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Medien: Manga macht’s möglich

Nicht jeder Comic geht gut. Aber „MegaHiro“ hat 136 Prozent mehr Auflage, „Micky Maus“ verkauft halbe Million

Frühgeborene werden sich mit gemischten Gefühlen erinnern. Zwar gehörten Comics bereits in den 60er Jahren für manche Kids durchaus zum Standard der Freizeitgestaltung. Bei Eltern, Lehrern und anderen Autoritäten aber waren die bunten Bildergeschichten verpönt und galten gar als „Schundlektüre". Einen pädagogischen Nutzwert wollte Bessy, Batman und Co. damals niemand zugestehen. Heute ist das anders. Comics sind – vor allem auch im benachbarten Ausland (etwa in Belgien, wo Comics gar 65 Prozent des Buchexports ausmachen) – längst als neunte Kunst etabliert und im besten Fall auch noch als pädagogisch wertvoll anerkannt.

Eine Erkenntnis, die sich in Zeiten wirtschaftlicher Tristesse auch der Ehapa-Verlag zunutze gemacht hat. So konnten die Berliner beim jahrelang schwächelnden „Micky Maus Magazin“ nun schon zum vierten Mal hintereinander die verkaufte Auflage im Vergleich zum Vorjahr steigern, im ersten Quartal 2004 von 419 241 auf enorme 476 781 Exemplare. Erfolgreich war die Frischzellenkur, „weil wir neben den Comics ganz bewusst auch den redaktionellen Teil gestärkt haben", sagt Marion Egenberger. Nach Ansicht der Pressesprecherin für den Kiosk-Bereich bei Ehapa ist „die Micky Maus heute aktueller denn je, alle großen Ereignisse von Bundestagswahl bis Fußball-EM oder neue Harry Potter-Filme finden im Magazin statt." Egenberger sieht zudem in den im Stile der „Was ist Was"-Bücher illustrierten Reportagen im Heft, etwa über Naturkatastrophen, Feuerwehrmänner oder die sieben Weltwunder, einen nicht zu unterschätzenden Kaufanreiz. „Die Kids können nun auf dem Schulhof zu ihren Klassenkameraden sagen: Ich weiß etwas, das du nicht weißt, und das habe ich aus der Micky Maus!" Die „Verbindung von Bild und Wort" lässt Egenberger zudem daran glauben, dass die Lektüre der „Micky Maus“ positive Auswirkungen auf die Pisa-Studie haben könnte. „Text lesen aktiviert die linke Hirn-, Bilder sehen die rechte Hirnhälfte. Die Synchronisation der beiden Prozesse verlangt eine intellektuelle Leistung, die den Kindern später zugute kommt", sagt sie und liefert gleich noch den Beweis. „In allen Ländern, in denen traditionell Comics gelesen werden, also Benelux, Skandinavien, Frankreich oder Japan ist die Pisa-Studie weit positiver ausgefallen als hierzulande."

Auch im Buchhandels-Bereich des Verlages, der Ehapa Comic Collection, die mittlerweile in Köln angesiedelt ist, setzt man auf Bildung durch Comics. So hat man im vergangenen Herbst ein Japanisch-Lehrbuch, „Japanisch Mit Manga", auf der Grundlage der japanischen Comics mit so großem Erfolg publiziert, dass nun bereits die zweite Auflage vorliegt. „Zwar reden manche Verleger bereits vom Tod des Manga-Marktes, wir bei Ehapa aber können feststellen, dass sich die Steigerungsraten immer noch im zweistelligen Bereich bewegen", sagt Verlagsleiter Georg Tempel.

So bewegen sich Mangas noch immer zwischen 10 000 und 18 000 Stück und „einen Schlager wie ,Fullmoon Wo Sagashite’ der japanischen Künstlerin Arina Tanemura, verkaufen wir gar über 40 000 Mal", freut sich Tempel über die anhaltende Manga-Manie.

