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Medien: „Onehundredandeighty“!

Darts, Snooker, Poker: Das Nischenfernsehen und die Randsportarten

Dicke, schwitzende Männer in Hawaiihemden, die Pfeile auf eine Wand werfen, dahinter eine grölende Zuschauermenge, zwischendrin die durch Mark und Bein gehende, grölende Stimme eines Schiedsrichters: „Onehundredandeighty!“ Wer in diesen Tagen öfters Deutsches Sport Fernsehen (DSF) schaut, stößt auf diese skurrile Szenerie. Statt Bundesligastorys über Oliver Kahn oder Motorsport seriöses Pfeilewerfen: Live-Übertragungen mit der englischen Darts-Ikone Phil Taylor. Randsportarten wie diese liegen im Trend. Mit Darts, Snooker oder auch Poker haben DSF und Eurosport in jüngster Zeit gute Quoten erzielt.

So gut, dass das DSF seinen auslaufenden Rechtevertrag zu diesen Sportarten bis Ende 2008 verlängert hat. „Wir erreichen in der Zielgruppe der Männer von 14 bis 49 Jahren 1,9 Prozent, das liegt deutlich über Senderschnitt“, sagt DSF-Sprecher Fabian Schiffer. Durchschnittlich sehen rund 220 000 Fans zu, wenn Phil Taylor die 180 wirft, die höchstmögliche Punktzahl bei einem Darts-Durchgang. Und das nicht nur zu fußball-bundesligalosen Zeiten wie in der Winterpause, wo sich Sportgucker ausgehungert auf jede noch so bewegungsarme Disziplin im Fernsehen stürzen. Das Angebot werde ganzjährlich ausgebaut, so Schiffer.

Durch TV-Berichterstattung gerät auch die Nischensportart Snooker ins Rampenlicht. Das Spielprinzip dieser Billardvariante besteht darin, 15 rote und sechs andersfarbige Bälle mit dem weißen Spielball nach bestimmten Regeln in die Taschen zu versenken. Vereine sollen nach TV-Berichten eine wahre Flut an Neuanmeldungen erhalten haben. Seit 2003 habe sich die Anzahl der Klubs, in denen Snooker gespielt wird, auf 420 fast verdoppelt. 2003 war Eurosport mit der Berichterstattung über die Snooker-Weltmeisterschaft eingestiegen. Am Oster-Wochenende startete in Sheffield die Snooker-WM. BBC und Eurosport übertragen zwei Wochen lang jeden Abend mehrere Stunden live, in epischer Breite. „Mit in der Spitze bis zu einer Million Zuschauer, wie beim WM-Endspiel 2004“, sagt Eurosport-Sprecher Werner Starz. Zum Vergleich: Der Zuschauerschnitt bei Eurosport liegt bei 150 000.

Beliebt sind Darts, Snooker und Poker gleichermaßen, in Sachen Kleiderordnung und TV-Inszenierung gibt es Unterschiede. Snooker-Champ Murphy betreibt seinen Sport in Fliege und weißem Hemd. Pokern betreibt da recht bunte Blüten. Zurzeit läuft die World-Poker-Serie im DSF. Man sieht am Kartentisch sitzen: Menschen mit Sonnenbrillen, Hawaiihemden, Siegelringen oder Brillanten im Ohr. Großes Kino, wie in „Cincinnati Kid“ mit Steve McQueen. Sportreporter rücken doppelt an, um diese Spannung via Bildschirm zu vermitteln. Die Herzschläge der Spieler werden ebenso raffiniert auf dem Bildschirm übertragen wie die Pokerkarten, mithilfe einer Tischkamera. Blümelnd die Sprache der Pokersportreporter. „Er hat ein ziemliches Gemüse in der Hand.“ Heißt: Die Karten sind Mist. Mag sein, dass da Zockerklischees für die Kamera inszeniert werden. Der zweitbeste Spieler heißt Johnny Chan („der „Orientexpress“) und sieht auch so aus, ein Eurosport-Reporter tatsächlich Martin Pott („Gut, dass Johnny Cash kein Pokerspieler war“) und der beste Spieler Chris Moneymaker.

Trotz mancher Schmerbäuche durchaus telegene Sportarten also. „Für den Zuschauer haben Darts, Snooker oder Poker zum einen den Reiz des Neuen, stellen zum anderen aber auch einen guten Bezug zum Freizeitverhalten her“, sagt Fabian Schiffer. Dazu kommt, dass man im Gegensatz zum großen Fußball besonders nahe dabei sein kann, wie es Sportler von ganz unten nach oben schaffen, wie im Falle Phil Taylors oder des Snooker-Weltranglistenersten Ronny O’Sullivan. Stichwort Stallgeruch.

Wer weiß, wo das alles noch hinführt. In Großbritannien sind Snooker und Darts Fernsehsport für die Massen. Allein zwei Millionen Männer und Frauen spielen dort organisiert Darts. Englands Spieler streben den Olympia-Status für London 2012 an. Das geht aber nur, wenn Darts-Spieler wie der 170 Kilogramm schwere Ex-Weltmeister Andy Fordham von ihrer Gewohnheit Abstand nehmen, täglich 30 Pints Bier zu trinken, wie beim Kneipensport. Im DSF zumindest sieht man davon nichts.

Snooker-WM live, bis 2. Mai, Eurosport, ab 20 Uhr

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