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Ulrich Meyer moderierte die Sendung "Wir sind Deutschland".

© Sat1

"Wir sind Deutschland": Sat 1 scheitert mit dem Versuch einer neuen Ranking-Show

Sat 1 versucht sich mit einer neuen Ranking-Show - doch "Wir sind Deutschland" verbessert das Gammelfleisch-Image dieses Genres wenig.

Helmut Kohl, Ex-Birne und Kanzler der Einheit. Dagobert, Erpresser mit Robin-Hood-Appeal. Diddl-Maus, die süüüüüüüüße Nagetierplage. Tokio Hotel. Klaus Wowereit. Schnappi. WM 1990. Eisbär Knut. Helene Fischer und die Oderflut. Zehn von 20. Die größten Helden Deutschlands. Und die Helden in der Sat-1-Rankingshow „Wir sind Deutschland“. Rankingshows – das „Wiener Schnitzel“ in Deutschlands TV-Verwurstungsanstalten. Geistig auf Halbmast, wenn mit verstaubtem Archivmaterial und verglühten C-Promis wie Bechtel, Bendel oder Blanco, misslungene Schönheitsoperationen bei unbekannten Seriendarstellern, vordergründig mit Expertenblick, hintergründig unkomisch bis unfreiwillig komisch kommentiert werden.

Helen Fischer belegt Platz neun

Tiefer als tief, wenn zum Beispiel das ZDF in der Sendung „Deutschlands Beste!“ das Umfrageergebnis gezielt manipuliert. Sat.1 versucht’s mal etwas anders. Es gibt Archivmaterial. Aber es werden nicht immer die gleichen, alten und ausgelutschten Geschichten zu den einzelnen Helden-Episoden erzählt. Zu Michael Schumacher, Rankingplatz 2 erzählt sein Fahrlehrer Karlheinz Itzel, wie er den besten Autofahrer der Welt durch die Fahrprüfung gebracht hat. Zu Helene Fischer, Rankingplatz 9, erzählt die Schlagersängerin Kristina Bach, das sie Fischers Millionenseller „Atemlos durch die Nacht“ in 40 Sekunden komponiert, aber für den Text zwei Wochen gebraucht hat. Lästig die seichten, notdürftig kaschierte PR-Geschichten.

Diddl-Maus, Rankingplatz 15. Ihr Erfinder, der Grafiker und Illustrator Thomas Goletz. Extrem pressescheu. Ziemlich überlaut wird das welterste TV-Interview angekündigt. Dann gibt es Goletz, als Comicfigur, wenigstens die Stimme ist echt. Erkenntnisgewinn – übersichtlich. Vielleicht liegt die verblüffende Heldenerschaffung der Diddl-Maus daran, dass die Firma Depesche die Lizenz an Goletz zurückgegeben hat. Und auch ansonsten hat es sich finanziell und erfolgsmäßig ziemlich ausgediddlt.

Bei der Deutschen Bahn, Rankingplatz 8, darf Bahn-Pressesprecher Achim Stauss, lieblich-anekdotisches verbreiten. Ok, die Bahn kommt hin und wieder mal vielleicht etwas zu spät. Aber ansonsten? Streiks? Überhöhte Preise? Die Reise-Bus-Konkurrenz? Der schlechte Service? Defekte Heizung im Winter? Kaputte Klimaanlagen im Sommer? Das ist die Deutsche Bahn in einem Paralleluniversum.

Zu Jan Ullrichs Doping-Problemen wird wenig erzählt

Von Jan Ullrich, Rankingplatz 16, hört man sehr verdammt viel über sein verlangsamtes Fahren nach dem Sturz von Kontrahent Armstrong, aber homöopathisch wenig über seine Doping-Karriere. Der liedgewordene 5-Töne-Wahnsinn „Schnappi“ vor der WM 1990? Die Oderflut, Rankingplatz 18, meilenweit entfernt vom Eisbären Knut, Rankingplatz 7. Intellektuelles Tiefflieger-Niveau? Oder Voodoo für den wankelmütigen Quotenerschaffer „Zuschauer“?

Anmoderationen durchtränkt mit Küchenkalender-Weisheiten

„Wir sind Deutschland“ hat das Gammelfleisch-Image der Ranking-Shows nicht sonderlich verbessert. Warum müssen die Off-Kommentartexte so pathostriefend sein? Warum sind Ulrich Meyers Anmoderationen durchtränkt mit Küchenkalender-Weisheiten? Und werden vorgetragen im avantgardistischen Schauspielstil des Sommertheaters Überlingen? Warum müssen neben Boris Becker, Til Schweiger, Henry Maske, Reiner Calmund und zu vielen anderen, auch noch die Moderatoren vom Sat-1-Frühstücksfernsehen vorkommen? Fragen über Fragen. Da tut sich eine ganz neue Sparte am TV-Horizont auf: „Wir sind Suchende – die nervigsten Fehler bei Sat-1-Rankingshows“.

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