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Wolfgang Stumph ist von ganzem Herzen Dresdner, auch wenn er 20 Jahre lang als Kommissar Stubbe in Hamburg ermittelt hat.

© dpa

Wolfgang Stumph: „Ich bin kein Vorzeige-Ossi“

Am Sonnabend löst Kommissar Stubbe im ZDF seinen letzten Fall. Im Interview spricht Wolfgang Stumph über 25 Jahre Mauerfall, zu viel Ballerei im TV und seine künftigen Projekte.

Herr Stumph, dass ihr Kommissar Stubbe in dem Jahr aufhört, in dem sich der Mauerfall zum 25. Mal jährt, ist das tatsächlich nur bloßer Zufall?

Der Bogen schließt sich insgesamt ganz gut. Unser Ziel 1993 war es, etwas ganz anderes zu machen, eben nicht wie Derrick oder Schimanski. Wir wollten einen Krimi-Kommissar mit Familie, mit einem Leben neben dem Berufsleben. Bei uns sollte auch kein westdeutscher Kommissar in den Osten kommen. Der „Leihbeamte“ geht von Ost nach West. Alle hatten auf einmal ein Erbe in Ostdeutschland, Stubbe kam nach Hamburg, weil er dort erbt. Auch da haben wir es umgekehrt gemacht.

Die Idee hinter Stubbe hatte immer etwas von einer Mission, dieses Verbindende von Ost und West. Ist das Ziel inzwischen wirklich erreicht?

Nein, bis Ost und West wirklich zusammengewachsen sind, das dauert bestimmt noch eine Generation. Aber die Konflikte sind nicht mehr nur an Ost und West gebunden. So hat inzwischen jeder begriffen, dass der Solidaritätsbeitrag von hüben wie drüben getragen wird. Die Solidaritätshaltung muss nicht mehr nur für den Osten gelten, manche Teile von Duisburg haben den Solidaritätsfonds genauso nötig. Das haben die Menschen eher erkannt als die Politik.

Aber warum braucht es dann noch eine Generation zum Zusammenwachsen?

Für meine Tochter Stephanie Stumph, die 1989 sechs Jahre alt war, spielt Ost-West überhaupt keine Rolle. Aber in meiner Generation ist dies durch die Erinnerung oder den plakativen Vergleich eben doch anders.

Wo gibt es noch Defizite?

In der Sichtweise der Medien und der Politik. Zu oft wird immer noch die Trennung als Argument oder Aufhänger genommen und nicht das Vereinende. Ich werde heute teilweise immer noch als Vorzeige-Ossi behandelt. Über eine solche vordergründige Betrachtung lacht der normale Leser oder Zuschauer. Es gibt noch mehr Beispiele.

Hatten Sie eigentlich Ihren Frieden mit dem DDR-System gemacht gehabt?

Als Kabarettist kann man mit keinem System den Frieden machen. Weil man seinen Beruf eigentlich nur mit dem moralisch bohrenden und erhobenen Zeigefinger einer Verbesserung des Existierenden ausüben kann. Das galt dann später gleichermaßen unter gesamtdeutschem Vorzeichen. Wir bleiben in jedem System unter den Möglichkeiten. Der Mensch ist gut, nur die Leute sind schlecht. Da muss man weiter bohren und wenn es in der eigenen Nase ist.

„Stubbe“ dreht zum Ende noch einmal richtig auf. Sieben beziehungsweise acht Millionen Zuschauer sahen die beiden letzten Folgen. Was sind die Gründe für den Erfolg?

Das Team und die Zuschauer sind sich über die Jahre wechselseitig treu geblieben. Die Zuschauer wissen, was auf sie zukommt. Sie wissen, dass wir nicht mit ihrer Gunst spielen. Und wir sind mit den Figuren so authentisch wie möglich umgegangen. Zudem ballern und albern wir weniger rum, als es jetzt Mode ist. Authentisch ist aber genauso, dass ein Beamter mit 65 nicht mehr Verbrechern hinterher jagt, sondern in den Ruhestand geht.

So wie Kommissar Wilfried Stubbe, der an diesem Sonnabend in Hamburg seinen letzten Fall löst.

In den zwanzig Jahren vom ersten Dreh 1994 bis jetzt haben wir auch biologisch nachgewiesen, wie die Jahre vergangen sind. Christiane Stubbe, die von Anfang an von meiner Tochter Stephanie gespielt wird, ist nicht mehr die kleine neunjährige Chrissy, sondern eine erwachsene Frau. Stubbe selbst und sein Kollege Bernd Zimmermann haben ihren Haarwuchs eingeschränkt. Und die Ossi-Wessi-Spielereien aus den Anfangsjahren sind immer mehr zu gesamtdeutschen Problemen geworden.

In Stubbe wurden viele Themen behandelt, welche hätten Sie noch gerne aufgegriffen?

In den Ruhestand geht ja nur Stubbe, nicht aber Stumph. Es gibt viele Themen, die zu groß, zu umfangreich und zu wichtig für mich als politisch denkenden Schauspieler mit seinen Wurzeln im Kabarett sind, um sie als Parallelplot im Krimi laufen zu lassen. Diese Themen will ich in eigenen Filmen behandeln, so wie wir es in „Eine Liebe in Königsberg“ getan haben. Das war immerhin der erste deutsche Film, der in Kaliningrad gespielt hat.

Ein Projekt ist bereits in Vorbereitung.

Die Arbeiten für das erste Thema beginnen im Frühjahr. Der Film wird in Dresden spielen. Es war immer mein Bestreben, meine Heimatstadt und die Region in ganz Deutschland zu präsentieren. So wie in „Blaues Wunder“ mit Martina Gedeck. Der Name der Figur in dem neuen Film wird wieder einmal mit St anfangen und Stein heißen. Inhaltlich geht es darum, wie Menschen einer bestimmten Altersgruppe im Beruf auf einmal abgeschoben werden. Was bedeutet es für die Ehe, wenn man plötzlich im Beruf nicht mehr gebraucht wird? Stichwort „Papa ante Portas“. Aber das ist nur ein Aspekt. Es wird ein sehr ernsthafter Film werden.

Gleichwohl, das Projekt Stubbe ist nun komplett vorbei.

Ich habe über die Jahre viel Kraft in die Parallelarbeiten neben Stubbe gesteckt. Mindestens 15 Filme wurden parallel zu Stubbe gedreht. Diese frei gewordene Kraft, will ich nun in die nächsten Projekte stecken, die mir am Herzen liegen. Aber auch in den Genuss von Lebenszeit. Um zu beobachten, wie meine erwachsenen Kinder ihren Weg gehen, wie sich mein Enkel entwickelt. Da habe ich so viel nachzuholen an Dingen wie Theaterbesuche, Freundschaften pflegen. Bei meinem Filmen habe ich mich nie verführen lassen, nicht zum dritten „Go, Trabbi, Go“ oder zum dritten „Job seines Lebens“. Über „Salto Postale“ spricht man noch heute. Ich will Bäume hinterlassen und keine Sträucher setzen.

Das Interview führte Kurt Sagatz.

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