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Was darf der Autor schreiben, was nicht?  Eine neue Serie über den Nazi-Diktator will andere Akzente setzen. Dafür soll auch die jüdische Gemeinde befragt werden.

© Ufa Fiction/Beta

TV-Serie über Hitler: Bloß keine Empathie

Was passiert, wenn an den Büchern etwas Evidentes kritisiert wird? Ufa Fiction hält an einer Serie über Hitler fest und überrascht mit einer ungewöhnlichen Maßnahme.

Hitler. Wieder einmal. Sobald der Name des Nazi-Diktators im Zusammenhang mit Film- und TV-Projekten steht, kommt, gelinde gesagt, Nervosität auf, zuletzt beim Kinofilm „Er ist wieder da“. Dort wachte Hitler im Jahre 2014, 69 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, bei bester Gesundheit in Berlin auf. Solchen Schmonzes hat die Produktionsfirma Ufa Fiction mit der geplanten Fernsehserie über Adolf Hitler, die auf RTL laufen soll, nicht vor. Bei dem Großprojekt überrascht etwas anderes: Die Drehbücher für diese Serie sollen auch jüdischen Gemeinden vorgelegt werden.

Das irritiert und wirft Fragen auf. Doch der Reihe nach. „Es ist eine wahnsinnig schwierige Arbeit geworden. Ich war fünf oder sechs Mal kurz davor, zu sagen: ,Wir lassen es‘“, sagte Nico Hofmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ufa Fiction und Co-CEO der Ufa, vor ein paar Wochen in Berlin. Mittlerweile seien die Drehbücher auf ein Niveau gekommen, wo man sagen müsse, man müsse sie machen. Ufa Fiction mit den Produzenten Joachim Kosack und Benjamin Benedict plant seit Längerem eine TV-Serie über den Nazi-Diktator.

Konkrete Gespräche zur Umsetzung wurden mit RTL geführt. Mit der Drehbuchentwicklung bisher sei man sehr zufrieden, heißt es bei RTL. „Sobald sie abgeschlossen ist und erforderliche Eckdaten feststehen, werden wir entscheiden, ob wir in Produktion gehen.“ Ein Thema wie dieses erfordere besondere Sorgfalt, da es nah an der historischen Wahrheit erzählt werden müsse.

Die einzigen überzeugten Judenhasser im Film

So weit, so gut. Die Frage ist nur, wie das Ganze abgeschlossen wird, wenn die Drehbuchentwicklung, beziehungsweise -abnahme längere Wege geht. Die Autoren des Acht-Stunden-Formats sind die renommierten Niki Stein und Hark Bohm. Nico Hofmann, der auch das Kriegsdrama „Unsere Mütter, unsere Väter“ produzierte, hatte die fiktionale Hitler-Serie im Oktober 2012 angekündigt. Ein Jahr später lief „Unsere Mütter, unsere Väter“ im ZDF.

Die erfolgreiche Ufa-Fiction-Produktion über die Erlebnisse von fünf Freunden, darunter deutsche Soldaten, im Zweiten Weltkrieg hatte sich im Nachhinein heftige Vorwürfe von polnischer Seite aus gefallen lassen müssen. Der Film betreibe Geschichtsklitterung. Die Polen, sowohl Partisanen als auch Zivilbevölkerung, würden einseitig als provinziell, primitiv und als die einzigen überzeugten Judenhasser im Film gezeigt.

Befindlichkeiten, die man vorher hätte besser abklopfen sollen? Bei der Hitler-Serie soll jede Folge ein Kapitel vom Aufstieg Hitlers beleuchten, vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zu Holocaust und Zweiten Weltkrieg, unter besonderer Berücksichtigung der Beziehung Hitlers zu Hugo Gutmann (im Ersten Weltkrieg Vorgesetzter des Gefreiten Adolf Hitler), Karl Mayr (rekrutierte Hitler als V-Mann, gilt als einer von dessen politischen „Geburtshelfern“) und Fritz Wiedemann (deutscher Offizier und seit 1935 Adjutant Hitlers).

