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"Merkur" in der "Zeit": Gott und Grande Dame

Die „Zeit“ erscheint erstmals mit „Merkur“-Beilage. Dass sich die Ansichten der beiden Blätter manchmal widersprechen, ist nicht ausgeschlossen, sondern sogar erwünscht.

Gleich in der ersten Ausgabe werden sie vom Papst angelächelt, die Leser des „Merkur“ dürften erleichtert sein: Die eher protestantisch geprägte Grande Dame von der Alster hat ihren Götterboten vom Rhein zwar ein wenig eingeschrumpft, nicht aber konvertiert.

Erstmals erscheint der frühere „Merkur“ an diesem Donnerstag als sechsseitige Beilage in der „Zeit“. Im September hatte die Deutsche Bischofskonferenz beschlossen, den „Merkur“ aufzugeben, den sie zuletzt mit 2,5 Millionen Euro jährlich bezuschusst hatte. Unter dem Titel „Christ & Welt“ lebt er jetzt als „Zeit“-Beilage weiter und wird an die rund 14 000 Abonnenten des bisherigen „Merkur“ ausgeliefert. Am Kiosk ist die Sonderausgabe nicht zu erhalten, Leser eines regulären „Zeit“-Abos können sie aber zum Aufpreis von jeweils 30 Cent pro Ausgabe erwerben.

Für die Sonderausgabe, die ans Ende der „Zeit“ beigefügt ist, wird das Titelblatt modifiziert. In der ersten Ausgabe ist beispielsweise ein „Zeit“-Leitartikel gegen einen Leitartikel von Michael Rutz, den ehemaligen „Merkur“-Chefredakteur, eingetauscht worden. Rutz ist für die Zeitung weiter als Autor tätig und schreibt am Donnerstag über die Schlichtung des Bahnprojekts Stuttgart 21, ein Porträtfoto von Rutz ist in den Text eingebaut – ein deutliches Signal gleich auf Seite eins, dass noch immer „Merkur“ drinsteckt, wo „Zeit“ draufsteht.

„Die Sicht des ,Rheinischen Merkurs’ auf die Welt ist einzigartig, wir wollen sie unbedingt erhalten“, sagt „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. Die ehemalige „Merkur“-Redaktion arbeitet weiter unabhängig von der Hamburger Redaktion in Bonn unter der Leitung von Christiane Florin, Patrik Schwarz von der „Zeit“ übernimmt die Koordination zwischen den ungleichen Blättern.

Schwerpunkte der Sonderbeilage sind die drei Bereiche Glaube, Geist und Gesellschaft. Diese Woche verteidigt Autor Alexander Kissler hier beispielsweise Papst Benedikt. Die Seiten drei und vier widmen sich als „Großaufnahme“ einem Thema wie aktuell mit einem Beitrag zur deutschen Islam-Angst. Unter dem Titel „Geistesgegenwart“ ist der Essay des alten „Merkur“ auf Seite fünf erhalten geblieben, die letzte Seite ist als Meinungs- und Kolumnenseite angelegt.

Dass die hier vertretenen Ansichten denen der „Zeit“ auch mal komplett widersprechen, sei nicht ausgeschlossen, sondern sogar erwünscht, sagt Christiane Florin: „,Merkur’ ist ein emanzipierter Mann.“ Das dürfte der Grande Dame gut gefallen. Sonja Pohlmann

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