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Kurdische Peschmerga im Nordirak.

© rtr

TV-Kritik "Hart aber fair": IS, Kurden und deutsche Waffen mittendrin

Deutschlands neue Rolle wollte Frank Plasberg angesichts der Krise im Irak mit seinen Gästen diskutieren. Claudia Roth wollte vor allem eine Strategie. Doch dann bekam Jakob Augstein fast Schnappatmung.

"Gottlose Psychopathen", "Betroffenheits-Pazifismus" und "Hurra-Humanismus". Urlaubszeit, die Politik-Talks hatten Sendepause. Klar, dass sich in dieser Plausch-freien Zeit wortgewaltige, aber leider oft inhaltslose Formulierungen wie in einer prallen Sommergewitter-Wolke ansammeln, um dann sintflutartig die ausgetrockneten Zuschauerseelen wieder zu befeuchten. In Frank Plasbergs erster "Hart aber fair"-Sendung nach der Sommerpause donnert es sozusagen Wort-Blitze ohne Ende vom Himmel.

Der Titel "Flagge zeigen und Waffen liefern – Deutschlands neue Rolle?" ist ziemlich allumfassend. Konkret geht es um Waffenlieferungen an die kurdischen Perschmerga-Milizen im Irak. Bis jetzt hat sich Deutschland mit Waffenverkäufen in Krisengebieten zurückgehalten. Am 1. September soll es im Bundestag darüber eine Beratung geben. Wenn es nach Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) geht, soll der Bundestag darüber sogar abstimmen.

Kriegswaffen - Made in Germany. Tabubruch oder nötige Hilfe beim Kampf gegen Terroristen? Die Gäste, der Bestseller-Autor Frank Schätzing, die Politiker Claudia Roth (B'90 / Grüne) und Elmar Brok (CDU) und die Journalisten Julian Reichelt (Bild.de) und Jakob Augstein (Freitag) sind sich da absolut nicht einig - gut für den Talk. Und sie argumentieren intellektuell ziemlich unterschiedlich - schlecht für den Talk. Oder ganz schlecht fürs Niveau der Sendung.

Ursula von der Leyen als Propaganda-Mittel?

Claudia Roth will keine Waffen, sie will eine Strategie. Das fordert sie laut und lauter. Voll erfüllt vom heiligen Zorn derer, die glauben, immer Recht zu haben. Nur wie könnte so eine Strategie aussehen? Und was macht man, wenn die Beteiligten von der Strategie gar nicht zu überzeugen sind? Darauf hat Claudia Roth leider keine Antwort. Sehr schnell geht’s vom konkreten Problem der Waffenlieferungen zur Debatte darüber, ob Krieg oder Gewalt überhaupt die richtigen Mittel sind, Konflikte zu lösen.

Frank Schätzing, der nicht nur intelligent schreiben, sondern auch intelligent argumentieren kann, bringt ein gutes Beispiel. Wenn in einem Problemstadtteil fünf Schlägertypen jemanden bedrohten, sollte man zuerst dem Opfer helfen und nicht ewig über die sozialen Probleme im Viertel und deren Lösung diskutieren. Dieses Beispiel bewirkt bei Jakob Augstein fast Schnappatmung. Der Spiegel-Kolumnist fühlt sich an das konstruierte Totschlag-Beispiel der Wehrdienstverweigerungen erinnert. Gebraucht man das Maschinengewehr, wenn fünf Russen die Freundin bedrohen?

Augstein ist oft ein kluger Gesprächsteilnehmer. Aber auch kluge Köpfe haben schlechte Tage. Er verrennt sich in abstruse Beispiele und verwirrte Argumentations-Ketten. Den Gipfel erreicht er, als er das Photo von Ursula von der Leyen – die Verteidigungsministerin mit Jeansjacke, düsterer Wolkenhimmel und Bundeswehr-Transportflugzeug im Hintergrund - zum staatlich verordneten Propaganda - und Wehrertüchtigungsmittel hochjubelt.

Der Rest der Sendung - Brigitte Büscher und die Zuschauermeinungen. Laut einer aktuellen Umfrage lehnen 63 Prozent der Befragten Waffenlieferungen ab, nur 30 Prozent sind dafür. Sollte es zur Abstimmung im Bundestag kommen, haben die Abgeordneten einen schweren Stand. Dann sind Entscheidungen gefragt und keine ergebnislosen Plauder-Kaskaden.

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