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„Ich muss dir was sagen“: Bacher (Felix Klare) erzählt seiner Frau (Lisa Wagner), dass er einen Mann erschlagen hat.

© ARD

"Momentversagen" von Friedemann Fromm: Einmal falsch abgebogen

Ein Staatsanwalt erschlägt einen Junkie. Doch über Recht und Moral entscheidet in "Momentversagen" das Publikum.

Staatsanwalt Manuel Bacher (Felix Klare) beweist Zivilcourage, als er nachts im Park eine Frau schreien hört. Er geht nicht achtlos vorbei, sondern greift ein, reißt den Mann weg, der auf die Frau einschlägt. Das Problem ist nur, dass sich Bachers Mut mit Wut mischt. Wut vor allem auf sich selbst, weil er zuvor noch mit seiner attraktiven Kollegin Caroline von Studt (Julia Thurnau) im Bett war und sich von ihrem buchstäblich fesselnden Spiel überwältigen ließ. Auf den ersten Kontrollverlust folgt der zweite. Bacher schlägt mit einer zerbrochenen Flasche auf den Mann ein, auch dann noch, als sein Widersacher bereits am Boden liegt. Zwar schleppt sich der Mann weiter, doch die Polizei ruft der verheiratete Staatsanwalt nicht. Schließlich hat er auch sein Fremdgehen zu verbergen. So endet dieser schöne Tag, an dem Bacher zum Oberstaatsanwalt befördert wurde, mit einer Katastrophe. Denn Bachers Opfer, ein Junkie, wird später tot aufgefunden.

Regisseur Fromm treibt die Geschichte über die Krimi-Routine hinaus

Die Ausgangslage von „Momentversagen“ ist keine besonders neue, gewitzte Idee. Krimis erzählen gerne davon, wie unbescholtene Menschen, einmal falsch abgebogen, in größte Schlamassel geraten und zum Verbrecher werden. Aber Drehbuchautor Norbert Ehry und Regisseur Friedemann Fromm treiben die Geschichte über die Krimi-Routine hinaus. Vor allem dank zweier Frauenfiguren, die ins Spiel kommen und immer mehr das Heft in die Hand nehmen. Da wäre Joy (Lili Zahavi), eine junge Frau in abgerissenen Klamotten, die von Bachers Beteiligung am Verbrechen weiß. Außerdem sitzt ihr Freund als Verdächtiger in Haft. Bacher solle ihm helfen, fordert Joy. Doch eine simple Erpressung wird das nicht, sie gibt dem Staatsanwalt sogar das Brillenetui zurück, das er am Tatort verloren hatte. Was will sie wirklich?

Und dann wäre da noch Bachers Frau Leonie (Lisa Wagner), eine Stewardess. Sie ist zunächst nur Randfigur in der Geschichte und in dem neuen Haus, das sich das Paar gerade baut. Die Handwerker lärmen noch im Garten des schicken Eigenheims, die Bachers wirken noch ein bisschen fremd in der kühlen Designermöbel-Welt. Leonie fürchtet, dass sie sich finanziell übernommen haben. Doch die Gewissheit, endlich schwanger zu sein, beendet eine lange Geduldsprobe für das Paar. Große Freude, auch beim Gatten. Und ein wachsendes schlechtes Gewissen. Bacher gesteht Leonie, sie betrogen zu haben. Beim nächsten Gespräch erzählt er ihr auch noch, dass er in derselben Nacht einen Mann erschlagen hat.

Ein Wutausbruch und Gartenarbeit: "Dann sehen wir weiter"

Die Welt der Bachers scheint in dieser intensiven Szene, die Felix Klare und Lisa Wagner eindrucksvoll meistern, zu implodieren. Klare ist der niedergedrückte Mann, der sich tief hineingeritten hat ins Unheil und nicht mehr weiter weiß, Wagner die fassungslose Frau, die ihren Mann nicht mehr wiedererkennt. Nach einem Wutausbruch und Arbeit im langsam sprießenden Garten gibt ihre zurückgewonnene Coolness dem Film die nächste Wende: „Du erzählst mir jetzt, was passiert ist, und dann sehen wir weiter“, fordert Leonie ihren Mann auf.

Wagner findet es „langweilig“, wenn ihr Spiel dem Publikum keinen Raum für eigene Interpretationen lässt. Tatsächlich bleibt Leonie Bacher bis zum Schluss eine nicht vollständig zu entschlüsselnde Figur. Warum verzeiht sie ihrem Mann die Affäre? Wie aufrichtig ist ihr Verständnis für Joy, die immer aufdringlicher wird? Spannend bleibt „Momentversagen“ außerdem, weil Regisseur Fromm („Weißensee“, „Die Wölfe“) zwar in edler, kontrastreicher Optik mit HDR-Kameras („High Dynamic Range“) drehen ließ, aber nicht jedes Rätsel in diesem psychologisch ausgefeilten Drama auf Anhieb auflöst. Sogar im Finale überlässt er es dem Publikum, den richtigen Schluss zu ziehen. Und den Unterschied von Recht und Moral zu erkennen.

„Momentversagen“, ARD, Mittwoch, 20 Uhr 15

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