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„Freuen Sie sich sich, mich wiederzusehen?“ Wladimir Putin (li.) und Oliver Stone haben sich über einen Zeitraum von fast zwei Jahren zu Interviews getroffen.

© Sky Deutschland

Oliver Stones "The Putin-Interviews" bei Sky: Die Wahrheit liegt nicht in der Mitte

In vier Teilen zeigt Sky Interviews von US-Regisseur Oliver Stone mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Privates, Unbekanntes jenseits der Klischees? Fehlanzeige.

Zwölf Mal fand Wladimir Putin Zeit für Interviews mit Oliver Stone. Zwölf Treffen zwischen Juli 2015 und Februar 2017, dann hatte der US-Regisseur genug Material für „The Putin-Interviews“ zusammen. Material, das andere für ein subtiles Porträt des russischen Präsidenten genutzt hätten – nicht so Oliver Stone. Der Regisseur, Drehbuchautor und Produzent, der sich mit Spielfilmen wie „JFK – Tatort Dallas“, „Nixon – Der Untergang eines Präsidenten“, "World Trade Center" oder zuletzt mit „Snowden“ als politischer Künstler verstand, verlässt hier die fiktionale Ebene und wird Journalist.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass nur auf dieser Basis Putin zur Zusammenarbeit bereit war: Du kannst fragen, was du willst, ich antworte, was ich will, und nur dieses Frage-und-Antwort-Spiel wird dann gezeigt. In jeder anderen (filmischen) Auflösung wäre ein anderes Ergebnis herausgekommen, beispielsweise, wenn Putins vage Antworten auf die russische Aggression in der Ukraine mit Bildern aus dem Kriegsgebiet unterfüttert worden wären.

So gibt sich ein anderes Bild: Putin pur, Stone pur. Der Regisseur zeigt sich animiert, aufgekratzt, er lacht, während der Politiker ein sehr dünnes Lächeln lächelt, er gibt den toughen, aber fairen Anführer, nachhaltig empört über jene hyperkritischen Westler, die sein Land, seine Politik und ihn selbst verleumden. Wladimir Putin sitzt Oliver Stone für ein Wort-Porträt gegenüber, dessen Konturen, dessen Grob- und Feinzeichnung Russlands Autokrat bestimmt.

Im Februar 2016 zum Beispiel fragt Stone sein Gegenüber im Witzelton, ob er in der US-Präsidentschaftswahl nicht einem Kandidaten schaden könnte, indem er ihn öffentlich unterstützen würde. Putins Replik: „Wir mischen uns niemals in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ein.“ Oliver Stone belässt es dabei, was schon die Anmerkung provoziert, ob hier ein Interviewer arbeitet oder ein stiller und zugleich ein naiver Bewunderer von Wladimir Putin.

Irregeleitete Freundlichkeit eines US-Amerikaners

Die vier Teile von „The Putin-Interviews“ fordern den Zuschauer heraus, Stones Fragen und Putins Antworten nach Plus und nach Minus zu ordnen und zu gewichten. Es formuliert sich der Eindruck, dass der US-Regisseur unwissentlich einen Preis für den Zugang zum russischen Präsidenten bezahlt hat. Nähe sucht Nähe, und in dieser Nähe wird die Kritik auf der Tonspur immer leiser. Also abtun als irregeleitete Freundlichkeit eines US-Amerikaners an einen eiskalt kalkulierenden Autokraten?

Das wäre Minimum zu kurz gesprungen. „The Putin-Interviews“ sind eine Einladung, eigene Gewissheiten erodieren oder wenigstens überprüfen zu lassen. Das müssen sie nicht, weil Stone selber an Erosion nicht interessiert ist. Also wie jetzt? Putin viel gut, Stone viel naiv, Putin viel böse, Stone noch immer viel naiv. Die Wahrheit liegt zwischen den Polen, in der Mitte liegt sie nicht.

So wandeln der Präsident und sein berühmter Fragesteller („Freuen Sie sich, mich wiederzusehen?“) in den ersten beiden der vier einstündigen Interviews durch den Thronsaal, sitzen im Garten, im Präsidenten-Flieger oder am Riesentisch im Kreml; Oliver Stone leicht vornübergebeugt, Dolmetscher neben sich am Ohr. Vorneweg im Intro zackige Bilder, zackige Musik im triefenden Rot. Eine Matrjoschka, der Kreml im Scherenschnitt, Soldaten im Stechschritt, Sowjet- und Russlandführer mit der Faust, eine Landkarte des eurasischen Reiches, über das sich das Profil seines fast seit 20 Jahren uneingeschränkten Herrschers legt.

Danach die Putin-Biografie im Abfragemodus: verletzter Vater im Vaterländischen Krieg, Putins wilde Jugendzeit in Hinterhöfen, sein Eintritt in den KGB, die Präsidentschaftszeit ab 2000 nach Jelzin („Ich musste ja Verantwortung übernehmen!“), das geliebte Judo, seine Disziplin, der russische Wirtschaftsaufschwung unter ihm, die Nato-Osterweiterung, die sich, so Putin enttäuschend, gegen Absprachen und Geist des Abzugs der Sowjettruppen nach dem Fall der Mauer richtet.

Aber die USA sollten sich nicht täuschen, Russland lasse sich nicht dominieren. Niemals. Allzu Privates, Unbekanntes, jenseits gängiger Klischees, wie es der Porträtierende verspricht? Hinweise auf schlechte Zeiten? Fehlanzeige. „Ich bin keine Frau, also habe ich keine schlechten Tage“, sagt Putin.

Sollte Oliver Stone mal keine Zeit für weitere Putin-Interviews haben, kann vielleicht sein Sohn Sean einspringen. Er ist beim Staatssender Russia Today seit 2015 für die Show "Watching the hawks" engagiert. Russia Today ist ein TV-Sprachrohr des Kremls.

„The Putin-Interviews“, ab Dienstag täglich eine Episode verfügbar auf Sky On Demand, Sky Go und Sky Ticket.

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