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Medien: Zwischen Duell und Krise

Ein Rückblick auf das Medienjahr 2002

Marshall McLuhans Ausspruch „the media is the message“ bringt es auf den Punkt: Im Jahr 2002 rücken die Medien selbst in den Mittelpunkt der Berichterstattung. Anders als in den Boomjahren der New Economy allerdings nur selten im positiven, bestenfalls im reflektierenden Sinne. Zumeist jedoch durch negative Schlagzeilen.

Den unrühmlichen Höhepunkt erreicht das Medienjahr 2002 bereits im Frühjahr. Nach dem Amoklauf eines ehemaligen Schülers des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums wird die thüringische Stadt zum Heerlager der Journalisten. Makaber: Zuerst wird aus dem Lehrer Rainer Heise ein Held gemacht, der durch sein beherztes Eingriffen weitere Opfer verhindert hat, dann werden seine Schilderungen als Lüge bezeichnet, um ihn am Ende wieder zu rehabilitieren. Vor allem aber wird die Gewalt in den Medien zum politischen Thema: In zwei Mediengipfeln drängt Bundeskanzler Schröder die Verantwortlichen in den Fernsehsendern und von Computerspieleherstellern zu eigenverantwortlicher Selbstbeschränkung. Das umstrittene Ballerspiel „Counterstrike“ kommt dennoch nicht auf den Index.

Von ihrer besten Seite zeigen sich die Medien bei der Fußball-Weltmeisterschaft im Juni. Das Endspiel Deutschland – Brasilien im ZDF verfolgen über 26 Millionen Deutsche, nicht eingerechnet die vier Millionen Zuschauer, die in Gaststätten oder auf Großleinwänden den Sieg der Südamerikaner erleben. Einen negativen Beigeschmack hinterlässt allerdings der Umstand, dass bei dieser Fußball-WM nur noch die Pay-TV-Kunden des Senders Premiere in den Genuss aller Spiele kommen. Im frei empfangbaren Fernsehen werden 27 der 64 Partien übertragen.

Doch selbst die teuer erkauften WM-Rechte für die Komplettausstrahlung können das Imperium des Leo Kirch nicht retten. Die milliardenschwere Schuldenlast zwingt die Teilgesellschaften der Holding nacheinander in die Insolvenz. Der Verleger Heinrich Bauer will die Senderkette ProSiebenSat 1Media, zu der auch Kabel 1 und N24 gehört, nun übernehmen. Doch nicht nur Pleitier Kirch hat existenzielle Probleme. Auch in der Zeitungsbranche stehen die Zeichen auf Krise. Bereits im März stellt die „Woche“ ihr Erscheinen ein, im Jahresverlauf gerät die „Süddeutsche“ an den Rand des finanziellen Kollaps, der nur durch den Einstieg der Südwestdeutschen Medien Holding abgewendet werden kann. Allerorten folgen den Einbrüchen am Werbemarkt massive Stellenstreichungen. Der Axel Springer Verlag kündigt den Abbau von zehn Prozent der Stellen an, beim Süddeutschen Verlag stehen 950 Arbeitsplätze zur Disposition, bei der „FAZ“ sollen Dutzende Redakteure entlassen werden. Um sich im Wettbewerb auf dem Berliner Zeitungsmarkt zu behaupten, erwirbt die Verlagsgruppe Holtzbrinck (Der Tagesspiegel) Mitte des Jahres den Berliner Verlag („Berliner Zeitung“), das Kartellamt untersagt im Dezember die Übernahme. Eine Ministererlaubnis soll nun die Entscheidung herbeiführen.

Über die Bedeutung der Medien wird im Herbst jedoch auch aus ganz anderem Grunde diskutiert. Erstmals in der 50-jährigen deutschen Fernsehgeschichte treffen bei einem Bundestagswahlkampf der Amtsinhaber und der Herausforderer vor laufender Kamera aufeinander. Zuerst auf Sat 1 und RTL, später in ARD und ZDF treten Gerhard Schröder und Edmund Stoiber in direkte Konkurrenz. Das vorausgegangene „Zeitungsduell“ gerät da schnell in Vergessenheit. Eine bis dahin nicht da gewesene Auseinandersetzung liefern sich die Parteien zudem im Internet.

Am 7. November stirbt Rudolf Augstein, Gründer und Herausgeber des „Spiegels“, im Alter von 79 Jahren. Es beginnt der Kampf um seine Nachfolge. Mit im Gespräch: Augsteins Tochter Franziska.

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