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Undercover-Journalist Günter Wallraff weist alle Vorwürfe zurück.

© dpa

Wallraff unter Verdacht: Enthüllung oder Enttäuschung?

Gegen Günter Wallraff wird wegen Steuerhinterziehung ermittelt. Ein ehemaliger Mitarbeiter klagt den Undercover-Reporter an.

Es ist die Geschichte von einem Streit zwischen Deutschlands bekanntestem Enthüllungsjournalisten und einem ehemaligen Mitarbeiter, eine Geschichte, die von Wut und Enttäuschung handelt und die sich noch monatelang hinziehen könnte.

Fest steht bisher nur eins: Gegen Günter Wallraff laufen bei der Kölner Staatsanwaltschaft drei Ermittlungsverfahren. Geprüft wird der Verdacht des Vorenthaltens von Arbeitnehmerentgelt, Beihilfe zum Sozialleistungsbetrug und eine Strafanzeige wegen Prozessbetrugs. Das bestätigte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer am Montag. Nun muss geklärt werden, ob diese Vorwürfe tatsächlich berechtigt sind. Oder sind sie von Wallraffs ehemaligem Mitarbeiter womöglich nur erhoben worden, weil er sich ungerecht behandelt fühlt? Dass er endlich selbst einmal der große Enthüller sein wollte, nachdem er dem Enthüllungsjournalisten jahrelang zugearbeitet hatte, ohne an Ruhm und Ehre mitbeteiligt zu sein?

André Fahnemann, 34, ist der Mitarbeiter, auf dessen Aussagen die Ermittlungen basieren. Vier Jahre lang war er für Günter Wallraff tätig gewesen. Fahnemann sagt von sich, er habe keine Steuern gezahlt, nebenbei Arbeitslosengeld kassiert und sich deshalb beim Finanzamt Köln selbst angezeigt. Dazu wirft Fahnemann Wallraff vor, ihn zu schlechten Arbeitsbedingungen beschäftigt zu haben. Ebenfalls habe ihn Wallraff angehalten, Unterschriften im Prozess um eine Großbäckerei, in der Wallraff 2008 recherchiert hatte, zu fälschen.

Seitenlang führt Fahnemann diese Vorwürfe auf seiner Homepage aus. Er sei „nicht länger gewillt“, Wallraffs „Lügensystem weiter zu decken“, schreibt Fahnemann auf der Seite am Montag. Deshalb habe er sich „die letzten zwei Wochen täglich ein Mikro auf die Brust geklebt und wesentliche Gespräche mit Wallraff aufgezeichnet“, um „jeden Punkt, den er gerade öffentlich bestreitet“, mit Audioaufnahmen zu widerlegen.

Offenbar will Fahnemann Wallraff mit seinen eigenen Waffen schlagen. Doch sowohl der Eintrag als auch die Dateien sind inzwischen wieder gelöscht worden. Aufzeichnungen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes sind strafbar, gegen Fahnemann soll bereits Anzeige erstattet worden sein. Schon einmal saß Fahnemann im Gefängnis. Auf seiner Homepage berichtet er von seinen Jugendstrafen, von mehreren Suizidversuchen und dass bei ihm das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ADHS diagnostiziert wurde. Fahnemann selbst war für eine Stellungnahme am Montag nicht zu erreichen.

Wallraff hat die Anschuldigungen, die Fahnemann gegen ihn erhebt, bereits in einer früheren Stellungnahme bestritten. „Die Vorwürfe, ich hätte ihn ausgebeutet oder ausgenutzt, haben nichts mit der Realität zu tun.“ Und weiter: „Die Zuwendungen in bar geschahen auf seinen eigenen, ausdrücklichen Wunsch, da ihm das Geld sonst gepfändet worden wäre.“

Er habe Fahnemann eine Wohnung zur Verfügung gestellt und ihm angeboten, eine Lebensversicherung für ihn abzuschließen, „ihm eine zusätzliche Ausbildung zu finanzieren und ihn auch testamentarisch zu berücksichtigen, wie bereits bei früheren Mitarbeitern geschehen“. Wallraffs Anwalt Winfried Seibert unterstrich am Montag, dass Fahnemanns Vorwürfe „erfunden“ seien. Das werde nun die Staatsanwaltschaft klären, Wallraff arbeite mit den Ermittlern zusammen.

Doch die Vorwürfe von Fahnemann sind nicht die einzigen gegen Wallraff. Der Journalist Albrecht Kieser will laut „Spiegel“ Texte verfasst haben, die unter Wallraffs Namen abgedruckt wurden, unter anderem im „Zeit“-Magazin. Die „Zeit“ teilte allerdings mit, „keinen Zweifel“ daran zu haben, dass die abgedruckten Texte von Günter Wallraff stammen, man sei aber mit ihm „im Gespräch“.

Wallraffs Anwalt geht davon aus, dass das Ermittlungsverfahren zu Fahnemanns Vorwürfen noch in diesem Jahr abgeschlossen wird.

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