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Als „Fernsehabitur“ bezeichnet Mehmet Kurtulus seine Arbeit beim „Tatort“. Zum letzten Mal ist er als Ermittler Cenk Batu am 6. Mai im Ersten zu sehen. Foto: NDR

© NDR/Sandra Hoever

Letzter "Tatort" mit Cenk Batu: Schuss und Schluss

Mehmet Kurtulus stellt in Hamburg seinen letzten "Tatort" vor und erklärt, warum er als Ermittler Cenk Batu aufhört. Mit seinem Nachfolger will der NDR weiter auf Wagemut setzen.

Die Reaktionen vor knapp einem Jahr waren eindeutig. Sie reichten von „Bedauern“ bis zu „extremer Bestürzung“. Manche konnten es kaum fassen, dass Mehmet Kurtulus, der durch seine Figur des verdeckten Ermittlers Cenk Batu den „Tatort“ revolutioniert hat, die Krimireihe verlassen würde. Er wolle sich künftig „verstärkt internationalen Filmprojekten“ zuwenden. Um was genau es sich dabei handelt, mochte er auch am Mittwoch bei einer NDR-Pressekonferenz nicht verraten, bei der sein letzter „Tatort“ gezeigt wurde. „Ich werde weiterhin ein bisschen zwischen Berlin und Los Angeles pendeln“, sagte der 39-Jährige.

In L.A. lebt er mit Schauspielkollegin Désirée Nosbusch. Sowohl amerikanische als auch europäische Produktionen finde er interessant. 2009 war Kurtulus in dem deutsch-estnisch-finnisch-irischen Kinofilm „Vasha“ und 2010 in dem deutschen Science-fiction-Streifen „Transfer“ zu sehen. Im letzten Jahr spielte er den Othello im Stuttgarter Schauspielhaus und wirkte in der italienischen Filmproduktion „Buio“ mit. Dass er dafür dem Engagement beim preisgekrönten Hamburger „Tatort“ den Rücken kehrt, ist schwer zu verstehen.

„Ich brauche das Risiko und die Unsicherheit“, erklärt er. „Davon nährt sich meine Kreativität und es entsteht die Chance zur persönlichen Weiterentwicklung.“ Die Reaktion der Fans könne er andererseits verstehen. Auch er habe sehr viel Energie und Liebe in die „Tatort“-Dreharbeiten gesteckt. Es sei eine Art „Fernsehabitur“ als Schauspieler gewesen. „Aber ich bin ja nicht aus der Welt. Nicht ich bin gestorben, sondern die Figur des Cenk Batu.“ Ja, am Ende wird Cenk in der Hamburger Handelskammer erschossen. Bevor schließlich die Lichter ausgehen, haucht er seiner Freundin Gloria (Anna Bederke) noch zu: „Ich hätte geschossen“, was in diesem Zusammenhang eine große Liebeserklärung bedeutet.

In der Tat ist dieser „Tatort“ mit dem Titel „Die Ballade von Cenk und Valerie“ (Sendedatum: 6. Mai, ARD) in großen Teilen ein Liebesfilm. Gleich zu Anfang macht das Paar Urlaub auf Lanzarote. Gloria, die Cenk in der vorhergehenden Folge in einem Kleidergeschäft kennengelernt hat, bekommt kurz die Arbeit des Undercover-Agenten erklärt. Cenk neuester Job führt ihn als Assistenten zu einem jungen, durchgedrehten Aktientrader, um dort illegale Finanzgeschäfte aufzudecken. Doch dann wird Gloria entführt. Und Cenk erpresst, im Auftrag einer Profikillerin (Corinna Harfouch) den Bundeskanzler (Kai Wiesinger) umzubringen.

Matthias Glasner, der für Drehbuch und Regie verantwortlich zeichnet, hatte offensichtlich Spaß daran, bei dieser letzten Folge die Grenzen des Formats auszutesten und die Figuren ohne Netz und doppelten Boden loszuschicken: „Wir hatten frühzeitig beschlossen, dass wir Cenk sterben lassen wollten, und so war klar, dass ich die Geschichte nicht als Drama erzähle, bei dem vielleicht im letzten Moment die Rettung kommt, sondern als Tragödie mit der Bestimmung: Das ist eine Reise in den Abgrund.“

Das mit dem Abgrund übernimmt vor allem Corinna Harfouch. Ihre Valerie ist mit vier Jahren an einer Autobahnraststätte ausgesetzt worden, begann mit 19 eine Killerkarriere. Sie ist Autistin und hat ihren Sohn (Jonas Nay) in einer abgelegenen Waldhütte ohne Kontakt zu Menschen aufgezogen. All das bekommen die Zuschauer und später das Entführungsopfer genau erklärt. Dabei hätte es völlig gereicht, Corinna Harfouch bei ihrer grenzgängerischen Schauspielarbeit zuzuschauen. „Das war, glaube ich, der Gipfel von allem, was ich bislang spielen durfte“, sagt sie über den Film.

Außerdem gibt es noch eine Lektion in Sachen Börsenwahnsinn. Denn die Regierung hier will gegen den desaströsen Casinokapitalismus zu Felde ziehen. Die skrupellose Gang um den jungen Aktientrader, die den Wahnsinn gewissermaßen als Sport betreibt, ist allerdings so albern überzeichnet, dass sie schon wieder harmlos erscheint. Zum Showdown gibt es eine tolle Verfolgungsjagd durch die altehrwürdige Handelskammer, die eigentlich ein Hamburger Gerichtsgebäude ist. Und beim Faustkampf Mann gegen Mann kann Mehmet Kurtulus noch einmal seine körperlichste Seite zeigen.

Beim NDR bedauert man Kurtulus Weggang aufrichtig. Auch wenn der Hamburger „Tatort“ mit seinem ständig die Identitäten wechselnden Hauptdarsteller am unteren Ende der „Tatort“-Quotenhitparade rangiert habe, hätte man gerne weitergemacht, so Christian Granderath, Leiter der Abteilung Film, Familie und Serie. „Aber sicherlich werden wir auch mit dem neuen Darsteller, Til Schweiger, den Wagemut mit dem Format nicht verlieren.“

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