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Medien: Zweierlei Zorn

Libanesische Journalisten teilen nicht die Sicht vom „arabischen Sieg“

Der Ton der Fragen ist höflich, ihr Unterton dagegen meist schadenfroh, als David Welch ausländischen Medien die offizielle US-Sicht des Libanonkriegs darlegt. Der Staatssekretär für Nahost im US-Außenministerium hat den Großteil seiner Diplomatenkarriere in arabischen Ländern gelebt. Der verdeckte Zorn auf Israel und seine Schutzmacht USA in den Wortmeldungen der arabischen Korrespondenten wird ihn nicht überrascht haben. Sie stellen an diesem Tag mitten in Washingtons politischer Sommerpause 80 Prozent der Journalisten im Briefing-Raum für die Auslandspresse.

Ihre Fragen offenbaren eine bizarre emotionale Mischung aus Anklagen, dass Israels Militäraktion gegen die Hisbollah viele zivile Opfer mit sich gebracht habe, und einer kaum gezügelten Pose des Triumphs, dass die Hisbollah nicht gewichen sei. Die fragwürdige These vom „Sieg“ der Schiitenmiliz, die doch militärisch stark dezimiert ist, scheinen die meisten distanzlos zu teilen oder als islamische Heldensaga zu interpretieren. „Sind Sie enttäuscht über den offenkundigen Misserfolg der israelischen Armee?“, möchte der Korrespondent des ägyptischen Fernsehens wissen. „Was sagen Sie zu dem verbreiteten Eindruck, dass der Iran den USA seine Macht demonstriert hat?“, fragt der Kollege aus Kuwait. „Benennen Sie doch einmal Sieger und Verlierer“, verlangt die Korrespondentin des Senders „Al Arabija“ und gibt gleich die gewünschte Richtung vor: „Viele sagen, dass die USA der größte Verlierer sind und sich in der arabischen Welt völlig isoliert haben.“

Auch die Journalistinnen der libanesischen Medien – es sind überwiegend junge Frauen Ende 20 bis Mitte 30 – lassen ihre bitteren Gefühle erkennen. Aber bei genauerem Zuhören wird klar, dass ihr Zorn ein ganz anderer ist als der ihrer arabischen Kollegen. Joyce Karams Frage („Al Hajat“) hatte noch fast neutral geklungen: „Wie kann man Syrien daran hindern, die Hisbollah mit neuen Waffen zu beliefern?“ Welchs Antwort, auch Syrien müsse UN-Resolutionen befolgen, freiwillig, befriedigt sie nicht. Mayssa Zeidan („Al Mustaqbal“, Beirut) klagt offen an. „Unser Ministerpräsident weint über die Toten und die Zerstörungen. In Syrien und dem Iran feiern die politischen Führer unser Leid als ihren Sieg. Hatten die USA nicht versprochen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden?“ Auch Hisham Melham („An Nahar“, Beirut) ist enttäuscht. „Präsident Bush hatte versprochen, dass diesmal das Kernproblem beseitigt wird, und damit meinte er die Hisbollah. Doch jetzt sagt Scheich Nasrallah, er sei an Gesprächen über die Entwaffnung nicht interessiert.“

Sie haben ganz andere Gefühle als ihre arabischen Kollegen, bestätigen die Damen im privaten Gespräch nach der Pressekonferenz. „Wir sind es leid, als Schlachtfeld für Stellvertreterkriege zu dienen“, sagt Joyce Karam. Den Heldenkult der arabischen Kollegen um den Widerstand der Hisbollah hat sie satt. „Sie bewundern Kriege, die sie sich selbst nicht zu führen trauen. Unser Land wird dabei zerstört.“ Gewiss, wenn sie das offen sage, werde sie komisch angeschaut. „Die halten uns dann für unwürdig, Araber zu sein.“ Mayssa Zeidan hat sich in den jüngsten Wochen bei „sehr paradoxen Gefühlen gegenüber Israel“ erwischt. Israels Militär richte all die Zerstörungen im Libanon an, sei der Feind. Aber wer sonst werde ihr Land von Hisbollah befreien?

Sie fühlen sich im Stich gelassen von der Welt. Die UN-Resolution bürde alle kaum lösbaren Probleme der fragilen Regierung des Libanon auf: die Entwaffnung der Hisbollah, die Kontrolle der syrischen Grenze, um den Waffennachschub zu unterbinden, die Durchsetzung einer milizfreien Zone im Südlibanon. „Wir wissen doch, dass die zu schwach dafür ist.“

Vor einem knappen Jahr, als dank internationalem Druck, insbesondere von Frankreich und den USA, die Syrer nach jahrelanger Besetzung abziehen mussten, da waren die Libanesinnen euphorisch gewesen, dass ihr Land sich aus dem Würgegriff der Nachbarstaaten befreien kann. Sie dankten deutschen Kollegen für die Arbeit des Berliner Staatsanwalts Detlev Mehlis, der im UN-Auftrag den Mord an ihrem ehemaligen Premier Rafik Hariri aufklärte; die Drahtzieher saßen in Syrien. Jetzt sind sie deprimiert. Der Ausgang des Krieges hat nichts am Einfluss fremder Mächte im Libanon geändert. Die arabischen oder panislamischen „Bundesgenossen“ werden von vielen Libanesen als Last empfunden.

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