Volkshochschule Berlin-Mitte, keine Vorkenntnisse erforderlich, heißt es bei der Anmeldung. Nicht mal lustig muss man sein.

Ein paar Arbeitslose und Fortbildungswillige sind gekommen und beäugen sich, bloß nichts sagen, soll keiner denken, man will mit Witzigkeit angeben. Kursleiter Dirk Stiller redet erst mal über sich selbst. Er war bis 1998 Chefredakteur des Berliner Radios 104,6 RTL, hat Formate wie „Arno und die Morningcrew“ mit entwickelt. Von ihm soll man lernen können, wie man Comedy schreibt. Er macht Kurse an Medienakademien, für Sender – und zweimal im Jahr an der VHS.

Die Kursteilnehmer müssen je drei Sachen über sich erzählen, von denen eine gelogen ist, und die anderen raten, welche. Fast alle erwähnen Weltreisen, und immer wird die Lüge erkannt. Was sie lernen sollen: Abstand zu sich selbst. Das ist Profihaltung. So erträgt man, wenn man einen Witz macht und keiner lacht.

Stiller ist 35 Jahre alt, ein heller Typ mit Brille und Radiostimme. Er sagt: „Jeder kann Comedy lernen“, und sein bester Beweis ist er selbst. „Es ist ja nicht so, dass ich früher der Klassenclown war“, sagt er. Kaum einer aus der Schulzeit würde ihn für komisch halten. Aber darum gehe es nicht. Comedy ist Technik, und Technik kann man lernen.

Nächste Übung: lustige Vereinsnamen ausdenken. „Lauftreff Lahme Ente“, „FC Schienbein“. Jeder liest neun vor, rare Lacher. Die Neunerregel gegen die Schreibblockade. Wenn dir nichts einfällt, schreib einfach neun Sachen auf.

Stillers nächster Comedy-Kurs an der VHS startet Ende Mai, er ist fast ausgebucht, im vorangegangenen Dezemberkurs saßen knapp zehn Leute, fast alle, weil sie das Gagschreiben beruflich nutzen wollten. Stiller bestärkt sie darin. Man könne damit Geld verdienen – 100 Euro zahlt das Fernsehen pro gesendetem Witz – und Nachwuchs werde gebraucht. Die Deutschen hätten Humor und lachten gern, sagt er, es fehlten bloß Gagschreiber – eine breitere Basis.

Dann: lustige Namen ausdenken. Stifte huschen und kratzen übers Papier, Köpfe werden rot, peinlich unlustig, das Niedergeschriebene. Kann man „komisch“ wirklich lernen? Manche sagen nein. Aber denen sagt Stiller: Humor ist Kommunikation, und warum sollte der liebe Gott davon jemanden ausnehmen wollen?

Je länger er über Comedy redet, desto begeisterter ist er. Comedyschreiber, der schönste Beruf der Welt! Er ruft es fast und reckt die Arme in die Luft. Was gebe es Schöneres, als Menschen zum Lachen zu bringen? Sollen es doch alle versuchen!, ist sein Aufruf. „Umso komischer wird die Welt“, seine Hoffnung.

Was die Kursteilnehmer lernen: zum Beispiel den „Türklingeleffekt“. Eine Familie sitzt beim Essen, der Braten duftet, die Mutter sagt, Gott sei Dank ist Onkel John nicht da. Da klingelt es an der Tür. Die Mutter öffnet, und Onkel John kommt herein. Man kündigt etwas an und lässt das Gegenteil passieren. „Funktioniert immer“, sagt Stiller.

Oder der „Augenbraueneffekt“: Ein Pantomime sitzt in seiner Garderobe und schminkt sich. Dabei malt er die rechte Augenbraue höher als linke. Er will das korrigieren und malt die linke etwas höher, aber jetzt ist sie höher als die rechte, also malt er die rechte höher, so geht es immer weiter, über den ganzen Kopf, durch die Garderobe, in den Flur, auf die Straße. Man will einen Fehler beseitigen, macht dabei alles nur noch schlimmer, und die Leute lachen. Pointentechnik.

Und dann ist da die Prämissentechnik. Wie baut man eine Situation, in der Pointen prasseln? Mit der „Fish out of Water-Methode“, der Verpflanzung: Showgirl im Kloster, Manager im Urwald. Oder der Bodyswitch: Jung ist plötzlich alt, arm plötzlich reich oder umgekehrt.

Nach anderthalb Stunden haben die Kursteilnehmer mehrere Seiten Papier vollgeschrieben und eins kapiert: Comedy ist vor allem auch Arbeit.

Noch ist das deutsche Comedyzentrum Köln, wo es spezielle Schulen gibt und wo die Firma Brainpool sitzt, die Gags für Raab, die „Wochenshow“, „Stromberg“ und viele andere schreibt. Stiller will in Berlin ein Gegengewicht aufbauen. Dass es Bedarf gibt, merkt an den vielen Anfragen, die bei seiner Firma ankommen. Auch deshalb, sagt er, mache er diese VHS-Kurse, „zu Ramschpreisen“, als niedrigschwelliges Angebot. Wenn jetzt die Hartz-IV-Fälle auf der Suche nach einem neuen Job kommen – bitte sehr, hereinspaziert.

Von den Dezemberschülern hätten sich einige bereits als Gagschreiber selbstständig gemacht und Geld verdient, sagt Stiller. Genannt werden wollten sie aber nicht. Damit geheim bleibt, dass sie Anfänger sind. Nur lustig ist die Welt des Gagschreibens nicht.

Mehr Infos unter www.comedy-im-radio.de. Der VHS-Kurs „Comedy-Writing“ beginnt am 25. Mai in der Linienstraße 162 in Berlin-Mitte (sechs Abende, Preis: 49,10 Euro). Anmeldung unter Tel. 200 92 74 12

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