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Zeitschriften: Oh, wie verführerisch

Jäger- und Sammlerinnen: Nur die wenigsten Frauen sind treu, wenn es um Magazine geht. Für die Branche ist das Fluch und Segen zugleich.

Treu sind nur die wenigsten Frauen. Fast alle wagen einen Seitensprung, manche sogar monatlich. Zwar kehren viele anschließend wieder reumütig zurück, doch manche lassen sich auf eine neue Beziehung ein. Langweilt auch die, wird eben wieder eine neue gesucht.

Männer, keine Angst. Es geht ausnahmsweise nicht um euch, sondern um Magazine. Zumindest was Zeitschriften betrifft, haben Frauen eine große Neigung fremdzugehen. Für die Verlage ist das Fluch und Segen zugleich, sagt Volker Breid, Geschäftsführer des Bereichs Frauen/Familie/People bei Europas größtem Zeitschriftenhaus Gruner + Jahr: „Ein Fluch, weil sich fast kein Titel sicher sein kann, eine Leserin dauerhaft an sich binden zu können. Und ein Segen, weil auch neue Hefte eine Chance haben und die Verlage in diesem Markt mehr ausprobieren können.“

Wohl in keinem anderen Segment wird so stark um die Gunst der Leserinnen gekämpft wie im Bereich der Frauenzeitschriften. 34 wöchentlich erscheinende Titel (verkaufte Auflage insgesamt: 9,9 Millionen Stück, IVW 3. Quartal 2011), vier 14-tägliche (1,7 Millionen Stück) und 53 Monatstitel (9,9 Millionen Stück) konkurrieren bereits jetzt miteinander. Und trotzdem werden in keinem anderen Segment so viele neue Titel lanciert – denn dank der Experimentierfreudigkeit der Leserinnen dürfen sich neue Magazine Hoffnung machen, nicht nur zum kurzfristigen Flirt, sondern zum dauerhaften Partner auserkoren zu werden.

Das wollen in diesem Jahr gleich mehrere Verlage ausnutzen. Gruner + Jahr startet im Frühjahr den neuen Zwei-Monats-Titel namens „Season“ für Frauen zwischen 30 und 40, dazu ist ein Heft für jüngere Leserinnen geplant. Marquard Media („Cosmopolitan“, „Shape“) will mit „Hot“ ein Projekt starten, das eine Kombination aus Magazin und Website sein soll. Und nach den zwei gut gelaufenen Testausgaben von „Cover“ mit um die 80 000 verkauften Exemplaren wird Burda den Titel wohl regelmäßig an den Kiosk bringen. Auch an einer deutschen Ausgabe des Modemagazins „Harper's Bazaar“ soll der Verlag Interesse haben.

Warum Verlage mehr neue Magazine für Frauen anbieten als für Männer? „Männer denken viel seltener über sich selbst nach als Frauen, hinterfragen weniger ihr Leben mit Familie, Beruf und Hobbys“, sagt Breid. Während Männer sich mit einem Nachrichtenmagazin, mal einem Wirtschaftsblatt oder einem Heft rund um ihr Hobby und der Tageszeitung begnügten, seien Frauen am Kiosk als Jäger- und Sammlerinnen unterwegs: „Sie suchen in den Magazinen nach neuen Anregungen, Lebenshilfe und Tipps für alle möglichen Bereiche.“

Zugegriffen werde vor allem bei Titeln, die sich auf eine bestimmte Altersgruppe oder ein bestimmtes Lebensgefühl konzentrieren. So wie die kürzlich gestartete „Brigitte Mom“ für junge Mütter, „InStyle“, die zeigt, was Stars tragen oder die „Landlust“, die von alten Traditionen berichtet, Strick-, Bastel- und Backanleitungen gibt. Die „Brigitte“ selbst hat es als generationsübergreifender Titel angesichts der spezialisierten Konkurrentinnen immer schwerer. Trotz neuer Rubriken und dem vor zwei Jahren mit viel Aufmerksamkeit begleiteten Schritt, nur noch mit Laienmodels zu arbeiten, sinkt ihre verkaufte Auflage. 660 000 Stück waren es im dritten Quartal 2011, das entspricht einem Minus von knapp vier Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal, die Zahl der Abos ging um zehn Prozent zurück. „Neu gelauncht würde ein General-Interest-Titel wie die ,Brigitte’ wohl nicht mehr so erfolgreich sein im Markt. „Brigitte“ ist die einzige Zeitschrift, die das heute so schafft, und wahrscheinlich würde man neue Titel nicht so generationsübergreifend anlegen“, sagt Breid.

Auch „Season“ soll spezialisiert sein, über Themen wie Gesundheit, Mode und Beauty mit einem stark saisonalen Bezug berichten und mit dem Erscheinungsrhythmus von zwei Monaten an den Erfolg der „Landlust“ anknüpfen. „,Season’ zieht das Konzept der Entschleunigung auch mit der Erscheinungsweise durch. Das schätzen Leserinnen, die sich manchmal unter Druck fühlen, wenn sie die eine Zeitschrift noch nicht fertig haben und die neue Ausgabe schon wieder erscheint“, sagt Breid.

Dagegen soll „Hot“ rund um die Uhr Neues bieten. Das Multimedia-Projekt basiert auf Magazin und Website. Im monatlich erscheinenden Heft wird über Mode- und Kosmetiktneuheiten berichtet, auf der Website sollen die Produkte zu kaufen sein. Waltraut von Mengden, Geschäftsführerin der MVG Medien Verlagsgesellschaft, will so damit zwei Trends kombinieren: dass Frauen immer mehr online shoppen, aber trotz ihrer Lust am Stöbern und Surfen im Netz nicht auf Magazine verzichten wollen. Zwar gebe es im Internet längst Websites zu allen möglichen Themen und Problemen, bei denen Frauen Anregungen und Beratung finden, „doch danach müssen sie dann gezielt suchen. Mit einer Zeitschrift müssen sie dagegen nicht interagieren, sondern können sich auch mal in Ruhe aus dem Alltag davontreiben lassen und in eine andere Welt hineinträumen.“ Von Mengden ist deshalb überzeugt, dass der Markt der Frauenzeitschriften auch weiterhin einer der vitalsten der Branche bleiben wird – auch gerade wegen der zum Fremdgehen neigenden Leserinnen.

Volker Breid hat es künftig mit einer anderen Zielgruppe zu tun. Er wechselt zum 1. Februar zur Motor Presse Stuttgart. Hier wird er unter anderem für Magazine wie „Men’s Health“ oder „Mountain Bike“ verantwortlich sein – gelesen vor allem von treuen Männern.

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