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Medien: „Verkauft uns nicht für domm“

Internet-Nutzer wehren sich gegen NPD-Nachrichtensendung auf YouTube

Zu fast jeder Demonstration gibt es eine Gegendemonstration. Sowohl auf der Straße als auch im Internet. Dieses Mal haben die Gegendemonstranten gewonnen. Sie ließen vorerst den Versuch der hessischen NPD scheitern, die mit einer von Landeschef Marcel Wöll moderierten Nachrichtensendung Werbung für ihr rechtsextremes Gedankengut im Internet machen wollte. Die Kritik zeigte Wirkung, die amerikanische Video-Community YouTube nahm die beiden NPD-Videos mit dem Titel „Die Woche“ kurzerhand aus dem Netz. Wer dort jetzt „Die Woche“ oder „NPD“ eintippt, bekommt nun beispielsweise den ironischen Protestfilm eines Nutzers namens „waverbc“ zu sehen: „Die Woche, die hat sieben Tage/wir wollen keine braune Plage/Nicht in Sachsen, nicht in Meck-Pomm/verkauft uns bitte nicht für domm“, heißt es in dem Film. Ein anderer Nutzer hat ein altes Anti-Rechts-Video reaktiviert. Neonazis werden darin mit ausgestrecktem rechtem Arm als menschliche Wäscheständer dargestellt oder als Leute, die wegen des Hitler-Grußes nicht mehr in den Fahrstuhl passen. Wie bei E-Mails üblich hat dieser Nutzer seinen Beitrag „Re: Die Woche …“ genannt.

„Da wurde massiv Druck auf YouTube ausgeübt“, glaubt NPD-Parteisprecher Klaus Beier, der als Beauftragter für die neuen Medien dennoch an seiner Internetoffensive festhalten will. „Das Internet ist das effektivste und kostengünstigste Medium, da wollen wir in allen Bereichen das Optimale herausholen. 2007 ist ein wahlkampffreies Jahr, dann werden wir das Thema Internet konsequent angehen“, kündigt der NPD-Medienmann an.

Die Pläne für die Wochenschau stehen dabei im Mittelpunkt. „Die Jugend wird immer lesefauler, mit bewegten Bildern ist sie am besten zu erreichen“, sagt der Parteisprecher. Wichtig sei, dass es eine regelmäßige Sendung ist. Eine Sendung, die diesen Rechtsextremen helfen soll, nach Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern noch in andere Landesparlamente einzuziehen. Sogar das „Tagesthemen“Modell mit zwei wechselnden Moderatoren sei denkbar. „Ich kann mir vorstellen, dass Wöll die Sendung im Wechsel mit einer Sprecherin macht“, sagt Beier. Auch die Landesverbände will Beier einbinden. Deren Videoteams sollen die Wochenschau mit regionalen Beiträgen versorgen. Zuerst vor allem auf den eigenen Internetseiten. „Es war nicht vorherzusagen, dass uns YouTube rausschmeißt, aber künftig werden wir zuerst den Kontakt zu den Video-Communities aufbauen, bevor wir einen Film reinstellen.“

Bei MyVideo.de dürfte er damit wenig Chancen haben. „Ein Anruf der NPD hätte bei uns keinen Erfolg“, sagte Christian Vollmann von der Berliner Agentur Magic Internet, die die größte deutsche Video-Gemeinschaft betreibt. Dass YouTube die beiden „Woche“-Sendungen so schnell vom Netz genommen hat, ist für ihn „der Beweis, dass die Selbstreinigungskräfte des Internets tatsächlich funktionieren“. „Das gilt nicht nur für illegale Auktionen auf Ebay, sondern genauso für Internet-Videos“, freut sich der Community-Chef. „Wir hatten bislang noch nichts mit religiöser oder politischer Radikalität zu tun. Von den 2000 Videos, die jeden Tag neu in unser System gestellt werden, müssen aber dennoch zwei oder drei gelöscht werden, zumeist wegen Erotik, aber auch wegen Gewalt.“ Vor allem die Nutzer sorgen dafür, dass dies funktioniert. „Das System arbeitet weitestgehend automatisch. Dennoch gibt es eine funktionierende Kontrolle. Jedes neue Video landet in einer speziellen Neuigkeitenliste. Verstößt ein Video gegen die Regeln oder das Empfinden der Nutzer, erhalten wir sehr schnell eine Meldung von der Community. Wir prüfen das dann und löschen es bei Bedarf“, erklärt Vollmann die Funktionsweise seiner Community. Dagegen wehren können sich die betroffenen Nutzer nicht. Es gilt das virtuelle Hausrecht. „Unser Service ist kostenlos, es existiert kein verbrieftes Recht zum Verbreiten der Videos“, so Vollmann.

Doch nicht nur die Internet-Gemeinschaft passt auf. Auch die Medienaufsicht kann tätig werden, wenn eine politische Partei eine Nachrichtensendung ins Netz stellt. „Wir sind durchaus auch für das Internet zuständig“, sagt die Sprecherin der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk (LPR), Annette Schriefers. Im konkreten Fall gibt es jedoch für das Amt keine Veranlassung, tätig zu werden. So wurden die NPD-Beiträge zwar offensichtlich in Hessen produziert, was auch aus dem Abspann hervorgeht. YouTube als Plattform sitzt jedoch in den USA. Zudem gebe es keinen Anfangsverdacht, dass die Sendungen extremistische Inhalte enthalten haben. „Richtig spannend wird es, wenn die NPD demnächst regelmäßig Nachrichtenvideos produziert und auf ihre deutsche Homepage stellt“, sagt ein LPR-Experte: „Dann muss sicherlich noch genauer hingesehen werden.“

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