Viel mehr ist noch nicht bekannt. Das Projekt könne man moralisch verantworten, sagt Nico Hofmann. Die fertigen Drehbücher sollten auch jüdischen Gemeinden gezeigt werden. „Es ist ganz entscheidend, dass wir die Bücher vor den Dreharbeiten sowohl bei den Historikern als auch bei den Gemeinden offenlegen.“

Die Hitler-Serie dürfte auch ein Millionenpublikum haben

Branchenintern wird das Vorgehen diskutiert. Was passiert, wenn an den Büchern zur Hitler-Serie etwas Evidentes kritisiert wird? Frisch in Erinnerung sind da auch die Wirren um ein Dokudrama zu Hannelore Kohl, ebenfalls von Ufa Fiction, für das Kohl-Sohn Peter mit ins Boot geholt wurde. Der Film wurde nicht verwirklicht. Im Juli 2015 erklärte dazu Christian Granderath, Leiter der NDR-Fiction: „Die Arbeit an dem Dokudrama über das außergewöhnliche Leben von Hannelore Kohl können wir (...) nicht fortführen, da mit ihrem Sohn Peter Kohl keine einheitliche Sichtweise auf die Anlage der Hauptfigur gefunden werden konnte.“

Nico Hofmann bedauerte diese Entwicklung sehr. Darüber hinaus möchte er bei dem Versprechen bleiben, das er zu Beginn der Zusammenarbeit gegenüber Peter Kohl gegeben habe, „dass wir einen solchen Film nur in Produktion bringen, wenn sich nach langjähriger Zusammenarbeit bei dem Projekt ein deckungsgleiches Persönlichkeitsbild erschließt, das wir einem Millionenpublikum vorstellen wollen“.

Die Hitler-Serie dürfte auch ein Millionenpublikum haben. Aber muss dem eine Art Einigung, oder besser gesagt Selbstvergewisserung mit jüdischen Gemeinden vorausgehen, was die Güte der Drehbücher betrifft? Bei Autobiografien, die künstlerisch verfilmt werden, sei das Vorgehen vielleicht legitim, das fertige Drehbuch von den Urhebern der Autobiografie absegnen zu lassen, wenn sich die dieses Recht ausbedungen hätten, sagt ein Drehbuchautor. Bei Biografien, wie jetzt offenbar der Hitlers, sollte einem Drehbuchautor aber die freie Interpretation möglich sein. Klar gehe man da als Autor auch mal Risiken ein, wie Klaus Mann mit Gustaf Gründgens als höfischem Nazi-Opportunisten Hendrik Höfgen im Roman „Mephisto“.

Die Gemeinde hat auf Nachfrage nicht geantwortet

Der Historiker Thomas Weber („Hitlers erster Krieg: Der Gefreite Hitler im Weltkrieg – Mythos und Wahrheit“) begleitet das Ufa-Fiction-Projekt und sieht das naturgemäß anders: „Ich kann den Impetus der Produzenten bei dem sensiblen Thema gut verstehen. Das Angebot, die Drehbücher der jüdischen Gemeinde vorzulegen, erfordert von allen Seiten verantwortungsvolles Handeln.“ Normalerweise werde Hitler durch die Interaktionen mit Nazi-Größen wie Himmler oder Goebbels erzählt, erklärt. „Uns geht es darum, andere Akzente zu setzen, insbesondere durch den Fokus auf die verschiedenen Interaktionen Hitlers mit Hugo Gutmann, Karl Mayr und Fritz Wiedemann.“

Ob und wie die jüdische Gemeinde in Berlin diese anderen Akzente bewertet, ist offen. Die Gemeinde hat auf Nachfrage nicht geantwortet. Das Projekt sei bekannt, „allerdings waren wir bisher nicht näher damit befasst. Solange Details des Projekts beziehungsweise ein Drehbuch nicht vorliegen, möchten wir uns zu dem Projekt nicht weiter äußern“, heißt es beim Zentralrat der Juden. Nur so viel: Es sei nicht ganz ungewöhnlich, dass dem Zentralrat Exposés vorgelegt werden.

Dennoch, das Vorgehen bei der Hitler-Serie erstaunt. Es gehe Ufa Fiction um größtmögliche Transparenz der Dialektik dieses Projekts, auch selbstverständlich gegenüber der Jüdischen Gemeinde, schiebt Nico Hofmann ein paar Tage nach der Tagesspiegel-Anfrage zu dem Thema ergänzend nach. Hitlers Verführungsmechanismen sollten aufgespürt werden, es gehe nicht um eine falsche Emotionalisierung Hitlers oder gar Empathisierung.

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