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In Albaniens Hauptstadt Tirana wird nicht nur die Teilnahme an der Fußball-Europameisterschaft gefeiert

© dpa

MEDIALab: Albanischer Frühling

Stephan Russ-Mohl staunt über Medienvielfalt und Medienforschung in Albanien - wo 45 Prozent der Bevölkerung bei Facebook sind

Von allen einstmals sozialistischen Ländern Europas war Albanien am stärksten abgeschottet, nicht nur vom Westen, sondern auch von Jugoslawien und den Satelliten der Sowjetunion. Heute noch befindet sich das Land mit seinen knapp drei Millionen Einwohnern im Windschatten öffentlicher Wahrnehmung. Dabei hat sich aus den Hinterlassenschaften des paranoiden Diktators Enver Hodscha, die noch immer allerorten sichtbar sind, ein kunterbuntes Biotop entwickelt: die Tristesse einer armseligen, realsozialistischen Vergangenheit kontrastiert auf Schritt und Tritt (und kaum sonst wo in Osteuropa heftiger) mit dem wilden, bunten, oftmals auch schrillen Ornamenten des Frühkapitalismus, der sich seit Anfang der 90er Jahre vor allem in der pulsierenden Metropole Tirana entwickelt hat.

45 Prozent der Bevölkerung bei Facebook

Auch die Medienlandschaft des Kleinstaats ist in ihrer Vielfalt erstaunlich und faszinierend. Bemerkenswert sind nicht zuletzt die Versuche, ihren Besonderheiten wissenschaftlich auf die Spur zu kommen. Darum bemühen sich in oftmals gemeinsamer Anstrengung das Albanian Media Institute, ein NGO, deren umtriebiger Direktor Remzi Lani sich seit Jahren um die Aus-und Weiterbildung von Journalisten kümmert, und insbesondere Artan Fuga, Mark Marku, Rrapo Zguri an der Universität Tirana. Mit bescheidenen Mitteln sammeln die Forscher Daten zur Entwicklung der Online-Medien  und befassen sich mit der schubartigen Verbreitung der sozialen Netzwerke  in ihrem Land, in dem inzwischen 45 Prozent der Bevölkerung sich auf Facebook tummeln. Sie beschäftigen sich damit, wie sich religiöser Extremismus in albanischen Medien verbreitet und haben herausgefunden, dass es dafür auch in ihrem einstmals von erzwungenem Atheismus geprägten Land einen fruchtbaren Nährboden gibt. Oder auch damit, wie Albanien und seine Nachbarstaaten Bosnien-Herzegovina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien übereinander berichten.

Leuchtturm in einer zerrütteten Region

Albanien ist im Blick auf Medienvielfalt und Medienforschung ein Leuchtturm in einer noch immer zerrütteten Region, die sich schwer damit tut, ihren Weg nach EU-Europa zu finden. Bemerkenswert ist, dass das Albanian Media Institute oftmals seine Studien zweisprachig publiziert - finanziert von Einrichtungen wie der Friedrich Ebert-Stiftung oder der Soros Foundation, aber auch der US-Botschaft in Tirana, der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit oder der Austrian Development Cooperation.

Stephan Russ-Mohl

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