„Kleine Fische" mag man beim Panini-Verlag denken. Denn gleich mehr als vier Mal soviel, 164 090 Exemplare, hat Panini im ersten Quartal 2004 von „MegaHiro" verkauft, einem 14-tägigen Manga-Begleitmagazin zu den Manga-Zeichentrickfilmen bei RTL 2 und Tele 5. „Der Bedarf ist enorm", sagte Pressesprecher Steffen Volkmer gegenüber dem „Kress Report“. Denn Schwester-Produkte wie „MegaHiro Card-Master“ (Begleitmagazin zum Thema „Sammelkarten") hätten auch das Hauptheft beflügelt, freut sich Volkmer. „MegaHiro“ hält auch den Rekord im Blätterwald. Kein zweites Printprodukt konnte die verkaufte Auflage vom I. Quartal 2003 zum I. Quartal 2004 dermaßen steigern – um 136,3 Prozent!

Eine Freude, die auch Joachim Kaps teilen dürfte. Auch der ehemalige Verlagsleiter für den Bereich Comics beim Hamburger Carlsen Verlag vertraut darauf, dass der Manga-Markt längst noch nicht gesättigt ist. Kaps soll nun als Managing Director mit der Tokyopop GmbH, einer Tochter der amerikanischen Tokyopop K.K., die in den USA mit einem Marktanteil von über 50 Prozent der Marktführer ist, sogar einen weiteren Manga-Verlag in Deutschland etablieren. Gegenüber dem Online-Magazin „Comicgate" (www.comicgate.de) sagte er zu den Marktchancen: „Auf jedem Markt ist Platz für neue Produkte, wenn sie gut gemacht sind. Ich jedenfalls hoffe, dass Tokyopop zum spannendsten Comic-Verlag Deutschlands wird."

Auch Kaps ehemaliger Arbeitgeber, der Carlsen-Verlag, setzt nach wie vor im großen Stil auf die Schiene „Manga". Das traditionelle Comic-Programm mit franco-belgischen Klassikern wie „Spirou“ wurde dagegen in den letzten Jahren zurückgefahren.

Ein Kurs, der auch bei Ehapa in der Diskussion war. „Als ich den Buchhandels-Bereich Anfang 2003 übernommen habe, standen wir vor einer ähnlichen Entscheidung , denn der traditionelle Comic-Markt ist heute ein reiner Sammler-Markt", sagt Georg Tempel. „Hohe Auflagen sind hier, mit Ausnahme etwa eines neuen Asterix-Titels, nicht mehr realisierbar." Schließlich rang man sich bei Ehapa aber dazu durch, „ganz auf Hochwertigkeit zu setzen und Titel anzubieten, die eben nicht acht oder neun, sondern zehn, elf oder zwölf Euro kosten". Tempel gibt zu, „dass der Erfolg hier noch auf sich warten lässt", will aber dennoch „langen Atem zeigen und begonnene Reihen zumindest zu Ende bringen".

Längst bewiesen hat diesen langen Atem bei Ehapa Donald Duck. Der feiert zwar demnächst seinen 70. Geburtstag (was der Verlag mit einem prächtigen Sonderband würdigt), Altersschwäche oder gar Lebensmüdigkeit ist dem Pechvogel aus Entenhausen nicht anzumerken: Die Verkaufszahlen stimmen.

So gut sieht es aber nicht überall aus, nicht überall teilt man den Optimismus von Tempel oder Kaps. Stefan Huppert vom Medienservice Wuppertal, einem verlagsunabhängigen Vertrieb für etwa 15 mittelständische bis Klein-Verlage wie ComicPlus, Edition 52 oder Kult Editionen, bestätigt, „dass die gesamtwirtschaftliche Lage in unserem Fall deutlich auch auf den Comic-Markt durchschlägt und Verunsicherung hinterlässt." Zwischen 2000 und 5000 Stück pro Titel bringen die durch Medien-Service vertriebenen Verlage auf den Markt, die meist auf Klassiker, Fantasy- oder Independent-Comics setzen. „Wir bekommen diese Auflagen zwar noch immer verkauft“, sagt Huppert, „das Problem ist nur, dass es viel länger dauert als früher." Sorgen, die sie auf dem Planeten Manga (noch) nicht kennen.

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