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Der Moderator und sein Arbeitsplatz. Der Titel der neuen Literatursendung mit Wolfgang Herles stammt vom „blauen Sofa“, das bei Buchmessen Autorentreffpunkt ist. Herles kommt ohne Saalpublikum aus, trifft seine Gäste schon mal auf einem Gletscher. Foto: ZDF

© ZDF

Neue ZDF-Literatursendung: Stürmische Höhen

Wie Wolfgang Herles mit „Das blaue Sofa“ an Erfolge früherer ZDF-Literatursendungen anknüpfen will.

Wolfgang Herles sieht gut aus an diesem Dienstagvormittag, da er im ZDF-Hauptstadtstudio sitzt und die neue, von ihm moderierte Literatursendung „Das blaue Sofa“ vorstellt, die Nachfolgerin des Ende 2010 eingestellten Formats „Die Vorleser“. Braun gebrannt ist Herles, was vom Sommerurlaub herrühren mag. Vielleicht aber auch daher, dass er vor kurzem auf dem Hintertuxer Gletscher in Österreich den Schriftsteller Ilija Trojanow für seine Sendung interviewt hat. Von Trojanow erscheint dieser Tage der Roman „Eistau“, dessen Hauptfigur ein Gletscherforscher ist, der seinen Beruf an den Nagel hängt, weil ihm seine große Liebe, ein Gletscher, im Zuge der globalen Klimaerwärmung abhanden kommt.

Trojanows Roman ist eines von sechs Büchern, die in der „Das blaue Sofa“-Premierensendung am 16. September um 23 Uhr vorgestellt werden. Herles war nicht nur auf dem Gletscher, sondern auch am Starnberger See, um den hier wohnenden Schauspieler Josef Bierbichler über seinen Familien- und Generationenroman „Mittelreich“ auszufragen.

Zwei Gespräche „auf Augenhöhe“ soll es in der halbstündigen Literatursendung geben. Dafür rückt Herles mit dem blauen Sofa den Schriftstellern thematisch oder eben am Ort der Handlung der jeweiligen Bücher gewissermaßen auf die Pelle. Den Rest der Sendung will Herles mit Kurzrezensionen bestreiten, von unterwegs und draußen, ohne Publikum, weil er nicht auch noch „ein Saalpublikum unterhalten müssen“ will.

Gerade die geplanten Reisen, die Suche nach originellen Schauplätzen erinnern an Denis Schecks Sendung „Druckfrisch“ im Ersten. Aber Herles und der Redaktionsleiter der Kultur und Wissenschaft im ZDF, Peter Arens, glauben, dass ihre Sendung nicht so „regiebetont“, nicht so sehr „von der Optik regiert“ werde wie „Druckfrisch“. Sie setzen, wie Arens betont, „auf die analytische Kraft des Wortes, auf die konzentrierten Gespräche mit den Schriftstellern“. Herles ergänzt, dass eine Literatursendung immer „vom Format des Präsentators“ abhänge, und gibt dann eine seiner Visitenkarten ab: „Ich will Bücher präsentieren, die mich packen, die ich mit aufs Klo nehme, ins Bett, die mich zu spät zur Arbeit kommen lassen.“ Auch das Wort „Leidenschaft“ fällt, die Beteuerung, Verrisse sollen „aus vollster Seele“ kommen. Spätestens bei diesen Formulierungen wird offenbar, dass Herles ein Erbe antritt, das schwer wiegt. Und dass das ZDF noch immer von den Erfolgen des „Literarischen Quartetts“, mit Marcel Reich-Ranicki, Hellmuth Karasek und Sigrid Löffler in den Hauptrollen, und Elke Heidenreichs „Lesen!“ zehrt. Um nicht zu sagen: sich nach einer Wiederholung dieses Erfolges sehnt. Die an sich grundsoliden „Vorleser“ mit Ijoma Mangold und Amelie Fried stellte der Sender nach nur anderthalb Jahren Laufzeit wieder ein, aufgrund schlechter Quoten, wie gemutmaßt wurde. Aber auch, weil das Konzept der Sendung nicht aufgegangen war: „Es war sicher auch unser Fehler, dass wir auf eine Doppelmoderation gesetzt haben“, gab Programmdirektor Thomas Bellut seinerzeit zu Protokoll.

An diesem Vormittag im ZDF-Hauptstadtbüro zitieren die Verantwortlichen lieber die „Frankfurter Rundschau“, die nach der Absetzung schrieb, die „Vorleser“ seien zu wenig wild, zu zahm gewesen – und sie scheinen damit nicht nur ganz einverstanden zu sein, sondern gutes Mutes, dass Wolfgang Herles Abhilfe schaffen kann. 700 000 Zuschauer waren im Schnitt bei den „Vorlesern“ dabei, so Arens, „Druckfrisch“ habe 500 000, und er hoffe, dass Herles mit seiner Sendung vielleicht an der Million „kratzt“.

Deutlich aber wird bei dieser Präsentation, dass bei den ZDF-Verantwortlichen noch eine ganz andere Hoffnung mitschwingt: mit der Sendung im Gespräch anderer Medien zu sein, Bücher zu machen, den Buchmarkt zu beeinflussen. Viele Bücher, die im „Literarischen Quartett“ behandelt wurden, entwickelten sich zu Bestsellern, und erst recht die, die Elke Heidenreich im Verlauf ihrer halbstündigen Suada empfahl. Bei den „Vorlesern“ war das nicht mehr so. Kein Verlag brauchte sich mehr Sorgen zu machen, dass er nach dieser Sendung ein bestimmtes Buch nicht rechtzeitig in großer Auflage in den Handel bekam.

Ob Wolfgang Herles aber der richtige Mann dafür ist, einer Literatursendung nicht nur eine ordentliche Quote, sondern Strahlkraft über die Quote hinaus zu verschaffen? Grundsolide sind seine Interviews auf dem blauen Sofa, das es unter Herles’ elfjähriger, jetzt beendeter Ägide als „Aspekte“-Chef seit dem Jahr 2001 gibt. Halbjährlich kann man sich davon auf der Leipziger und der Frankfurter Buchmesse überzeugen. Und Herles, der sich als „leidenschaftlicher Leser und Büchermensch“ bezeichnet, ist selbst Autor von Sachbüchern und Romanen, zuletzt veröffentlichte er „Die Dirigentin“. Natürlich ärgert er sich über Verrisse, da weiß er, dass man als Autor ein „dickes Fell“ braucht.

Wenn er dann aber Bierbichlers Roman als „fulminantes Epos“ bezeichnet, ohne groß seine Stimme zu heben. Oder er sachlich darauf verweist, dass es bei ihm nicht um die Unterscheidung von U und E gehen solle, von unterhaltsamer und ernsthafter Literatur, sondern seine Sendung sich aus E und I zusammensetze: „Emotion und Information“. Dann weiß man, dass das mit Temperament und Leidenschaft so eine Sache ist, dass der 60-Jährige Wolfgang Herles in dieser Hinsicht noch zulegen kann. Und man fragt sich zudem, warum es bei dieser Präsentation so gar nicht um I und W ging: Intelligenz und Witz?

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