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Print lebt, allerdings nur im Zusammenspiel mit dem Internet. Die „Braunschweiger Zeitung“ hat als erste deutsche Regionalzeitung eine Paywall eingeführt. Foto: dapd

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Nach FR und FTD: Modell-Pflege

Die Zukunft der Printmedien: Weitere Zeitungen setzen auf Online-Bezahlschranken. In den USA werden andere Ideen erprobt.

Braunschweig ist größer als mancher denken mag. Im Großraum Braunschweig leben über eine Millionen Menschen und seit einigen Jahren gehört die niedersächsische Stadt zur Metropolenregion Hannover-Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg. Die Stadt hat eine lange zurückreichende Historie, und damit die „Braunschweiger Zeitung“ eine möglichst gute Zukunftsperspektive hat, hat der WAZ-Titel als erste Regionalzeitung nun für sein Onlineportal eine Bezahlschranke eingeführt. 15 Artikel können die Leser der Online-Ausgabe der „Braunschweiger Zeitung“ kostenlos lesen. Wer mehr will, muss ein Abo abschließen, das nach einer Schnupperphase immerhin 27,70 Euro monatlich kostet.

Nach den Schreckensmeldungen deutscher Zeitungen wie der inzwischen eingestellten „Financial Times Deutschland“ und der insolventen „Frankfurter Rundschau“ versucht die Branche nun, mit Optimismus nach vorne zu schauen. „Es war Zufall, dass diese Titel fast zeitgleich aufgeben mussten“, sagt Christoph Neuberger, Experte für Medienwandel an der Ludwig-Maximilian-Universität München. Überraschend sei es nicht gewesen, nur der vorläufige Tiefpunkt einer schleichenden Entwicklung.

2013 könnte nun das Jahr der Zuversicht werden. Und des Experimentierens. Grund zur Hoffnung bietet dabei paradoxerweise jenes Medium, dass für einige Probleme verantwortlich gemacht wird – das Internet. Wie viel unausgeschöpftes Potenzial für Verlage und Zeitungen im Internet liegt, zeigen die ersten Erfolgsmeldungen aus den USA. Vor gut anderthalb Jahren hat die „New York Times“ eine Bezahlschranke eingeführt. Zehn Artikel kann jeder Nutzer auf der Internetseite der NYT kostenlos anklicken. Ab dem elften wird der Nutzer zur Kasse gebeten, er muss ein Abo abschließen.

Dem Konzept wurde zu Beginn – gerade von Bloggern – wenig Erfolg vorausgesagt. Gut anderthalb Jahre später entpuppt sich die Paywall jedoch als gute Einnahmequelle. 91 Millionen US-Dollar hat die „New York Times“ durch die Paywall 2012 eingenommen. Das macht zwölf Prozent der Gesamteinnahmen durch Abonnements aus. Insgesamt liegen die Abo-Einnahmen der Zeitung bei gut 738 Millionen US-Dollar – zum ersten Mal liegen sie höher als die Einnahmen durch Anzeigen.

Eine Paywall könne nur dann funktionieren, wenn ein Großteil der Verlage mitmache, sagen Kritiker. In Osteuropa gibt es Beispiele dafür. In Slowenien, der Slowakei und zuletzt in Polen haben sich mehrere Verlage unter einer Paywall zusammengefunden. In Deutschland gibt so etwas noch nicht. „Das liegt an der heterogenen Verlagslandschaft, die eigentlich eine gute Sache ist“, sagt Neuberger. Zu viele verschiedene Zeitungen und Magazine, eine Einigung über eine gemeinsame Strategie: Fehlanzeige. Als erste überregionale Zeitung war die „Welt“ dem Vorbild der NYT gefolgt. Seit Mitte Dezember gibt es eine Paywall auf der Internetseite. Hier können Nutzer 20 Artikel pro Monat kostenlos anklicken. Drei verschiedene Abo-Pakete bietet der Springer-Verlag an, das teuerste liegt bei 14,99 Euro pro Monat, umfasst alle digitalen Inhalte und die „Welt am Sonntag“ in gedruckter Form. Etwas früher, im November letzten Jahres, hatte die „taz“ ihre Bezahlschranke eingeführt, wenngleich eher als Pay-Wahl. Bei der „taz“ bleibt es dem Nutzer überlassen, ob er zahlt. Bei jedem angeklickten Artikel erscheint ein Fenster, das zur Zahlung animiert. Klickt man auf „Nein, danke“, kann man den Artikel wie gewohnt kostenlos lesen.

Das Prinzip ist nicht ganz neu. Im Special-Interest-Sektor gab es zuvor schon Beispiele. Die Stiftung Warentest hat seit zwölf Jahren eine Paywall auf ihrer Internetseite test.de. Und die funktioniert. Nutzer können sich entweder eine Flatrate (monatlich sowie für ein Jahr) kaufen oder aber pro Test den Pay-per- Click-Preis von durchschnittlich zwei Euro bezahlen. Die Tests auf der Internetseite sind sicherlich qualitativ hochwertig. Qualitätsjournalismus – Hintergrundberichte, Reportagen, investigative Recherchen – muss sich anders präsentieren. Noch dazu steht eine Stiftung dahinter. Gerade Stiftungen könnten für die Zukunft des Qualitätsjournalismus eine wichtige Rolle spielen. Auch hier lohnt der Blick in die USA. 2007 wurde in New York ProPublica ins Leben gerufen. Von zwei kalifornischen Immobilienmilliardären gegründet, ist die Non-Profit-Organisation so etwas wie eine Redaktion ohne Zeitung. 32 festangestellte Mitarbeiter recherchieren und bieten ihre Ergebnisse einer Redaktion exklusiv und kostenlos an. Im Anschluss haben alle Medienhäuser unter der Creative-Common-Lizenz Zugriff auf die Rechercheergebnisse.

Die Reportage „Deadly Choices at Memorial“ rekonstruierte, wie sich Ärzte im Chaos nach dem Hurrikan Katrina verhielten. Einigen Patienten wurden tödliche Injektionen verabreicht – weil die Ärzte fürchteten, die Patienten würden aus Mangel an Evakuierungsmöglichkeiten einen noch schlimmeren Tod erleiden. 2010 wurde die Pro-Publica-Reportage von mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet – die höchste Auszeichnung für Qualitätsjournalismus in den USA.

Förderungen gibt es in einzelnen europäischen Ländern auch von anderer Seite: durch den Staat. In Österreich etwa gibt es einen Fond zur Förderung von Zeitschriften mit politischer, kultureller oder weltanschaulicher Schwerpunktsetzung. Die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik im Rahmen der Parteienfinanzierung aus Bundesmitteln ist gesetzlich verankert.

Auch für freie Journalisten, die besonders von der Zeitungskrise betroffen sind, gibt es neue Hoffnungsschimmer. blog.krautreporter.de heißt eine neue Internetseite, die freien Journalisten über Crowdfunding, also über Schwarm-Finanzierung, aufwendige Recherchen finanzieren will. Die Seite befindet sich noch in der Testversion. In den USA gibt es schon erfolgreiche Modelle dieser Art. „Das ist eine der spannendsten Entwicklungen auf dem Markt“, sagt Christoph Neuberger.

Die Macher von Krautreporter sehen sich als Pioniere. Und genau die braucht es. Ob mit staatlichen Mitteln, Stiftungen, Paywalls, Crowdfunding oder einem Mosaik aus allem.

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